Montag, 23. April 2012
Gambia
Gambia kennen die meisten nur von seiner schmalsten Seite her, dem Küstenstreifen rund um die Hauptstadt Banjul. Wir aber nehmen es in der vollen Breitseite, also an seiner schmalsten Stelle, seiner Taille mit rund 40km im Durchmesser. Ehe wir bemerken, daß wir wirklich schon im Land sind, haben wir es mit unserer Reisegeschwindigkeit, die wir nun endlich aufgenommen, auch schon halb durchquert, den Gambia River bereits überquert und kommen erst kurz vor der südlichen Grenze zur Casamance in Soma zum Stehen. Soma, ein ausgetrockneter Trans-Gambia-Zellkörper. Bisher alles ohne Grenzkontrolle oder sonstige Offizialitäten. Wir sollten uns einfach bei der örtlichen Polizeistation melden.
Endlich englischsprachig. Wir können wieder ganze Sätze bilden und verstehen auch plötzlich die Antworten, was die Sachen nicht unbedingt einfacher macht, denn nun können wir uns aus verschiedenen Stiuationen nicht mehr mit unserer sprachlichen Unbedarftheit davonstehlen.
Um den Einreisestempel zu bekommen, bedarf es schließlich eines gewisssen Verhandlungsgeschicks, ohne für ein Visa, das wir aus unserer Sicht nicht benötigten, bezahlen zu müssen. Selbst die wiederholte Drohung, uns nach Banjul zu schicken, was wir unter allen Umständen zu vermeiden suchen, scheitert an der resoluten Weigerung meines Reisekollegen - ein sonst eher ruhiger, besonnener Mensch, der sich in dieser Sitaution lieber die Hände abgehackt hätte als auch nur einen Dalassi (so die Währung) aus der Tasche zu ziehen. Das hat dann schließlich die nötige Wirkung auf den örtlichen Polizeichef. We win.
Soma, das keine westlichen Touristen kennt, bietet uns alles, was es auch Einheimischen zu bieten hat. Eine sporadische Unterkunft im Truck-Stop Moses Motel
am sandigen Trans-Gambia-Highway, der es nicht schaffen wird, jemals mit Asphalt in Berührung zu kommen.
Horden von Mosquitos, die auch vor Spray und Netzen nicht zurückschrecken. Immerhin ein Ventilator, der, wenn mal Strom ins Netz geschossen wird, mehr Lärm als Wind von sich gibt. Endlich im tropischem Gürtel, raus aus dem Sahel. Die Luftfeuchtigkeit nimmt stark zu, so daß ab heute jede Nacht schweißgebadet und man aufpassen muss, sich im Schlaf nicht selbst zu water-boarden.
Inzwischen hab ich auch T.C.Boyles "Wassermusik" im Gepäck gefunden, kann ihn aber nicht lesen, denn entsprechend der Stromsituation ist man sich auch nicht sicher, ob die Glühbirne nun brennt oder nur so tut.

