"Die Nationen der Welt lassen sich, grob gesprochen, in zwei Gruppen einteilen: die Lebenden und die Sterbenden." Lord Salisbury, Premierminister GBR, 1898 i Royal Albert Hall, zitiert aus "Durch das Herz der Finsternis" von Sven Lindqvist (S.204)
Wir fahren Richtung Mali und zum Glück ist es noch 3 drei Jahre hin, ehe 2012 Präsident Präsident Amani Toumani Touré vom Militär gestürzt wird. Abermals - wir kennen das von einem Afrika, dessen Bevölkerung noch eine Alterspyramide bildet, die an einen Weihnachtsbaum erinnert und nicht vergreist mit Rollatoren über die Steppe fegt - ist es ein junger Offizier, namens Amadou Haya Sanogo, der den alten Präsident - selbst durch einen Coup an die Macht gekommen - vom Hocker holt. Al Jazeera gibt uns hier einen kleinen Einblick.Anders als Thomas Sankara, der Che Afrikas, ist es diesmal ein von den Amerikanern ausgebildeter Offizier. Was ist passiert und wie dürfen wir das westliche Pressegezeter von wegen "Och, es war doch so stabil und demokratisch." deuten. Mali war und ist in jedem Fall stabil bitterarm, das "Och" hätte eigentlich schon früher mal ausgesprochen werden sollen, wenn es denn von Herzen käme. Ich spreche die Gefühlsregung des Mitleids selbst den Gutmenschen nicht ab - immer in Verbindung mit der Angst, daß sich dadurch der eigene Lebensstandard nicht ändert und die Importgüter nicht so 'unverschämt' teuer werden.
Gutmenschentum und Demokratie sind Gewächse, die sich vom Überfluß nähren, jenem Überfluß auf Kosten anderer. Und damit war Mali auch vor Jahren nicht gesegnet. Präsident Toure war Herrscher eines Landes, das als Drehscheibe und Transitland im Drogenhandel gedient hat - wie der Absturz einer venezolansischen Boing 2009, beladen mit mehreren Tonnen Kokain, zeigt.
Auch die Entführungen von Touristen im Norden des Landes, wo nun die Tuareg sich militärisch nach Süden bewegen und inzwischen die Gebiete bis Timbuktu erobert haben.
Beides wird von Präsident Toure in einem gewikileaktem Dokument angeschnitten.
Wie ernst die Sorge Toures um die Stabilität des Landes war und ob es seine angebliche Bereitschaft war, mit den rebellierenden Tuareg konstruktiv zu verhandeln, die schließlich zu seinem Sturz geführt hat, ist schwer zu sagen.
Namibia jedenfalls wirft der Nato vor, nach deren Unterstützung für den Umsturz in Libyen auch den in Mali voranzutreiben, um seinen eigenen Nutzen aus dem Chaos zu ziehen.
Denn beide Konflikte, der Bürgerkrieg in Libyen und das Vordringen der Tuareg-Rebellen bis Timbuktu/Gao, stehen im engen Zusammenhang.
Auch die kleine Ethnologin stellt sich diese Fragen mit dem Hinweis darauf, daß der Coup in Mali nur wenige Wochen vor der Wahl stattfand, bei denen Toure zurücktreten wollte. Auch daß der malische Putschist Sanogo von den den USA ausgebildet wurde, rückt die Situation in ein gewisses Licht.
Festzustellen ist, daß sich die wunderschöne Reise auf dem Niger von 2009 durch Mali nun nicht mehr so schnell wiederholen läßt. Für die leidgeprüfte Bevölkerung Malis wird sich die Situation weiter verschlechtern, der Drogenhandel wird sich weiter ausbreiten und wenige reiben sich ihre gierigen Hände. Mich würde es wundern, wenn diese Hände nicht weiß wären. So schreibt sich also die Wassermusik dieser Tage.
Der europäische Völkermord im Herz der Finsternis - damals wie heute
Hintergründe sind der Bildzeitung eigentlich nur aus Zeiten der halbnackten Covergirls bekannt und so darf es nicht verwundern, daß wir beim Thema Charles Taylor, dem Schlächter von Liberia und Sierra Leone, nicht ein Wort über den historischen Bezug des Händeabhackens erfahren. . Da läßt sich leichter vergessen, daß es sich sozusagen um eine belgische Erfindung unter Leopold II. handelt, wie der Film "White king, red rubber, black death" uns das vor Augen führt.
"Ich werde ihnen meinen Kongo geben", hatte Leopold II. verfügt, "aber sie haben kein Recht zu erfahren, was ich dort getan habe." (Die Zeit - "Gulag im Dschungel") Mark Twains Buch "König Leopolds Selbstgespräch" zeigt uns, daß dieser belgische Schlächter in seinen Bemühungen keineswegs allein stand.
Nun haben wir endlich einen Namen - Charles Taylor - mit dem wir die Vergangenheit überkleben können. Kindersoldaten und Blutdiamanten - letztere waren es schließlich, mit denen die internationale Gemeinschaft ihn vor dem internationalen Gerichtshof zu Fall brachte. Wer diese Diamanten schließlich gekauft hat, um seinen Heiligenschein zu schmücken, sollte uns allerdings nicht interessieren.
Selbst der heutige Blick auf den Kongo Leopolds verdeckt, daß es sich hierbei vorwiegend um ein gesamteuropäisches Projekt handelt - siehe Kongokonferenz von 1885/1885.
Die europäische Geschichte des Kongo hat sich bis heute nicht geändert. 1961 wurde Patrice Lumumba unter belgisch-amerikansichem Beistand gestürzt und ermordet, ehe er den Kongo für die Kongolesen demokratisch zurückeroben konnte. Und so herrscht Europa mit Gewalt und Elend ohne Ende bis heute über sein von Untermenschen und Bestien bewohntes Rohstoffreservoir. Die Schuld trägt Afrika allein - "Exterminate all the brutes".
Bis zur Entdeckung des Chinin als Malariaprophylaxe war zumindest das Hinterland Afrikas relativ sicher vor den todbringenden, bleichgesichtigen Kolonialherren, die so bis circa 1850 wie ein Schimmelpilz nur an den Rändern des Kontinents ihre Ideen von Zivilisation zur Geltung bringen konnten. Bis 1900 schießlich ist der Kontinent durchsetzt von und aufgeteilt zwischen den europäischen Kolonialstaaten. Der Kongo wird persönlicher Besitz des belgischen Königs Leopold II.
Der Export von Sklaven ist weniger wegen seiner moralischen Komponente verpönt, sondern vorwiegend, weil diese nun in Afrika selbst benötigt werden, um Elfenbein, Kautschuk etc zu extrahieren - selbstverständlich weiterhin als Sklaven. Die überschüssigen Massen dieser "schwarzen Bestien" werden in wahren Blutorgien hingemetzelt. Ach, was nervt mich mein sachliches Geschwafel. Ein Blutrausch war das, was Europa da veranstaltet hat.
