Dakar nach Saint Louis - first contact
Im Grund besorgt man sich einen Reiseführer wie "Lets Go" oder "Rough Guides", um von den maßlos inflationären Preisen frustriert zu werden. In Guatemala heißt die von allen bereiste Route "Gringo-Trail". Und selbst im westlichen Afrika trifft man mit dieser Art zu reisen stets die gleichen bleichen Gesichter wieder.

Wovon ich gleich abraten möchte ist, die heimische Sprache zu lernen, es sei denn, man ist gewillt, neben Wolof und Pulaar auch noch die anderen 93 Sprachen zu neuronisieren, denn jedes Dorf spricht hier seinen eigenen Dialekt. Französisch hilft viel, aber wer die internationale Zeichensprache beherrscht, ist klar im Vorteil. Für Dakar ist ein Stadtplan wohl nur für das Zentrum der City hilfreich, denn die Außenbezirke verweigern sich solch einer Annäherung.
Hier driftet der Tourist wie das Leben von einem Schauspiel in das nächste. Auf dem Weg in das empfohlene Restaurant, das man letztendlich doch nicht gefunden hätte, gerät man in eine Hochzeitsgesellschaft und darf sich auf ein fulminantes Schauspiel der Sabar-Tänzerinnen gefaßt machen, samt Schmauß und Umtrunk.
Wer nicht spätestens hier den Reizen der in Schweiß gebadeten Trommler und gazelligen Tänzerinnen erliegt, dem fehlt jegliche sexuelle Appetenz oder er/sie muß bis Ghana warten, um sich dem mehr bulligen Typus, bzw der ghanesischen Mama hinzugeben.

Von offener Kanalisation muß ich Ihnen wohl nichts erzählen. In Dakar noch etwas seltener, wird sie uns auf der gesamten Reise begleiten.
So rutscht und flutscht man durch das nächtliche Dakar bis man einen Ort erreicht, an dem man sich zuhause fühlt. Wer auf noch mehr Abenteuer steht, nimmt sich ein Taxi, denn der Hotelname ist ja im Gegensatz zur Lage und Route bekannt.
Dennoch wird sich das Taxi selbst durchfragen müssen und dem Prinzip der stillen Post folgen. Angekommen sind wir allerdings immer. Wo man letztendlich oft landet, ist der Strand.
In der Ferne die Gefangeneninsel Goree als abeschreckendes Beispiel fühlt man sich plötzlich heimisch unter den von Horizont bis Horizont kickenden Kleinfeldfußballern, die einen sportlichen Schutzwall bieten, zwischen Strand und Wasser. Wer also nicht leidenschaftlich von sandigen Fußbällen beschossen wird, meidet den Strand.

Da wir uns der französischen Sprache bisher erfolgreich erwehren konnten, wollen wir die Reste des französischen Kolonialismus auf visuelle Art in uns aufsaugen und fahren in den Norden nach Saint Louis, als da die architektonischen Überreste noch weitgehend erhalten blieben.
Mehr als das. Selbst die Urbedürfnisse wie zu trinken und zu rauchen, während man Billiard spielt und Fußball glotzt, werden vollständig abgedeckt. Auch die afrikanische Life-version von Fußball bleibt trotz der Regenfälle nur zeitweise im Matsch und Lehm stecken. Eine andere Art von Soccer, bei der der Ball dort liegenbleibt, wo er mit dem Boden in Berührung kommt. Der Ball also eher statisch, dafür das Spielfeld, die Spieler und die Zuschauer um so bewegter. Verborgen bleibt uns, auf welche Linie sich die Linienrichter beziehen ...
Wir blieben lieber auf dem trockenem Rasen.
Wobei ich mich wundere, daß es Kicker noch nicht mit Raseneinlage gibt, den man dann mit der Nagelschere zurechttrimmt.