Den Tag verbringen wir zum Großteil damit, unter dem "bus-stop tree" in die große afrikanische Familie hineinzuwachsen.
Seit Mbour/Senegal hat die Zeit aufgehört zu existieren. Dinge passieren unabhängig von jeglichem Zeitplan. Wir warten apathisch, in der Hoffnung, daß sich genügend Mitreisende finden, der Bus um ein mehrfaches seines Eigengewichts beladen wird und der Troß sich in Bewegung setzen möge.
Innerhalb weniger Stunden haben wir etliche "best friends", die alle "best soccer" spielen und eigentlich nur auf den geeigneten Moment warten, um in erste deutsche Liga berufen zu werden.
Man mag vor Abreise sich über all die traumatischen Tropenkrankheiten informiert haben. Bei Temperaturen um die 40 Grad sind diese Gedanken wie weggewischt. Wir essen und trinken, was sich uns bietet.
Salat, Früchte, Wasser aus unverschweißten Flaschen und die selbstgemachte Eiscreme. Assimilierung ist ein oft harter, so doch langfristiger Überlebensplan.
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Donnerstag, 19. April 2012
Bill Gates oder wie wir die Welt vor dem Menschen retten
Ups ... Bevölkerungsreduktion durch Impfungen? Das Publikum lacht. Wie darf man das verstehen? Bill Gates, der Philantrop, uns auch bekannt durch seine selbstlose Zusammenarbeit mit Monsanto (Bill Gates And Monsanto Team Up To Fight World Hunger), , den Erfindern des Entlaubungsmittels Agent Orange im Vietnamkrieg, des Zuckerersatzstoffes Aspartam und natürlich Round-Up, deren Großaktionär er ist, erklärt uns, wie wir durch Impfung und andere Wundermittelchen die Bevölkerungszahl auf beinahe Null reduzieren. Ein mehr als mathusianischer Plan, der die Eugenik in neue Dimensionen treibt. Bin ich im Rahmen dieser "Bill of Gates"der Vernichtung preisgegeben, oder darf ich letztendlich des entvölkerten Planeten geniessen? Ich befürchte fast, dass ich die Schlüsselqualifikationen für Letzteres nicht erfülle. Hm ...
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Kurzmeldung:
Dr.Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben


... eine Frau soll Pakistan regieren. Und dann sagt sie so etwas. Hören Sie sich speziell die Aussage zwischen 2.22 und 2.25 an: "Omar Sheikh who murdered Osama bin Laden" Eine Frau, ganz abgesehen von ihrer ansprechenden Erscheinung, Tochter des ehemals ermordeten pakistanischen Präsidenten Zia ul-Haq, die kurz vor ihrer eigenen Ermordung ihrem Konkurrenten, dem nachfolgendem Präsidenten General Pervez Musharraf, ihre vermutlichen 3 Mörder nennt, und zugleich Osama bin Laden 2007 für bereits ermordet erklärt!

Verwirrend ist auch, daß sich unter den drei möglichen Mördern der Sohn von Osama befindet, Hamsa bin Laden - warum haben wir von ihm nicht schon gehört - und zugleich der Mörder seines Vaters, Omar Sheikh.

Soviel Verwirrung und Offenheit, das kann doch irgendwie nicht angehen ... dachten sich da jene, die eben diese Befriedung Pakistans für nicht so erwünschenswert hielten.
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Mittwoch, 18. April 2012
DIE BEDINGUNGSLOSE LIEBE
"Es hat angefangen ein neuer Akt der göttlichen Komödie, und sein Leitspruch lautet: Die Menschen wissen, daß sie im Himmel sind."
Die acht Weltsätze des Meisters Johannes Baader über die Ordnung der Menschheit im Himmel nebst Erklärungen desselben

Die Wolkendecke reißt auf, die Historie ab. Der Traum, ohne den die Wirklichkeit nicht existieren kann, wird neu geboren. Kann man aufstehen ohne gelegen zu sein? Ein Aufstand ohne Grundlage gegen etwas, das es nicht mehr gibt. Der Geistesblitz aus heiterem Himmel, ohne Wettervorwarnung, ohne historischen Bezug. Der Akt ohne Re, ohne Parkmöglichkeit, eine Einbahnstrasse mit Höchstgeschwindigkeit, das Vor ohne Zurück. Eine Knalltüte mit Überraschungseffekt, Phosphor, der zum ersten mal das Wasser gesehen hat, und die Lösung der Elemente. Der Orgasmus von Materie und Antimaterie. Der erste Urknall vor und nach einer Geschichte, in einem Jetzt, das wir bis dahin nie erleben durften. Wir waren der unerklärte Krieg der Gedanken, wir sind das Wilde im Dienste des wortlos Guten.