Daß die Blumenbeeteinfriedung von Herrn Marlow aus Joseph Conrads "Herz der Finsternis" aus den Totenköpfen der Abgemetzelten bestand, ist im Grunde ein Euphemismus - wer, dieser Opfer der aufgeklärten Zivilisationen, wäre nicht froh, wenigstens im Tode für etwas gut zu sein.
Geschichtlich verklärt begreifen wir die Expedition des Kapitän Voulet (siehe "The Killer Trail") als einen von uns abgetrennten Teil der Vergangenheit. Mit uns hat das nichts zu tun, wenngleich wir die hübschen Kolonialbauten unserer Hauptstädte auch gerne mal im Vorbeigehen bewundern, mit der Eiswaffel in der Hand.
"Klobb stieß auf Männer, die lebendig aufgehängt worden waren - niedrig genug, daß die Hyänen ihre Füße fressen konnte, während der Rest ihrer Körper für die Gier blieb." (Sven Lindqvist: "Durch das Herz der Finsternis"; S.240). Klobb der Gute, der Voulet des Kommandos entheben sollte, weil dessen Schlächtereien durch eine Art koloniales Wikileaks bis in die Sonntagszeitungen des Good Old Europe vorgedrungen waren.
"Am 13.Juli hatte Voulet einhundertfünfzig Frauen und Kinder hinrichten lassen ..." (S.242) Am 14.Juli ließ Voulet Klobb erschießen. ("Riding the Demon: On the Road in West Africa").
"Ich bin ab sofort kein Franzose mehr. Ich bin ein schwarzer Häuptling, sagte Voulet." (S.243) Und irgendwie muss man zwangsläufig an Kurtz denken - aber nicht jenen aus dem "Herz der Finsternis", sondern an sein Remake aus "Apocalypse Now".
Alles Filme, alles Bücher, alles Fetzen aus einem Geschichtsbuch. Nicht Teil unserer moralischen Fundamente, die den Westen heute zum Verteidiger der Demokratie und der Menschrechte machen. Auch kein Bezug zum Holocaust (siehe Historikerstreit), den Hitler mit ein paar Henkersknechten gepachtet hat.
Da mag die Bevölkerung des Kongo unter der Herrschaft König Leopolds II. um rund die Hälfte reduziert worden sein und einem großem Restanteil die Hand abgehackt (siehe Kongogräuel) ... mit uns hat das nichts zu tun. Und wir können auch nicht verstehen, warum sie jetzt plötzlich Geschäfte mit China machen. "Diesen Verachtern der Menschenrechte!"
Die freundliche Deutung dieser westlichen Sicht der Dinge ist, daß, was auch Voulet schließlich vorgeworfen wurde, uns einfach die Hitze zu Kopf gestiegen ist und wir komplett die Realität aus den Augen verloren haben. Eine andere Sicht wäre, daß wir im Laufe der Zivilisationsgeschichte so scheinheilige wie bleichgesichtige Monster geworden sind und uns die Leichenberge bei weitem noch zu niedrig sind. Daß wir im Endeffekt die Eliminierung von allem und jedem herbeisehnen, was wir nicht als unser Eigen sehen. Unser Motto hat sich zumindest in den letzten hundert Jahren in keiner Weise geändert. Wie Sven Lindqvist in seinem Buch zu Recht feststellt. Wir alle heißen Kurtz. "Exterminate all the brutes!"
A short history of killer nations - Europa in Afrika
Das Thema Kolonialismus scheint nicht vergessen, aber doch verwischt. Um zu zeigen, daß wir eben doch die Erfinder des humanistischen Ideals und der Menschrechte sind, erfinden wir wie im Stakkato immer neue Wörter für das, was wir innerlich immer noch Neger nennen. Erst schwarz, dann farbig, schließlich Afroafrikaner, andersfarbig oder Inhabitant des Trikont. Im Grunde bleibt es ein unterentwickelter Neger.
So lehrt uns die Bundeszentrale für politische Bildung: "Demokratien werden unglaubwürdig, wenn sie sich nach außen hin nicht denselben Werten verpflichtet fühlen, die sie nach innen als verbindlich erachten: Frieden, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit und Recht auf individuelle Entwicklung. Die meisten dieser Werte liegen in Afrika noch immer im Argen. Deutschland kann zur Überwindung dieses Mißstands einen Beitrag leisten.""
Vermutlich ließe sich argumentieren, daß nur wir Europäer und Nordamerikaner durch unsere Geschichte des Massenmords und Genozids ein modernes Menschenbild und eine so ehrenwerte Form der Demokratie entwickeln konnten, daß es einzig uns vorbehalten ist, andere darüber aufzuklären und zu lehren, wie es läuft.
Wie dreist, wenn der derzeitige Präsident Tunesiens Marzouki in einem Interview mit Julien Assange davon spricht, daß er sich von Personen im Weißen Haus lieber nicht erklären läßt, wie sich diese herrliche Demokratie nun auch in seinem Land einführen ließe.
Die westliche Welt entrüstet sich über den wachsenden chinesischen Einfluß in Afrika. China, das die Menschenrechte so wenig achtet wie ... wir? China, das nur daran interessiert ist, so viele Rohstoffe wie möglich, so billig wie möglich dem afrikanischen Kontinent zu entreißen. Selbst das bundeseigene Sprachrohr für politische Bildung gibt zu bedenken, daß wir das eigentlich niemals anders gehandhabt haben:
"Vor ihrer Unabhängigkeit in den 1950er und 1960er Jahren war bis auf die Länder Äthiopien und Liberia der gesamte afrikanische Kontinent in den Händen europäischer Kolonialmächte. Die Kolonialisierung Afrikas blieb wie schon auch der Sklavenhandel ab dem 15. Jahrhundert nicht ohne Folgen für die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. Um nur ein Beispiel zu nennen, in der kolonialen Epoche nahm die einseitige Ausrichtung der afrikanischen Wirtschaften auf den Export von Rohstoffen ihren Anfang und hat bis in die heutige Zeit den Entwicklungsprozess Afrikas erschwert. ... Solange die EU-Agrarpolitik weiterhin subventionierte Produkte auf den Weltmarkt bringt, die die heimische Produktion in Afrika verdrängen, ist auch nicht zu erwarten, dass die afrikanischen Länder von diesen neuen Handelsregelungen profitieren."
Bevor wir also unsere Reise Richtung Mali fortsetzen, wollen wir in den nächsten Tagen erstmal einen korrigierenden Blick in den Spiegel werfen, auf unser eigenes Erscheinungsbild in Afrika, auf eine ausgebleichte Fratze von Neid und Mordgier. Und wer möchte, darf als Hausaufgabe gerne schon mal im "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad schmökern und sich Gedanken darüber machen, warum auf unseren Fahnen eigentlich abgehackte Hände wehen sollten.
Eine Motorbootreise von Bergkamen ueber den Ruhr-Herne-Kanal an die Ruhr, rheinabwärts - sog. Talfahrt - rechts, in der Bergfahrt in einem Land, dessen Hügel sich Abraunhalden schimpfen, den Wesel-Datteln-Kanal zurück.
