Die 2.Mail des Apostel Polyglycos an die Politoxer
Es handelt sich um Abschriften, die uns aus der Zeit Karls des Großen erhalten geblieben sind. Es wird davon ausgegangen, daß die 1.Mail des Polyglycos, und somit der ersten paneuropäischen Worte, aufgrund unzureichender Frankierung der Menschheit verlorengegangen ist. Selbst die 2.Mail ist nur in Fragmenten erhalten geblieben, von denen wir hier den ersten Teil zum Besten geben wollen.





Liebe Gemeinde [demos], liebe Polytoxer und gemeine Backschaft,

Der wahre Glaube ist kein Autopilot, kein Winsch-Dir-Was, sondern eine Bootsreise des Herzens [eine umstrittene Anspielung auf die böotischen Schweine, den Pöbel, das Ungeschliffene Grobe. Siehe auch die Böotisierung Münchens in L.Feuchtwangers Roman "Erfolg"], eine Frage des Gefühls und der innigen Beziehung zu Wind und Welle. Der wahre Glaube ist der richtige Kurs. Möget ihr anluven oder vom Wind zeitweise abfallen, mag man Wenden einleiten und Halsen, so behaltet doch stets den Kurs im Auge.

[beachtlich mit welcher seherischen Gabe Polyglycos schon damals den nordischen Völkern ihre von Neid und Gier getriebene Kurslosigkeit vorhält. Manch einer fühlt sich schon bei diesen frühen Texten an '89 erinnert.]

Sehet die Patenthalsen der Nordmänner, die ohne Signale und Anweisungen eine Kurslosigkeit eingeleitet haben, die unser gemeinsames Schiff noch weit über den Rand des übervollen Tellers hinausloten wird. Den Styx [siehe auch der demente John Styx aus J.Offenbachs "Orpheus und Eurydike", der seiner Zeit als "König von Böotien" hinterhertrauert] weit hinter uns gelasse, selbst den Tartaros durchkreuzt, werden wir vor dem Tannhäuser Tor stehen und uns wundern, daß die Luft dünn wird, so dünn, daß wir uns um die Atemzüge streiten werden. Eine wasserlose Zeit, eine luftlose Zeit, eine nicht endend wollende Brise des Geistes - viel Raum ohne Inhalt, ein Glauben ohne Ziel.
Ich sehe einen Stier, der Europa auf einem Kurs trägt, um sie bei Erreichen des Weidendickichts auf Kreta in Gestalt eines (Bundes-)Adlers zu vergewaltigen; sie, die ihm Girlanden um den Hals und Blumen in den Mund gelegt hat.
Ein Kurs, der uns den Wind abfährt, uns diesen aus den Segeln nimmt, während er selbst, hart am Wind, die steife Brise liebt. Ein Winddieb, der nicht teilen möchte.

Nicht die neuronische Knalltüte, kein Euronien, wollen wir schaffen, sondern eine zügelbewehrte Europa auf dem Stier, und nicht auf dem Rücken des Volkes, wollen wir voranreiten sehen. Nicht zurück in die dunklen Zeiten der gallespeienden Drach(m)en soll uns der Kurs ge- und nicht nicht entg-leiten, sondern mit einem vom Südwind gereinigtem Deck wollen wir der Zukunft entgegensegeln.
Liebe Polytoxer, die Ihr das Gift des Geldes verabreicht bekommen habt, die Ihr aus Bequemlichkeit einen Kurs quer zur Dünung gewählt habt, werdet Euch wiederfinden im Wellental das keinen Horizont bietet. Ihr, die Ihr Midas zum König gewählt habt, werdet merken, daß, auch wenn man sich von Wind und Wellen nichts kaufen kann, nur das Schiff mit dem richtigen Kurs den Hafen findet.
Nicht immer nur an Saufnos, Siffnos und Kiffnos anzulanden, sei Euch empfohlen, sondern auch mal Thira und somit Minos wiederaufzubauen, Troja neu zu gründen. Nicht immer nur zu schmausen ohne zu bezahlen, um letztendlich am Gold selbst zu ersticken, sondern den Logarithmus auch mal mit dem Rest der Welt durchzurechnen. Dem Kadmos seine Schwester und dem Agenor seine Ehre wieder zu geben sei Euch ans erkaltete Herz gelegt. Was Ihr für das Mensch-über-Bord-Manöver benötigt ist eine Kuh-Wende und keine Patentwende, so uns das Leben unserer Liebsten noch lieb ist.