Der versteinerte David wurde mit seiner eigenen Zwille vom Podest des Stillstands und der Ewigkeit geholt; wir sehen ihn fallen und sich erheben wie ein stürmisches Meer aus Stein. Wir sind die Überholspur der Mitte ohne ein Links und Rechts, die Mittel- und Maßlosigkeit des Moments. Das nie Dagewesene und niemals Werdende, die Vorhut der Geburt. Wir sind die Unvollständigkeit und die Gesamtheit der Unvollkommenheit, das Gegengewicht zur Philosophie, auf daß diese weiter bestehen kann, das eine, das das andere fordert, der Traum ohne den die Wirklichkeit nicht bestehen könnte.

Warum füllen wir uns leer? Warum fühlen wir ein Faß ohne Boden? Warum hat unser Alphabet keine Buchstaben? Unsere Sätze des Inhalts beraubt hat das Wort keine Wert.
Weil wir auf das eine reduziert, das andere genommen. Warum sehen wir mit dem einen besser und schreiben alle mit rechts? Auf ein Rumpfdasein begrenzt, unter Beleerungen lastend, kaufen wir mit Geld, das es niemals gab, Dinge, die wir niemals besitzen werden.

Wir wollen heute sterben, nicht in einem unbekanntem Morgen. Denn jeder Tod ist ein Abschied und der Fruchtwasserabgang einer Geburt des Neuen.
Wir wollen den Frieden und den Krieg nicht der Gefühllosigkeit überlassen. Wir wollen leben und lieben.
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Ich bin zerschuettelt und zerrrührt ...
noch gefangen in einem Traum an einem Ort, deren Namen es nicht mehr gibt, einer Ort, der mit dem Ende des Traums auch seinen bereits vergessenen Namen verlor.

Wir kamen als Ausflugsgruppe an diesen Ort und wohnten als fremde Gäste in zerschlissenen Holzbaracken. Obwohl wir uns alle scheinbar kannten, war mir eigentlich nur ein Gesicht vertraut. Ich will sie zum Schutz der Persönlichkeit mal nach dem alten, ehemaligem Namen der Stadt benennen: Madame Flora. Sie war diejenige aus der Gruppe, die mit der Beschaffenheit der Schlafplätze am wenigsten zurecht kam. Selbst mein Bemühen ihr das beste aller Betten, bestehend aus bunt zusammengewürfelten Teilen von Federkernmatratzen, zu richten, ließ sie nachts kein Auge zumachen.

Anfangs noch ein wenig wie ein schlechter Urlaub, staunten wir über die wenigen Einwohner, deren Tag daraus bestand mit Bunt- und Filzstiften, so groß wie sie selbst, zu hantieren, bis diese jeden Abend fein säuberlich geschichtet zusammenlagen wie in einem Etui.

Doch schon bald wurden wir vom Gefängniswärter dieses Ortes, ehemals genannt Flora, in den örtlichen Knast umgesiedelt, bestehend aus aneinandergereihten Stockbetten im Freien.

Wir waren Gefangene und unsere Aufgabe bestand darin, Schwellen aus Bleistiften zu verlegen, je nach Bodenbeschaffenheit ein H für hart an weichen Stellen, ein B an harten, dazwischen ein HB. Weil es allerdings keine Gleise gab, mussten wir Bleistift an Bleistift legen, um den Anschein einer Trasse zu erwecken, für einen Zug, der niemals kommen würde. Immer in der Angst, Günther Grass könnte uns bombadieren.

Doch schon beim Herannahen der ersten Nacht, weigerte sich Madame Flora, für die ich mich mit meiner gesamten Existenz ob ihrer Schlaflosigkeit, und ich darf gestehen, auch aus tiefster Zuneigung verantwortlich fühlte, sich diesem Schicksaal zu beugen. Die letzten mir noch bekannten Umstände sind verworren und blass, denn im Zuge meines Versuchs, mit dem Gefängniswärter ein klärendes Gespräch zu führen, bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf und seitdem sitze ich nun hier, wach aber immer noch gefangen.