Das Ruhrgebiet zwischen Uferböschung und Sportboot-Marinas, letztere mit zunehmendem Dieselpreis zu schwimmenden Dörfern mutierend. Rostende Stege an denen nicht nur die Motorjachten vergreisen, sondern auch so manch anderes abgetakelte Treibgut im Fluß des Lebens - denn wie Du, lieber Jean, wohl bemerkst, ist das Leben ein Meer, ein Meer von Flüssen und Strömungen und wir ein schwacher Motor mit feststehender Welle - manche linksgängig, andere rechtsdrehend.
So mancher Hafenmeister kennt die Welt hinter der nächsten Schleuse nur vom Hörensagen. Andere sind noch von der letzten Lackierung ihres geliebten Tuckerschiffleins so pleite, daß sie aufs nächste Hochwasser warten müssen, um sich weitertreiben zu lassen.
Schade um dieses Völkchen der Binnenschiffer mit ihren befremdlichen Zeichen und ihrer noch fremderen Sprache. Kanalmatrosen in der Curryklemme zwischen Hundsfott und Kielschwein. Da, wo auch mal die Schotten dicht gemacht werden.
Da darf es nicht wundern, daß ich die roten und grünen Tonnen anfangs für Mülleimer hielt, bis unser Kiel zuerst die Erfahrung machen durfte, daß es sich hierbei um Fahrrinnenbegrenzungstonnen handelt - grün für steuerbord, also rechts. Für mich verwirrend, da sich unser Steuerrad links befindet.
Auch als ich die österreichische Nationalflagge an einer Brücke im Ruhrpott entdecke, sind es nur noch wenige Meter, ehe ich die ethymologische Bedeutung bei Durchsicht unserer Schildertafel wiedererkenne: "Durchfahrt verboten!" Das macht nun in jeder Hinsicht Sinn, nur mir hilft das in diesem Moment wenig. Und wieder heult der Keilriemen bei voller Fahrt zurück.
Glücklicher verläuft meine erste Begegnung mit dem doch etwas ungastlichem Warnschild "Begegnen verboten",
da meine Augapfelnavigation diesmal weit und breit keinen Kohlendampfer anpeilt - in der stets latenten Angst, an die Spundwand gedrückt zu werden oder mein Kleinboot im Malstrom seiner Schraube wiederzufinden.
Das Kanalmatrosenleben hat so seine Tücken. Einzig das kappen der Leinen, der zahllosen, widerrechtlich in der Fahrrinne fischenden Freizeitangler und ihr sinnloses Fluchen läßt einem Binnenschiffer wie uns das Herz höher schlagen. Schon allein dafür lohnt die Reise. Fisch ahoi!
"Wir sind die Hannibal, Sportboot mit 12 Metern, und würden gerne aufschleusen."
"Muss noch nen Berufsschiffer abschleusen. Legt ma an der Spundwand vorne und achtern klar."
"Wos?!"
"Dat Boot an der Eisenwand mit de Seile anbinden!"
"Ok ..."
Hannibal hat grünes Licht - eigentlich zwei - kann einfahren und tut dies auch. Die Frau- und Mannschaft mit zittriger Hand vom Vorabend.
"Menno, ist das eng," als das Heck an die Schleusenwand kracht. Gut vertäut längsseits liegen wäre jetzt der Quell allen Seelenfriedens. Wir aber treiben hilflos wie ein räudiger Hund an der Vorleine, bis uns das gütige Schicksaal wieder mit dem Heck an die schleimige Schleusenwand presst und wir endlich auch dieAchterleine um den Poller bekommen.
"Allet klar?" tönt es hämisch aus der Videoüberwachung. Wir antworten wortlos mit dem uns verbliebenem Restlächeln, während der Schleusendrempel arschknapp an unserem eh schon ramponiertem Heck vorbeieiert.
Jetzt fühlen auch wir uns schiffig und schwojen halb verkatert, halb seekrank im einströmendem Wasser der Ruhr. Man könnte sagen, wir fühlen die Ruhr, die zu Wasser gewordene Shigellose - heute die Trinkwasserversorgung des Ruhrgebiets.
Kurzfristig sieht alles ganz gut aus.
Ups, warum läßt sich die Vorleine nicht fieren, sondern liegt friedlich, weil fest verzurrt mit einem engen Palsteg um den Schleusenpoller, der sich immer weiter in die Tiefe bewegt und uns demnächst auf den Schleusengrund zieht, dessen Wanne sich unerbittlich mit den Wassermassen füllt, die die gesamte Sahelzone über die Dürreperiode bringen könnte.
"Kappt die Vorleine!" für die sich natürlich keiner verantwortlich fühlt. Nicht die halbe Mannschaft, die sich im Schiffsrumpf in die Bewußtlosigkeit säuft, nicht die Damen in der Kombüse und ebensowenig die Kollegen vom Sonnendeck.
Einzig der Bootsführer, der allerdingshilflos in Vor- und Achterspring verwickelt sich mit den Zehen am Steuerrad einkrallt. Aber bei 12 Tonnen Gewicht hilft alles Stemmen und Drücken herzlich wenig.
"Volle Kraft zurück!" schreit einer der Besoffenen, die sich urplötzlich für das Geschehen an Bord interessieren. Der Keilriemen heult auf und der Motor übertönt all die gutgemeinten Ratschläge, die sich der Schleusenwärter aus der Kehle quält.
Die teuflische Vorleine endlich von einer der Kombüsendamen gekappt, wummern wir wieder quer und drohen uns an der Schleusenwand mit der Reling zu verhaken. Selbst das Bugstrahlruder zieht uns nur noch tiefer ins Verderben.
Scheiß auf den Bootslack, der doch so billig im Baumarkt zu bekommen ist. Besser Lack als Leck.
Wenn wir jetzt ein Hütchen und auch nur eine freie Hand hätten, die umherstehenden Schaulustigen würden nur allzu willig etwas zur Schadenssumme beisteuern. So schenken sie uns dennoch ein herzliches Johlen und für uns wird es nur ein teures Unvergnügen, das die nun gesamtaktive Crew mit allen noch nicht von Bord gegangenen Fendern abzufedern sucht. Wer kann sich in solchen Urmomenten noch an Webeleinsteg oder irgendeinen Knoten als an den im Hirn erinnern? Die letzte Scham geht Flöten und der Restverstand gleich mit, wenn es um die eigene Haut geht.
So tauchen wir auf aus der Schleuse als hätte sich Moby Dick mehrfach auf unser Boot geworfen. Unser Bootsführer sichtlich ergraut wie Käptain Ahab am Ende seiner Reise, die Crew verbeult wie der gesamte Bootsrumpf, mit gekenterten Gesichtern - schiffig und froh, lebendig aufgeschleust zu haben. Ahoi Ruhr.