Wieder andere folgen einem Kurs, der ihr Boot in alle Winde fliegen läßt ohne ein Ziel zu kennen. Ihr, die Ihr schwojet und treibt im Sturm, umgriffen von den schweren Wassern des Beaufort. Laßt Euch gesagt sein: Guter Wein kann nur in der Ruhe gedeihen. Nur ein Stabilitätspakt [umstrittene Übersetzung], der in jedem von uns seinen Ursprung hat, wird auch einen Ankergrund finden. Nur ein Wind, der aus unseren eigenen Segeln heraus gedeiht, nur ein Kapitän, der mit seiner Sipp- und Seilschaft den Wellenberg erklimmt und nicht gegen sie segelt, wird die sicheren Ufer erreichen.


lalol am 09.Nov 12  |  Permalink
Polyglycos gefällt mir
So sauber und biologisch komplett abbaubar.
Schade, dass die Sonne gar so heiß,
sonst zerliefe er nicht wie Wassereis ;)

einemaria am 13.Nov 12  |  Permalink
das bezweifle ich doch ein wenig,
daß er wie Wassereis zerläuft. Politisch abbaubar, ja, aber sauber?! Polyglycos hat ein ganz anders gelagertes Abgrenzungsproblem als die erste Archetyp des Theaters, Dionysos.

Letzterer hermaphrodiert aus den Extremen heran zu einem Übergott, der nur in der frühhellenischen Zeit, existieren konnte; einer Zeit in der Matri- und Patriarchat zumindest im Kult ein Gleichgewicht gefunden haben mögen.

Polyglycos aber - in einer späteren, patriachalischeren Zeit zugegen - hadert mit den Freuden des Lebens. Er setzt das Karrieristische dem Lustvollen über. Polyglycos - ein Mann, der weiß, was er will, aber nicht will, was er weiß. Polyglycos - einer dieser frühchristlichen Schranzen, die vermutlich noch nicht mal Fleisch gegessen haben. Polyglycos ist auch kein Ikarus, der Sonne nah, sondern verkriecht sich, wie noch heute das Klerikale, in Katakomben und anderen anämischen Räumlichkeiten.
Polyglycos ist ein griechischer Weinhändler - schlechtesten Weines, natürlich, griechischer eben - der sich in den Kinderschuhen der christlichen Kirche als Apostel breit macht. Kinderschuhe schon wieder (sic!). Er will uns den Vielgottglauben madig machen, weil er ein geistiges Potenzproblem hat - schlechter Wein, schlechter Schwanz und Mundgeruch - und zu seiner Zeit noch keine motorisierten Kompensationsobjekte zur Verfügung standen. Ein tragisches Subjekt seiner Zeit ... und doch liebenswert, weil historisch ;)

lalol am 15.Nov 12  |  Permalink
Sorry,
bei sauber dachte ich an ein neuzeitliches Reinigungsmittel.
Ohne Zauber, ohne Mythos,
und wie bei Göttern üblich ohne Herz.
Ein Mann???
Es schwingt in Polyglycos so viel jugendlicher Leichtsinn mit.
Wo soll er seine Erfahrung gesammelt haben?
In einer Welt, die er nicht schätzen kann?
Aber Sie haben recht, trotzdem liebenswert, da er an alte Jugendzeiten oder die eigenen Kinder erinnert.