Was ist passiert, Madame Flora, in der Stadt der Stifte?
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Montag, 16. April 2012
Senegambia, Erdnüsse, britische Kolonialgrenzen und der Guinea-Wurm im Senegal
Die heimlichen Herrscher des Erdnussbeckens
Ich kann mich nicht entsinnen wirklich Erdnüsse gesehen zu haben, schließlich wachsen sie ja auch unterirdisch. Es scheint sich um ein ähnliches Prinzip zu handeln wie beim Kaffee in Guatemala, der im Land selbst eigentlich nur als dünne Brühe aus nicht-exportierten Restbohnen serviert wird. Dennoch ist Senegal einer der wichtigsten Produzenten von Erdnüssen.
Die Monokultur von Erdnüssen (weit über die Hälfte des Exports) macht das Land zu einem Importeur von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen.
Einer der Hauptprofiteure der verfehlten Agrarpolitik und des Niedergangs der Subsistenzwirtschaft ist Frankreich, das den Ausbau der Erdnussmonokultur vorantrieb und treibt, aber auch die sunnitischen Marabuts, die heimlichen Herrschern der Erdnüsse.

Selbst die zentralistische Regierung - nicht nur unter Abdoulaye Wade - ist aufs Engste mit den Entscheidungen der Sufibruderschaften verknüpt. "Ohne die Kalifen wäre Senegal nicht regierbar." Ihr politischer Einfluß reicht bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die sich vorwiegend an den persönlichen Interessen der Marabuts orientieren denn an denen der Bevölkerung.
Seit Cheikh Ahmadou Bamba 1883 die Sufi Bruderschaft in Touba gründetete wuchs das Dorf mit 3000 Einwohnern zur zweitgrößten Stadt Senegals und die Sufi-Bruderschaft neben der Präsidentenfamilie zur einflussreichsten Gruppe Senegals, um das Land sozusagen in einer Zangenbewegung plündern.

So bleibt gesichert, daß an Senegals postkolonialen Küsten nicht mehr Fische, sondern nur noch westliche Exportgüter anlanden, und ausschließlich die Erdnüsse das Land verlassen.

Und wir wissen inzwischen, wie wichtig für uns die Preisstabilität im Supermarktregal ist und wie wichtig die Preisspirale für unseren Lieferanten. Wer möchte schon mehr als 99 Cent für eine Packung Erdnüsse bezahlen oder für tiefgerorenen Fisch von den Küsten Senegals?


Eintauchen in den "stinking fever-belt of Gambia" T.C.Boyles
Mit unserer Abreise aus Dakar Richtung Gambia verlassen wir die Küste im doppelten Sinne, da sich hier auch die Südgrenze der Sahelzone befindet, das "südliche Ufer der Sahara".

Ähnlich dem Guinea- oder auch Medinawurm zieht sich das englischsprachige Gambia von der Küste mitten durch den Senegal und teilt den Norden von der rebellischen Casamance im Süden. Die Volksgruppe der islamischen Wolof im Norden, die nach Unabhängigkeit sinnenden, christlich geprägten Diola im Süden - was die Problemlage etwas verkürzt und verfälscht (siehe amnesty-Bericht von 1998 und den aktuellen amnesty-Bericht 2011).
Die berüchtigte Art der Briten, durch die Ziehung fataler Landesgrenzen ihre ehemaligen Kolonien, nicht nur in Britisch-Westafrika, in fragile Staatsgebilde zu verwandeln, tritt hier deutlich zu Tage. Die Grenze erstreckt sich entlang des Flusses Gambia; links und rechts mit der Reichweite einer Kanonenkugel - wobei die Windverhältnisse die Flugweite an manchen Stellen beeinflußt zu haben scheinen.
Versuche die Problemlage zu entschärfen, wie die Schaffung einer Konföderation Senegambia, wurden konterkariert und waren nicht von langer Dauer. Bis und vor allem heute hat die Destabilisierung Westafrikas einen entscheidenden Einfluß auf die dadurch nicht unbedingt einfachere, so doch billigere Ausbeutung der Rohstoffe und den Drogenhandel, dem wir uns im nächsten Abschnitt der Afrikareise mit Hingabe widmen möchten.
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Freitag, 13. April 2012
Von Dakar nach Keur Ayip oder warum es besser ist, Wassermusik erst hinterher zu lesen
Ich kann es bis heute nicht erklären, wie wir es in unserer europäischen Überheblichkeit wagen konnten, uns gegen die Bedingungen zu stellen, wie wir es wagen konnten, eine andere Strecke als von A nach B zu fahren, wie wir glauben konnten, es uns leisten zu können, einen Abstecher zu machen - nach Saint Louis nördlich von Dakar. Weil eben so fremd, ist es beim ersten mal im Sept-place noch irgendwie bequem.
Und selbst die ersten Warnsignale (siehe später bei "Hellride in Dogon Country") huschen wie die Teletubbies an einem vorbei.
Alles in Anbetracht der der ungesehen Tatsache, daß wir noch tausende von Kilometern vor uns hatten, mit einer auch sehr europäischen Bürde, dem Zeitlimit.