Toleranz ist ein dehnbarer Begriff und so flexibel wie der Drogenhandel selbst. "Zero Tolerance" - das hat man schon gehört, von bedeutenderen Personen als vom Präsidenten Gambias, Yayha Jammeh. Derzeit etwas überlagert vom "War against Terror" glimmt noch ganz schwach der "War against drugs" in unserem Gedächtnis, propagiert vom Ex-Alkoholiker George Bush, dem auch Kokain und dessen Vertriebswege nicht ganz unbekannt sein dürften (siehe auch), und Bill Clinton, dem ehemaligem Governeur von Arkansas, Heimat des Drogenumschlagplatzes Mena. (siehe und siehe und siehe)
Zwei Namen, ein Gesicht - zwei Gesichter, ein Prinzip. Selbst der Drogenhandel wird heute unilateral betrieben. Es wird klar, daß es für den Waffenhandel von enormer Bedeutung ist, nicht nur Kriege, sondern auch den Drogenhandel zu kontrollieren und am Laufen zu halten wie in "Where the War on Terror Meets the War on Drugs" beschrieben und erst kürzlich im Dezember 2010 in der Operation Fast and Furious oder der etwas abgewandelten Variante deutlich zu Tage getreten ist. Sprich: daß es für die führenden Waffenexportnationen überlebenswichtig ist, daß der Krieg gegen die Drogen eben nicht gewonnen wird.
Die Links sind nur ein kleiner Querschnitt der schier inflationären Dokumentation, denn irgendwo wollen wir auch wieder zurück nach Afrika und speziell nach Gambia, wo wir all das am eigenen Leib erleben durften.
Was sollten wir von Westafrika auch erwarten, als daß es genau in diesen Strudel hineingezogen wird - als Spielball der "Big Players". Kriege und Chaos, Menschenrechtsverletzungen, sich selbst überschlagende Umstürze am Transit zwischen Südamerika und Europa und, weil das noch nicht reicht, Öl und Bodenschätze. Sozusagen eine Art Anzuchterde für die sich weltweit ausbreitenden Machenschaften der politischen Pestilenz.
Vergeßt die Erdnussfarmer im Senegal. Hier spielen die ganz Großen, the main-fuckers of politics and crime, hier verstehen wir, was mit Toleranz gemeint ist, bzw. der Nulltoleranz - zwei Begriffe, ein System. Ob War on Terror oder War on Drugs, wichtig und im Gedächtnis, in der Ader, im Körper des Bürgers, bleibt nur ein Grundtenor, eine alles überlagernde Melodie: Krieg, Terror, Drogen und all ihre kleinen Geschwister.
Warum sollte er nicht auch ein Stück vom Kuchen wollen, wenn andere - oder war es doch sein Deal - mit über 2 Tonnen Kokain durch seine geliebte Heimat schippern, ohne die übliche Transitsteuer zu entrichten. Nennen Sie mir einen einflußreichen Politiker, der sich bei dieser Profitrate von den Kollaterlschäden auf die Zivilbevölkerung abschrecken läßt. Selbst wir als touristisches Treibgut profitieren zumindest vom Zigarettenschmuggel, die seit Gamiba für unter einen Euro zu bekommen sind - Guinea-Direkt-Import.
Wir haben das schon begriffen, wenngleich wir uns auch streuben, Gebühren für nicht notwendige Visa zu entrichten. Aber wir wußten, wo wir in der Hackordnung stehen, als weiße Touristen in Soma.
Unser Bus füllt sich letztendlich doch, ohne daß wir Schmiergeld zahlen und es geht weiter. Weiter weg von deutschen Botschaften und Hubschrauberlandeplätzen, weiter weg von der uns bekannten Zivilisation,
Richtung Janjanbureh, der ehemaligen Hauptstadt. Jetzt endlich auf den Spuren von Mungo Parks, die wir nun nach über hundert Jahren endlich riechen und schmecken können, am Malariagehalt der einheimischen Bevölkerung. Nicht nur die Zeit hat ihre Grenzen verloren, sondern auch Moral und das Vertrauen in europäische Weltbilder verschwimmen immer mehr in der Gluthitze und dem täglichen Kampf um das Wesentliche
Gambia kennen die meisten nur von seiner schmalsten Seite her, dem Küstenstreifen rund um die Hauptstadt Banjul. Wir aber nehmen es in der vollen Breitseite, also an seiner schmalsten Stelle, seiner Taille mit rund 40km im Durchmesser. Ehe wir bemerken, daß wir wirklich schon im Land sind, haben wir es mit unserer Reisegeschwindigkeit, die wir nun endlich aufgenommen, auch schon halb durchquert, den Gambia River bereits überquert und kommen erst kurz vor der südlichen Grenze zur Casamance in Soma zum Stehen. Soma, ein ausgetrockneter Trans-Gambia-Zellkörper. Bisher alles ohne Grenzkontrolle oder sonstige Offizialitäten. Wir sollten uns einfach bei der örtlichen Polizeistation melden.
Endlich englischsprachig. Wir können wieder ganze Sätze bilden und verstehen auch plötzlich die Antworten, was die Sachen nicht unbedingt einfacher macht, denn nun können wir uns aus verschiedenen Stiuationen nicht mehr mit unserer sprachlichen Unbedarftheit davonstehlen.
Um den Einreisestempel zu bekommen, bedarf es schließlich eines gewisssen Verhandlungsgeschicks, ohne für ein Visa, das wir aus unserer Sicht nicht benötigten, bezahlen zu müssen. Selbst die wiederholte Drohung, uns nach Banjul zu schicken, was wir unter allen Umständen zu vermeiden suchen, scheitert an der resoluten Weigerung meines Reisekollegen - ein sonst eher ruhiger, besonnener Mensch, der sich in dieser Sitaution lieber die Hände abgehackt hätte als auch nur einen Dalassi (so die Währung) aus der Tasche zu ziehen. Das hat dann schließlich die nötige Wirkung auf den örtlichen Polizeichef. We win.
Soma, das keine westlichen Touristen kennt, bietet uns alles, was es auch Einheimischen zu bieten hat. Eine sporadische Unterkunft im Truck-Stop Moses Motel
am sandigen Trans-Gambia-Highway, der es nicht schaffen wird, jemals mit Asphalt in Berührung zu kommen.
Horden von Mosquitos, die auch vor Spray und Netzen nicht zurückschrecken. Immerhin ein Ventilator, der, wenn mal Strom ins Netz geschossen wird, mehr Lärm als Wind von sich gibt. Endlich im tropischem Gürtel, raus aus dem Sahel. Die Luftfeuchtigkeit nimmt stark zu, so daß ab heute jede Nacht schweißgebadet und man aufpassen muss, sich im Schlaf nicht selbst zu water-boarden.
Inzwischen hab ich auch T.C.Boyles "Wassermusik" im Gepäck gefunden, kann ihn aber nicht lesen, denn entsprechend der Stromsituation ist man sich auch nicht sicher, ob die Glühbirne nun brennt oder nur so tut.
Den Tag verbringen wir zum Großteil damit, unter dem "bus-stop tree" in die große afrikanische Familie hineinzuwachsen.
Seit Mbour/Senegal hat die Zeit aufgehört zu existieren. Dinge passieren unabhängig von jeglichem Zeitplan. Wir warten apathisch, in der Hoffnung, daß sich genügend Mitreisende finden, der Bus um ein mehrfaches seines Eigengewichts beladen wird und der Troß sich in Bewegung setzen möge.