Wer gerne mal eine Showwüste sehen möchte, der fahre wie wir in die Lampoul Desert. Schon an der Kasse, wo wir ein "ursprüngliches Eingeborenendorf zu sehen bekommen, findet das Laienschauspiel seinen Anfang, denn scheinbar kommen wir völlig unangekündigt und die Dorfbewohner müssen sich noch umziehen, Gasherd und Wasserhahn abdrehen, die Kinder auf den Rücken wickeln und auf die andere Straßenseite eilen, um
- diesmal ohne Jeans - die Holzfeuer zu entfachen
, das Wasser aus dem Brunnen zu hieven und irgendwie zu versuchen, altertümliche Gesichter zu machen.
Seltsamerweise besitzt das Musterdorf an Althergebrachtem dann doch die einzigen wüstengängigen Jeeps, um uns in ein Meer aus Sand zu fahren, mit Beduinenzelten für die Nacht bestückt.
Leider scheint die Nacht bewölkt zu sein, da ich nicht die Sternenpracht wie aus anderen Wüstenmeeren zu sehen glaube.
Des Rätsels Lösung finde ich am nächsten Tag als ich mich dem gezügeltem Kamelrundgang entziehe - im Sinai durfte ich wenigstens zielorientiert selbst reiten und auch mal ein meuterndes Kamel am eigenen Leib spüren - und mich hinaufquäle auf die höchste Düne .... und siehe da,
rundherum Wald, und unsere Wüste wie ein aufgeschütteter Spielplatz mittendrin. Showwüste eben.

Weit weniger gespielt durften wir dann endlich unser erstes real-life-Africa im Djoudj-Nationalpark erleben. Ob Waran,
Flamingo-Insel oder Phyton,
deren Anwesenheit keine gespielte Panik in den Gesichtern der Bootsmänner zeigte, alles inklusive. Der große Teil kam allerdings - insbesonder für den Fahrer unseres Taxis erst hinterher, als es begann leicht zu regnen und der rote Lehm, aus dem die vorerst harte Piste bestand, zu Leben erwachte. Das wären mal interessante Details für Reiseführer. Wieviel Kilo Lehm passen in den Radkasten eines Toyota?
Der ehemals richtungsweisende Taxi wird zu einer Art Höhenmesser, denn er will und fährt stets an den tiefsten Punkt der Piste und der liegt stets rechts oder links im Graben.
Man beginnt zu begreifen, wie sinnlos manchmal ein Lenkrad ist und wie klebrig diese Schlamm sein kann, der an allem haften bleibt, das auch nur in seine Nähe kommt.
Die Strecke zurück ... zieht sich, wenn man das mal so ausdrücken möchte, in die Tiefe, in die Höhe, in die Länge. So dürfen wir unsere ersten eindrücklichen Erfahrungen mit dem afrikanischem Zeitbegriff machen.
Bei unserer Rückkehr fühlen wir uns endlich angekommen ... in Afrika.


Im weiteren Verlauf der Reise werden wir noch feststellen, was Zentralismus, mit Dakar als Hauptstadt, für ein Land mit den beschriebenen Straßenverhältnissen bedeutet. Ein weiterer running gag wird der Versuch, es mal mit dem Zug zu versuchen, den es meines Wissens mal gegeben haben sollte.

Schmeißen Sie also Ihren Reiseführer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in diesen roten Lehm und er wird aus diesem als ein viel Nützlicherer hervorgehen, so wie andere viel Interessantes aus den Eingeweiden von Hühnern lesen.
Reisen Sie in der Hauptreisezeit, daß sich das Augenmerk der Touriwarenverkäufer nicht auf Sie allein konzentriert, und reisen Sie auch mal woanders hin, als da wo dem (Toubab) Weißem nur Spaghetti als Hauptnahrungsmittel angeboten werden.


jagothello am 12.Apr 12  |  Permalink
Das sind
beeindruckende Bilder... Vor allem das Dünenfoto. Nach T.C. Boyles Wassermusik bin ich aber leider zu feige für Westafrika.

einemaria am 12.Apr 12  |  Permalink
Yes ...
Wassermusik. Drauf komm ich noch zu sprechen. Ich habs erst auf der Reise gelesen und somit war das nötige Vorwissen etwas unterrepräsentiert. Manche Reisen würde man wohl eher nicht unternehmen, wenn man die Tücken und Gefahren vorher schon kannte.

pathologe am 13.Apr 12  |  Permalink
Das
scheint mir eine interessante Serie zu werden. Wobei: Wassermusik habe ich nicht gelesen, werde mich mal informieren.

Und darauf warten, ob Sie auch durch Nigeria gekommen sind.

einemaria am 13.Apr 12  |  Permalink
Letzteres
darf ich noch nicht verraten. Sie hatten die Erfahrung ja meines Wissens bereits.

Wassermusik sollte man eigentlich lesen, wenn man eingekesselt von Sandflöhen und Guinea-Wurm mitten drin ist und fühlt wie sich das Siechtum auf seinen Weg zum Hirnstamm vorarbeitet. Aus sicherer Entfernung verliert es etwas an Reiz.