Anfangs überwiegt allerdings die Schönheit des Landes.
Affenbrotbäume und Zikaden, so beschreibt es schon Ryszard Kapuściński in "Afrikanisches Fieber", in einer schier endlosen Steppe, deren Horizont seltsam weiter als in good old Europe,
einer Welt die uns größer erscheint als wir sie bisher sehen konnten.
Wie oft in der Dritten Welt ist es berauschend durchzufahren, aber weniger berauschend dort für immer als Einheimischer gefangen zu sein. Unbemerkt hält sich unser Unterbewußtsein krampfhaft an der Wasserflasche fest, während wir schon mal den ersten Staub schlucken dürfen.

Unsere Dürreperiode dauert maximal von einer Wasserflasche bis zur nächsten und bei uns trinken auch keine Herden und Felder mit. Abends gibt es wie so oft Fisch und Reis, den wir allerdings nicht selbst aus dem Meer holen.
Wir schlagen uns nicht mit den Fischereiflotten der EU herum, die den Fang vor der Nase wegschnappen, die nachts in die 6-Meilen-Zone eindringen und unsere Netze oder gar unsere Boote mit der Schiffsschraube auf den Meeresgrund schicken.

Das Hintergründige - wie es die Doku über die Straßenkinder gut beschreibt - bleibt vorerst da, wo wir es haben wollen und so erquicken wir uns an "Fanta Cocktail" und anderen Dingen, die nur wir uns leisten können und deren Inhaltsstoffe, sicherlich aus gutem Grund, nie den europäischen Markt betreten durften. Die eigentliche Grundlage unserer Reise,"Wassermusik" von T.C.Boyle, lagert weiterhin ungelesen am Grunde meines Rucksacks und wir finden alles einzigartig freundlich, lebendig und so lieb.

Selbst die Gefangeneninsel Goree,
einer der Hauptumschlagsplätze für Sklaven wirkt ohne Inhalt irgendwie sauber und kolonial verklärt.
"Hier würd ich auch gerne wohnen ..." nachdem all der Kot, Urin und das Blut weggewischt, die Schreie verhallt und die Wände neu gestrichen. Selbstverständlich auch von der EU
- keep the spirit up. Der Letzte, der mir noch versucht hinterherzurufen ist T.C.Boyle, der hier seine zweite Expedition startete.

Der Sklavenhandel hat eine seltsame Wendung genommen, seit die Tür ohne Widerkehr nicht mehr durchschritten wird, durch die tausende von Sklaven getrieben wurden.
Die Flüchtlingsboote sind noch ähnlich voll, aber ihre Insassen bezahlen heute die Überfahrt selbst, so sie es denn schaffen, quer durch die Wüste ans andere Ufer und dann noch über den Forex-Zaun in die Festung Europa.
Weil man es sich aber auch in der stumpfsinnigen Armut ein wenig gemütlich einrichten könnte,
mussten wir dem Trikont noch seine Fische wegfischen, die Preisspirale für Getreide und andere "Soft Commodities" hochsubventionieren und seine Kultur mit westlichen Begehrlickeiten versauen.