Innerhalb weniger Stunden haben wir etliche "best friends", die alle "best soccer" spielen und eigentlich nur auf den geeigneten Moment warten, um in erste deutsche Liga berufen zu werden.
Man mag vor Abreise sich über all die traumatischen Tropenkrankheiten informiert haben. Bei Temperaturen um die 40 Grad sind diese Gedanken wie weggewischt. Wir essen und trinken, was sich uns bietet.
Salat, Früchte, Wasser aus unverschweißten Flaschen und die selbstgemachte Eiscreme. Assimilierung ist ein oft harter, so doch langfristiger Überlebensplan.
Bill Gates oder wie wir die Welt vor dem Menschen retten
Ups ... Bevölkerungsreduktion durch Impfungen? Das Publikum lacht. Wie darf man das verstehen? Bill Gates, der Philantrop, uns auch bekannt durch seine selbstlose Zusammenarbeit mit Monsanto (Bill Gates And Monsanto Team Up To Fight World Hunger), , den Erfindern des Entlaubungsmittels Agent Orange im Vietnamkrieg, des Zuckerersatzstoffes Aspartam und natürlich Round-Up, deren Großaktionär er ist, erklärt uns, wie wir durch Impfung und andere Wundermittelchen die Bevölkerungszahl auf beinahe Null reduzieren. Ein mehr als mathusianischer Plan, der die Eugenik in neue Dimensionen treibt. Bin ich im Rahmen dieser "Bill of Gates"der Vernichtung preisgegeben, oder darf ich letztendlich des entvölkerten Planeten geniessen? Ich befürchte fast, dass ich die Schlüsselqualifikationen für Letzteres nicht erfülle. Hm ...
Dr.Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben
... eine Frau soll Pakistan regieren. Und dann sagt sie so etwas. Hören Sie sich speziell die Aussage zwischen 2.22 und 2.25 an: "Omar Sheikh who murdered Osama bin Laden"
Eine Frau, ganz abgesehen von ihrer ansprechenden Erscheinung, Tochter des ehemals ermordeten pakistanischen Präsidenten Zia ul-Haq, die kurz vor ihrer eigenen Ermordung ihrem Konkurrenten, dem nachfolgendem Präsidenten General Pervez Musharraf, ihre vermutlichen 3 Mörder nennt, und zugleich Osama bin Laden 2007 für bereits ermordet erklärt!
Verwirrend ist auch, daß sich unter den drei möglichen Mördern der Sohn von Osama befindet, Hamsa bin Laden - warum haben wir von ihm nicht schon gehört - und zugleich der Mörder seines Vaters, Omar Sheikh.
Soviel Verwirrung und Offenheit, das kann doch irgendwie nicht angehen ... dachten sich da jene, die eben diese Befriedung Pakistans für nicht so erwünschenswert hielten.
"Es hat angefangen ein neuer Akt der göttlichen Komödie, und sein Leitspruch lautet: Die Menschen wissen, daß sie im Himmel sind."
Die acht Weltsätze des Meisters Johannes Baader über die Ordnung der Menschheit im Himmel nebst Erklärungen desselben
Die Wolkendecke reißt auf, die Historie ab. Der Traum, ohne den die Wirklichkeit nicht existieren kann, wird neu geboren. Kann man aufstehen ohne gelegen zu sein? Ein Aufstand ohne Grundlage gegen etwas, das es nicht mehr gibt. Der Geistesblitz aus heiterem Himmel, ohne Wettervorwarnung, ohne historischen Bezug. Der Akt ohne Re, ohne Parkmöglichkeit, eine Einbahnstrasse mit Höchstgeschwindigkeit, das Vor ohne Zurück. Eine Knalltüte mit Überraschungseffekt, Phosphor, der zum ersten mal das Wasser gesehen hat, und die Lösung der Elemente. Der Orgasmus von Materie und Antimaterie. Der erste Urknall vor und nach einer Geschichte, in einem Jetzt, das wir bis dahin nie erleben durften. Wir waren der unerklärte Krieg der Gedanken, wir sind das Wilde im Dienste des wortlos Guten.
Der versteinerte David wurde mit seiner eigenen Zwille vom Podest des Stillstands und der Ewigkeit geholt; wir sehen ihn fallen und sich erheben wie ein stürmisches Meer aus Stein. Wir sind die Überholspur der Mitte ohne ein Links und Rechts, die Mittel- und Maßlosigkeit des Moments. Das nie Dagewesene und niemals Werdende, die Vorhut der Geburt. Wir sind die Unvollständigkeit und die Gesamtheit der Unvollkommenheit, das Gegengewicht zur Philosophie, auf daß diese weiter bestehen kann, das eine, das das andere fordert, der Traum ohne den die Wirklichkeit nicht bestehen könnte.
Warum füllen wir uns leer? Warum fühlen wir ein Faß ohne Boden? Warum hat unser Alphabet keine Buchstaben? Unsere Sätze des Inhalts beraubt hat das Wort keine Wert.
Weil wir auf das eine reduziert, das andere genommen. Warum sehen wir mit dem einen besser und schreiben alle mit rechts? Auf ein Rumpfdasein begrenzt, unter Beleerungen lastend, kaufen wir mit Geld, das es niemals gab, Dinge, die wir niemals besitzen werden.
Wir wollen heute sterben, nicht in einem unbekanntem Morgen. Denn jeder Tod ist ein Abschied und der Fruchtwasserabgang einer Geburt des Neuen.
Wir wollen den Frieden und den Krieg nicht der Gefühllosigkeit überlassen. Wir wollen leben und lieben.
noch gefangen in einem Traum an einem Ort, deren Namen es nicht mehr gibt, einer Ort, der mit dem Ende des Traums auch seinen bereits vergessenen Namen verlor.
Wir kamen als Ausflugsgruppe an diesen Ort und wohnten als fremde Gäste in zerschlissenen Holzbaracken. Obwohl wir uns alle scheinbar kannten, war mir eigentlich nur ein Gesicht vertraut. Ich will sie zum Schutz der Persönlichkeit mal nach dem alten, ehemaligem Namen der Stadt benennen: Madame Flora. Sie war diejenige aus der Gruppe, die mit der Beschaffenheit der Schlafplätze am wenigsten zurecht kam. Selbst mein Bemühen ihr das beste aller Betten, bestehend aus bunt zusammengewürfelten Teilen von Federkernmatratzen, zu richten, ließ sie nachts kein Auge zumachen.
Anfangs noch ein wenig wie ein schlechter Urlaub, staunten wir über die wenigen Einwohner, deren Tag daraus bestand mit Bunt- und Filzstiften, so groß wie sie selbst, zu hantieren, bis diese jeden Abend fein säuberlich geschichtet zusammenlagen wie in einem Etui.
Doch schon bald wurden wir vom Gefängniswärter dieses Ortes, ehemals genannt Flora, in den örtlichen Knast umgesiedelt, bestehend aus aneinandergereihten Stockbetten im Freien.
Wir waren Gefangene und unsere Aufgabe bestand darin, Schwellen aus Bleistiften zu verlegen, je nach Bodenbeschaffenheit ein H für hart an weichen Stellen, ein B an harten, dazwischen ein HB. Weil es allerdings keine Gleise gab, mussten wir Bleistift an Bleistift legen, um den Anschein einer Trasse zu erwecken, für einen Zug, der niemals kommen würde. Immer in der Angst, Günther Grass könnte uns bombadieren.
Doch schon beim Herannahen der ersten Nacht, weigerte sich Madame Flora, für die ich mich mit meiner gesamten Existenz ob ihrer Schlaflosigkeit, und ich darf gestehen, auch aus tiefster Zuneigung verantwortlich fühlte, sich diesem Schicksaal zu beugen. Die letzten mir noch bekannten Umstände sind verworren und blass, denn im Zuge meines Versuchs, mit dem Gefängniswärter ein klärendes Gespräch zu führen, bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf und seitdem sitze ich nun hier, wach aber immer noch gefangen.
Was ist passiert, Madame Flora, in der Stadt der Stifte?
Senegambia, Erdnüsse, britische Kolonialgrenzen und der Guinea-Wurm im Senegal
Die heimlichen Herrscher des Erdnussbeckens
Ich kann mich nicht entsinnen wirklich Erdnüsse gesehen zu haben, schließlich wachsen sie ja auch unterirdisch. Es scheint sich um ein ähnliches Prinzip zu handeln wie beim Kaffee in Guatemala, der im Land selbst eigentlich nur als dünne Brühe aus nicht-exportierten Restbohnen serviert wird. Dennoch ist Senegal einer der wichtigsten Produzenten von Erdnüssen.
Die Monokultur von Erdnüssen (weit über die Hälfte des Exports) macht das Land zu einem Importeur von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen.
Selbst die zentralistische Regierung - nicht nur unter Abdoulaye Wade - ist aufs Engste mit den Entscheidungen der Sufibruderschaften verknüpt. "Ohne die Kalifen wäre Senegal nicht regierbar." Ihr politischer Einfluß reicht bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die sich vorwiegend an den persönlichen Interessen der Marabuts orientieren denn an denen der Bevölkerung.
Seit Cheikh Ahmadou Bamba 1883 die Sufi Bruderschaft in Touba gründetete wuchs das Dorf mit 3000 Einwohnern zur zweitgrößten Stadt Senegals und die Sufi-Bruderschaft neben der Präsidentenfamilie zur einflussreichsten Gruppe Senegals, um das Land sozusagen in einer Zangenbewegung plündern.
Und wir wissen inzwischen, wie wichtig für uns die Preisstabilität im Supermarktregal ist und wie wichtig die Preisspirale für unseren Lieferanten. Wer möchte schon mehr als 99 Cent für eine Packung Erdnüsse bezahlen oder für tiefgerorenen Fisch von den Küsten Senegals?
Eintauchen in den "stinking fever-belt of Gambia" T.C.Boyles
Mit unserer Abreise aus Dakar Richtung Gambia verlassen wir die Küste im doppelten Sinne, da sich hier auch die Südgrenze der Sahelzone befindet, das "südliche Ufer der Sahara".
Ähnlich dem Guinea- oder auch Medinawurm zieht sich das englischsprachige Gambia von der Küste mitten durch den Senegal und teilt den Norden von der rebellischen Casamance im Süden. Die Volksgruppe der islamischen Wolof im Norden, die nach Unabhängigkeit sinnenden, christlich geprägten Diola im Süden - was die Problemlage etwas verkürzt und verfälscht (siehe amnesty-Bericht von 1998 und den aktuellen amnesty-Bericht 2011).
Die berüchtigte Art der Briten, durch die Ziehung fataler Landesgrenzen ihre ehemaligen Kolonien, nicht nur in Britisch-Westafrika, in fragile Staatsgebilde zu verwandeln, tritt hier deutlich zu Tage. Die Grenze erstreckt sich entlang des Flusses Gambia; links und rechts mit der Reichweite einer Kanonenkugel - wobei die Windverhältnisse die Flugweite an manchen Stellen beeinflußt zu haben scheinen.
Versuche die Problemlage zu entschärfen, wie die Schaffung einer Konföderation Senegambia, wurden konterkariert und waren nicht von langer Dauer. Bis und vor allem heute hat die Destabilisierung Westafrikas einen entscheidenden Einfluß auf die dadurch nicht unbedingt einfachere, so doch billigere Ausbeutung der Rohstoffe und den Drogenhandel, dem wir uns im nächsten Abschnitt der Afrikareise mit Hingabe widmen möchten.
Von Dakar nach Keur Ayip oder warum es besser ist, Wassermusik erst hinterher zu lesen
Ich kann es bis heute nicht erklären, wie wir es in unserer europäischen Überheblichkeit wagen konnten, uns gegen die Bedingungen zu stellen, wie wir es wagen konnten, eine andere Strecke als von A nach B zu fahren, wie wir glauben konnten, es uns leisten zu können, einen Abstecher zu machen - nach Saint Louis nördlich von Dakar. Weil eben so fremd, ist es beim ersten mal im Sept-place noch irgendwie bequem.
Und selbst die ersten Warnsignale (siehe später bei "Hellride in Dogon Country") huschen wie die Teletubbies an einem vorbei.
Alles in Anbetracht der der ungesehen Tatsache, daß wir noch tausende von Kilometern vor uns hatten, mit einer auch sehr europäischen Bürde, dem Zeitlimit.
Anfangs überwiegt allerdings die Schönheit des Landes.
Affenbrotbäume und Zikaden, so beschreibt es schon Ryszard Kapuściński in "Afrikanisches Fieber", in einer schier endlosen Steppe, deren Horizont seltsam weiter als in good old Europe,
einer Welt die uns größer erscheint als wir sie bisher sehen konnten.
Wie oft in der Dritten Welt ist es berauschend durchzufahren, aber weniger berauschend dort für immer als Einheimischer gefangen zu sein. Unbemerkt hält sich unser Unterbewußtsein krampfhaft an der Wasserflasche fest, während wir schon mal den ersten Staub schlucken dürfen.
Unsere Dürreperiode dauert maximal von einer Wasserflasche bis zur nächsten und bei uns trinken auch keine Herden und Felder mit. Abends gibt es wie so oft Fisch und Reis, den wir allerdings nicht selbst aus dem Meer holen.
Wir schlagen uns nicht mit den Fischereiflotten der EU herum, die den Fang vor der Nase wegschnappen, die nachts in die 6-Meilen-Zone eindringen und unsere Netze oder gar unsere Boote mit der Schiffsschraube auf den Meeresgrund schicken.
Das Hintergründige - wie es die Doku über die Straßenkinder gut beschreibt - bleibt vorerst da, wo wir es haben wollen und so erquicken wir uns an "Fanta Cocktail" und anderen Dingen, die nur wir uns leisten können und deren Inhaltsstoffe, sicherlich aus gutem Grund, nie den europäischen Markt betreten durften. Die eigentliche Grundlage unserer Reise,"Wassermusik" von T.C.Boyle, lagert weiterhin ungelesen am Grunde meines Rucksacks und wir finden alles einzigartig freundlich, lebendig und so lieb.