Aber weil das immer noch nicht genügend Lohnsklaven übers Meer treibt, korrumpieren und schmieren wir noch einen Diktator an die Macht, der ihm das Leben final zur Hölle macht, das Land aussaugt und den Gewinn vor Steuer in die Schweiz transferiert. Ob sich das mit dem Ende des vielgehassten Abdoulaye Wade unter Macky Sall ändern wird, bleibt fraglich. Selbst mit dem weltbekanntem Musiker Youssou N'dour als Kulturminister.

Noch ein Wort zur wundersamen Welt der Tiere Westafrikas.
Lassen Sie sich nicht von den entzückenden Tieraufnahmen täuschen, denn seit der Jagdsaison des 19.Jahrhunderts gibt es in Westafrika Großwild nur noch in den open-area Zoos, wo sie seltsamerweise immer im Paar und sehr gesittet auftreten
sowie in privater Großkäfighaltung. Keine Giraffen oder Zebras, keine Löwen oder ähnliches.
Nashörner will man wenn möglich mit dem Fernglas sehen, denn ihre Attacken sind fürchterlich und selbst ihre Erwähnung läßt den "park guide" erbleichen, als würden die Sirenen zum Atomangriff rufen.
Hierzu ein kleiner Tip, falls es doch mal auf einen zunashornt: Sie sind schnell, aber nicht wendig. Und weil sie vor jeder Richtungsänderung komplett zum Stillstand kommen müssen, ist der Zickzackkurs das Mittel der Wahl.

Und Krokodile sind flinker als man meinen möchte, so daß hier ein Zickzackkurs meist schon in den Startlöchern ein jähes Ende findet - schließlich geht es in freier Wildbahn vorwiegend ums Essen.
Die wenigen Relikte, die es noch ins 20.Jahrhundert geschafft haben, wurden spätestens dann von den dürregeplagten Mäulern der hungrigen Einwohner verspeist.
Fleisch ist Luxus. Wer sich hier noch richtig sattsehen kann, sind Insektenforscher. An Mücken und Fliegen fehlt es nicht - Plagegeister und Krankheitsüberträger, aber für die Kamera nur im Makro genießbar. Wir hatten nicht nur das Kapitel über die Tierwelt bei unseren flüchtigen Reisevorbereitungen in den AGBs Westafrikas nicht so genau gelesen. Einzig der Arzt im Tropeninstitut - spätestens hier hätten wir hellhörig werden sollen - hat sich ob unseres Reiseziels kaum mehr eingekriegt und den großen Atlas der schlimmsten Krankheiten aus dem verstaubtem Nebenzimmer hervorgekramt. "Vergessen Sie den Amazonas und Indien ... Westafrika, da gibt es alles," waren seine letzten Worte - doch dazu später.
Erst müssen wir uns durch den Senegal kämpfen ... immer weiter weg von einer möglichen Rettung im Ernstfall. Noch nagt Malaria, Dengue alles, was Westafrika noch so zu bieten hat, erst an den äußeren Schichten der Immunität und der rote Staub frißt sich erst langsam in jede Pore. Doch für solche Signale besitzt der westliche Reisende keine Sinnesorgane, so you got to learn it the hard way.
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Dienstag, 10. April 2012
Dakar nach Saint Louis - first contact
Im Grund besorgt man sich einen Reiseführer wie "Lets Go" oder "Rough Guides", um von den maßlos inflationären Preisen frustriert zu werden. In Guatemala heißt die von allen bereiste Route "Gringo-Trail". Und selbst im westlichen Afrika trifft man mit dieser Art zu reisen stets die gleichen bleichen Gesichter wieder.

Wovon ich gleich abraten möchte ist, die heimische Sprache zu lernen, es sei denn, man ist gewillt, neben Wolof und Pulaar auch noch die anderen 93 Sprachen zu neuronisieren, denn jedes Dorf spricht hier seinen eigenen Dialekt. Französisch hilft viel, aber wer die internationale Zeichensprache beherrscht, ist klar im Vorteil. Für Dakar ist ein Stadtplan wohl nur für das Zentrum der City hilfreich, denn die Außenbezirke verweigern sich solch einer Annäherung.
Hier driftet der Tourist wie das Leben von einem Schauspiel in das nächste. Auf dem Weg in das empfohlene Restaurant, das man letztendlich doch nicht gefunden hätte, gerät man in eine Hochzeitsgesellschaft und darf sich auf ein fulminantes Schauspiel der Sabar-Tänzerinnen gefaßt machen, samt Schmauß und Umtrunk.
Wer nicht spätestens hier den Reizen der in Schweiß gebadeten Trommler und gazelligen Tänzerinnen erliegt, dem fehlt jegliche sexuelle Appetenz oder er/sie muß bis Ghana warten, um sich dem mehr bulligen Typus, bzw der ghanesischen Mama hinzugeben.

Von offener Kanalisation muß ich Ihnen wohl nichts erzählen. In Dakar noch etwas seltener, wird sie uns auf der gesamten Reise begleiten.
So rutscht und flutscht man durch das nächtliche Dakar bis man einen Ort erreicht, an dem man sich zuhause fühlt. Wer auf noch mehr Abenteuer steht, nimmt sich ein Taxi, denn der Hotelname ist ja im Gegensatz zur Lage und Route bekannt.
Dennoch wird sich das Taxi selbst durchfragen müssen und dem Prinzip der stillen Post folgen. Angekommen sind wir allerdings immer. Wo man letztendlich oft landet, ist der Strand.
In der Ferne die Gefangeneninsel Goree als abeschreckendes Beispiel fühlt man sich plötzlich heimisch unter den von Horizont bis Horizont kickenden Kleinfeldfußballern, die einen sportlichen Schutzwall bieten, zwischen Strand und Wasser. Wer also nicht leidenschaftlich von sandigen Fußbällen beschossen wird, meidet den Strand.

Da wir uns der französischen Sprache bisher erfolgreich erwehren konnten, wollen wir die Reste des französischen Kolonialismus auf visuelle Art in uns aufsaugen und fahren in den Norden nach Saint Louis, als da die architektonischen Überreste noch weitgehend erhalten blieben.
Mehr als das. Selbst die Urbedürfnisse wie zu trinken und zu rauchen, während man Billiard spielt und Fußball glotzt, werden vollständig abgedeckt. Auch die afrikanische Life-version von Fußball bleibt trotz der Regenfälle nur zeitweise im Matsch und Lehm stecken. Eine andere Art von Soccer, bei der der Ball dort liegenbleibt, wo er mit dem Boden in Berührung kommt. Der Ball also eher statisch, dafür das Spielfeld, die Spieler und die Zuschauer um so bewegter. Verborgen bleibt uns, auf welche Linie sich die Linienrichter beziehen ...
Wir blieben lieber auf dem trockenem Rasen.
Wobei ich mich wundere, daß es Kicker noch nicht mit Raseneinlage gibt, den man dann mit der Nagelschere zurechttrimmt.