Selbst die Gefangeneninsel Goree,
einer der Hauptumschlagsplätze für Sklaven wirkt ohne Inhalt irgendwie sauber und kolonial verklärt.
"Hier würd ich auch gerne wohnen ..." nachdem all der Kot, Urin und das Blut weggewischt, die Schreie verhallt und die Wände neu gestrichen. Selbstverständlich auch von der EU
- keep the spirit up. Der Letzte, der mir noch versucht hinterherzurufen ist T.C.Boyle, der hier seine zweite Expedition startete.
Der Sklavenhandel hat eine seltsame Wendung genommen, seit die Tür ohne Widerkehr nicht mehr durchschritten wird, durch die tausende von Sklaven getrieben wurden.
Die Flüchtlingsboote sind noch ähnlich voll, aber ihre Insassen bezahlen heute die Überfahrt selbst, so sie es denn schaffen, quer durch die Wüste ans andere Ufer und dann noch über den Forex-Zaun in die Festung Europa.
Weil man es sich aber auch in der stumpfsinnigen Armut ein wenig gemütlich einrichten könnte,
Aber weil das immer noch nicht genügend Lohnsklaven übers Meer treibt, korrumpieren und schmieren wir noch einen Diktator an die Macht, der ihm das Leben final zur Hölle macht, das Land aussaugt und den Gewinn vor Steuer in die Schweiz transferiert. Ob sich das mit dem Ende des vielgehassten Abdoulaye Wade unter Macky Sall ändern wird, bleibt fraglich. Selbst mit dem weltbekanntem Musiker Youssou N'dour als Kulturminister.
Noch ein Wort zur wundersamen Welt der Tiere Westafrikas.
Lassen Sie sich nicht von den entzückenden Tieraufnahmen täuschen, denn seit der Jagdsaison des 19.Jahrhunderts gibt es in Westafrika Großwild nur noch in den open-area Zoos, wo sie seltsamerweise immer im Paar und sehr gesittet auftreten
sowie in privater Großkäfighaltung. Keine Giraffen oder Zebras, keine Löwen oder ähnliches.
Nashörner will man wenn möglich mit dem Fernglas sehen, denn ihre Attacken sind fürchterlich und selbst ihre Erwähnung läßt den "park guide" erbleichen, als würden die Sirenen zum Atomangriff rufen.
Hierzu ein kleiner Tip, falls es doch mal auf einen zunashornt: Sie sind schnell, aber nicht wendig. Und weil sie vor jeder Richtungsänderung komplett zum Stillstand kommen müssen, ist der Zickzackkurs das Mittel der Wahl.
Und Krokodile sind flinker als man meinen möchte, so daß hier ein Zickzackkurs meist schon in den Startlöchern ein jähes Ende findet - schließlich geht es in freier Wildbahn vorwiegend ums Essen.
Die wenigen Relikte, die es noch ins 20.Jahrhundert geschafft haben, wurden spätestens dann von den dürregeplagten Mäulern der hungrigen Einwohner verspeist.
Fleisch ist Luxus. Wer sich hier noch richtig sattsehen kann, sind Insektenforscher. An Mücken und Fliegen fehlt es nicht - Plagegeister und Krankheitsüberträger, aber für die Kamera nur im Makro genießbar. Wir hatten nicht nur das Kapitel über die Tierwelt bei unseren flüchtigen Reisevorbereitungen in den AGBs Westafrikas nicht so genau gelesen. Einzig der Arzt im Tropeninstitut - spätestens hier hätten wir hellhörig werden sollen - hat sich ob unseres Reiseziels kaum mehr eingekriegt und den großen Atlas der schlimmsten Krankheiten aus dem verstaubtem Nebenzimmer hervorgekramt. "Vergessen Sie den Amazonas und Indien ... Westafrika, da gibt es alles," waren seine letzten Worte - doch dazu später.
Erst müssen wir uns durch den Senegal kämpfen ... immer weiter weg von einer möglichen Rettung im Ernstfall. Noch nagt Malaria, Dengue alles, was Westafrika noch so zu bieten hat, erst an den äußeren Schichten der Immunität und der rote Staub frißt sich erst langsam in jede Pore. Doch für solche Signale besitzt der westliche Reisende keine Sinnesorgane, so you got to learn it the hard way.
Im Grund besorgt man sich einen Reiseführer wie "Lets Go" oder "Rough Guides", um von den maßlos inflationären Preisen frustriert zu werden. In Guatemala heißt die von allen bereiste Route "Gringo-Trail". Und selbst im westlichen Afrika trifft man mit dieser Art zu reisen stets die gleichen bleichen Gesichter wieder.
Wovon ich gleich abraten möchte ist, die heimische Sprache zu lernen, es sei denn, man ist gewillt, neben Wolof und Pulaar auch noch die anderen 93 Sprachen zu neuronisieren, denn jedes Dorf spricht hier seinen eigenen Dialekt. Französisch hilft viel, aber wer die internationale Zeichensprache beherrscht, ist klar im Vorteil. Für Dakar ist ein Stadtplan wohl nur für das Zentrum der City hilfreich, denn die Außenbezirke verweigern sich solch einer Annäherung.
Hier driftet der Tourist wie das Leben von einem Schauspiel in das nächste. Auf dem Weg in das empfohlene Restaurant, das man letztendlich doch nicht gefunden hätte, gerät man in eine Hochzeitsgesellschaft und darf sich auf ein fulminantes Schauspiel der Sabar-Tänzerinnen gefaßt machen, samt Schmauß und Umtrunk.
Wer nicht spätestens hier den Reizen der in Schweiß gebadeten Trommler und gazelligen Tänzerinnen erliegt, dem fehlt jegliche sexuelle Appetenz oder er/sie muß bis Ghana warten, um sich dem mehr bulligen Typus, bzw der ghanesischen Mama hinzugeben.
Von offener Kanalisation muß ich Ihnen wohl nichts erzählen. In Dakar noch etwas seltener, wird sie uns auf der gesamten Reise begleiten.
So rutscht und flutscht man durch das nächtliche Dakar bis man einen Ort erreicht, an dem man sich zuhause fühlt. Wer auf noch mehr Abenteuer steht, nimmt sich ein Taxi, denn der Hotelname ist ja im Gegensatz zur Lage und Route bekannt.
Dennoch wird sich das Taxi selbst durchfragen müssen und dem Prinzip der stillen Post folgen. Angekommen sind wir allerdings immer. Wo man letztendlich oft landet, ist der Strand.
In der Ferne die Gefangeneninsel Goree als abeschreckendes Beispiel fühlt man sich plötzlich heimisch unter den von Horizont bis Horizont kickenden Kleinfeldfußballern, die einen sportlichen Schutzwall bieten, zwischen Strand und Wasser. Wer also nicht leidenschaftlich von sandigen Fußbällen beschossen wird, meidet den Strand.
Da wir uns der französischen Sprache bisher erfolgreich erwehren konnten, wollen wir die Reste des französischen Kolonialismus auf visuelle Art in uns aufsaugen und fahren in den Norden nach Saint Louis, als da die architektonischen Überreste noch weitgehend erhalten blieben.
Mehr als das. Selbst die Urbedürfnisse wie zu trinken und zu rauchen, während man Billiard spielt und Fußball glotzt, werden vollständig abgedeckt. Auch die afrikanische Life-version von Fußball bleibt trotz der Regenfälle nur zeitweise im Matsch und Lehm stecken. Eine andere Art von Soccer, bei der der Ball dort liegenbleibt, wo er mit dem Boden in Berührung kommt. Der Ball also eher statisch, dafür das Spielfeld, die Spieler und die Zuschauer um so bewegter. Verborgen bleibt uns, auf welche Linie sich die Linienrichter beziehen ...
Wir blieben lieber auf dem trockenem Rasen.
Wobei ich mich wundere, daß es Kicker noch nicht mit Raseneinlage gibt, den man dann mit der Nagelschere zurechttrimmt.
Wer gerne mal eine Showwüste sehen möchte, der fahre wie wir in die Lampoul Desert. Schon an der Kasse, wo wir ein "ursprüngliches Eingeborenendorf zu sehen bekommen, findet das Laienschauspiel seinen Anfang, denn scheinbar kommen wir völlig unangekündigt und die Dorfbewohner müssen sich noch umziehen, Gasherd und Wasserhahn abdrehen, die Kinder auf den Rücken wickeln und auf die andere Straßenseite eilen, um
- diesmal ohne Jeans - die Holzfeuer zu entfachen
, das Wasser aus dem Brunnen zu hieven und irgendwie zu versuchen, altertümliche Gesichter zu machen.
Seltsamerweise besitzt das Musterdorf an Althergebrachtem dann doch die einzigen wüstengängigen Jeeps, um uns in ein Meer aus Sand zu fahren, mit Beduinenzelten für die Nacht bestückt.
Leider scheint die Nacht bewölkt zu sein, da ich nicht die Sternenpracht wie aus anderen Wüstenmeeren zu sehen glaube.
Des Rätsels Lösung finde ich am nächsten Tag als ich mich dem gezügeltem Kamelrundgang entziehe - im Sinai durfte ich wenigstens zielorientiert selbst reiten und auch mal ein meuterndes Kamel am eigenen Leib spüren - und mich hinaufquäle auf die höchste Düne .... und siehe da,
rundherum Wald, und unsere Wüste wie ein aufgeschütteter Spielplatz mittendrin. Showwüste eben.
Weit weniger gespielt durften wir dann endlich unser erstes real-life-Africa im Djoudj-Nationalpark erleben. Ob Waran,
Flamingo-Insel oder Phyton,
deren Anwesenheit keine gespielte Panik in den Gesichtern der Bootsmänner zeigte, alles inklusive. Der große Teil kam allerdings - insbesonder für den Fahrer unseres Taxis erst hinterher, als es begann leicht zu regnen und der rote Lehm, aus dem die vorerst harte Piste bestand, zu Leben erwachte. Das wären mal interessante Details für Reiseführer. Wieviel Kilo Lehm passen in den Radkasten eines Toyota?
Der ehemals richtungsweisende Taxi wird zu einer Art Höhenmesser, denn er will und fährt stets an den tiefsten Punkt der Piste und der liegt stets rechts oder links im Graben.
Man beginnt zu begreifen, wie sinnlos manchmal ein Lenkrad ist und wie klebrig diese Schlamm sein kann, der an allem haften bleibt, das auch nur in seine Nähe kommt.
Die Strecke zurück ... zieht sich, wenn man das mal so ausdrücken möchte, in die Tiefe, in die Höhe, in die Länge. So dürfen wir unsere ersten eindrücklichen Erfahrungen mit dem afrikanischem Zeitbegriff machen.
Bei unserer Rückkehr fühlen wir uns endlich angekommen ... in Afrika.
Im weiteren Verlauf der Reise werden wir noch feststellen, was Zentralismus, mit Dakar als Hauptstadt, für ein Land mit den beschriebenen Straßenverhältnissen bedeutet. Ein weiterer running gag wird der Versuch, es mal mit dem Zug zu versuchen, den es meines Wissens mal gegeben haben sollte.
Schmeißen Sie also Ihren Reiseführer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in diesen roten Lehm und er wird aus diesem als ein viel Nützlicherer hervorgehen, so wie andere viel Interessantes aus den Eingeweiden von Hühnern lesen.
Reisen Sie in der Hauptreisezeit, daß sich das Augenmerk der Touriwarenverkäufer nicht auf Sie allein konzentriert, und reisen Sie auch mal woanders hin, als da wo dem (Toubab) Weißem nur Spaghetti als Hauptnahrungsmittel angeboten werden.
Flaggenhissen und Mittelstreifenbegrünung der konservativ-liberalen Gesellschaftformen in Schbackenland
Dem möchte ich als Diskussionsgrundlage ein Video von Jutta Ditfurth vorausschicken, das schon viele der angeführten Themen vorwegnimmt.
Ich dachte - ein reines Bauchgefühl - dass sich viele unbeteiligte Nutzniesser des Dritten Reiches in vergangenen Jahrzehnten zur ÖDP herübergerettet hätten. Das grüne Element trägt - von der Wandervogelbewegung mal ganz unabhängig - ein ausgesprochen konservatives Element in sich. Kein Baum wird geschlagen, keine Bruchbude, und mag sie noch so häßlich sein (siehe Bauchbahnhof), abgerissen, weil es eben so schön alt aussieht. So schön, so orginal, so bunt, wie jene mulitikulturellen Basare, die sich in unserem Lande aufgrund einer massiven Einwanderungspolitik wie Metastasen (da jubeln jetzt die Falschen bei diesen Worten) breit machen - weil es dann eben wie im Urlaub aussieht. Nur in einer fragmentierten Stadt ist das erlaubt und sogar erwünscht.
Auf die Gefahr hin, nun in die gleiche Kiste wie die ÖDP geschubst zu werden, möchte ich schon mal den Begriff der "Durchseuchung der Bodentruppen" einführen ;), um mich durch etwaige Kommentare zur näheren Ausführung zu ermuntern.
Der ein oder andere entzieht sich dieser Entwicklung geschickt - wie Wulff, der vor seiner rechtskräftigen Verurteilung noch einen Fluchtwagen samt Fahrer gestellt bekommt. Kaum ist er da, schon ist er weg - die sogenannte Sprungtuchpolitik. Und man kann behaupten andere hätten es so gewollt.
Jetzt bekommt das Land neben dem begrüntem Mittelstreifen auch noch eine Piratenflagge. Worauf sollten wir bei deren Hissung achten? Steht die Fahnenstange schon? Ich will das mal Positionierung nennen. Hoffentlich findet die nie wirklich statt, sondern bleibt fluxtuativ.
Flaggen an Fahnenstangen machen mich nervös, denn beflaggt belieben letztere durch Wind und Zeit zu brechen und umzuknicken - und es gibt nichts mehr, woran man sich hochziehen könnte. Darauf bitte ich zu achten!