Wer gerne mal eine Showwüste sehen möchte, der fahre wie wir in die Lampoul Desert. Schon an der Kasse, wo wir ein "ursprüngliches Eingeborenendorf zu sehen bekommen, findet das Laienschauspiel seinen Anfang, denn scheinbar kommen wir völlig unangekündigt und die Dorfbewohner müssen sich noch umziehen, Gasherd und Wasserhahn abdrehen, die Kinder auf den Rücken wickeln und auf die andere Straßenseite eilen, um
- diesmal ohne Jeans - die Holzfeuer zu entfachen
, das Wasser aus dem Brunnen zu hieven und irgendwie zu versuchen, altertümliche Gesichter zu machen.
Seltsamerweise besitzt das Musterdorf an Althergebrachtem dann doch die einzigen wüstengängigen Jeeps, um uns in ein Meer aus Sand zu fahren, mit Beduinenzelten für die Nacht bestückt.
Leider scheint die Nacht bewölkt zu sein, da ich nicht die Sternenpracht wie aus anderen Wüstenmeeren zu sehen glaube.
Des Rätsels Lösung finde ich am nächsten Tag als ich mich dem gezügeltem Kamelrundgang entziehe - im Sinai durfte ich wenigstens zielorientiert selbst reiten und auch mal ein meuterndes Kamel am eigenen Leib spüren - und mich hinaufquäle auf die höchste Düne .... und siehe da,
rundherum Wald, und unsere Wüste wie ein aufgeschütteter Spielplatz mittendrin. Showwüste eben.

Weit weniger gespielt durften wir dann endlich unser erstes real-life-Africa im Djoudj-Nationalpark erleben. Ob Waran,
Flamingo-Insel oder Phyton,
deren Anwesenheit keine gespielte Panik in den Gesichtern der Bootsmänner zeigte, alles inklusive. Der große Teil kam allerdings - insbesonder für den Fahrer unseres Taxis erst hinterher, als es begann leicht zu regnen und der rote Lehm, aus dem die vorerst harte Piste bestand, zu Leben erwachte. Das wären mal interessante Details für Reiseführer. Wieviel Kilo Lehm passen in den Radkasten eines Toyota?
Der ehemals richtungsweisende Taxi wird zu einer Art Höhenmesser, denn er will und fährt stets an den tiefsten Punkt der Piste und der liegt stets rechts oder links im Graben.
Man beginnt zu begreifen, wie sinnlos manchmal ein Lenkrad ist und wie klebrig diese Schlamm sein kann, der an allem haften bleibt, das auch nur in seine Nähe kommt.
Die Strecke zurück ... zieht sich, wenn man das mal so ausdrücken möchte, in die Tiefe, in die Höhe, in die Länge. So dürfen wir unsere ersten eindrücklichen Erfahrungen mit dem afrikanischem Zeitbegriff machen.
Bei unserer Rückkehr fühlen wir uns endlich angekommen ... in Afrika.


Im weiteren Verlauf der Reise werden wir noch feststellen, was Zentralismus, mit Dakar als Hauptstadt, für ein Land mit den beschriebenen Straßenverhältnissen bedeutet. Ein weiterer running gag wird der Versuch, es mal mit dem Zug zu versuchen, den es meines Wissens mal gegeben haben sollte.

Schmeißen Sie also Ihren Reiseführer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in diesen roten Lehm und er wird aus diesem als ein viel Nützlicherer hervorgehen, so wie andere viel Interessantes aus den Eingeweiden von Hühnern lesen.
Reisen Sie in der Hauptreisezeit, daß sich das Augenmerk der Touriwarenverkäufer nicht auf Sie allein konzentriert, und reisen Sie auch mal woanders hin, als da wo dem (Toubab) Weißem nur Spaghetti als Hauptnahrungsmittel angeboten werden.
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Donnerstag, 5. April 2012
Flaggenhissen und Mittelstreifenbegrünung der konservativ-liberalen Gesellschaftformen in Schbackenland
Dem möchte ich als Diskussionsgrundlage ein Video von Jutta Ditfurth vorausschicken, das schon viele der angeführten Themen vorwegnimmt. Ich dachte - ein reines Bauchgefühl - dass sich viele unbeteiligte Nutzniesser des Dritten Reiches in vergangenen Jahrzehnten zur ÖDP herübergerettet hätten. Das grüne Element trägt - von der Wandervogelbewegung mal ganz unabhängig - ein ausgesprochen konservatives Element in sich. Kein Baum wird geschlagen, keine Bruchbude, und mag sie noch so häßlich sein (siehe Bauchbahnhof), abgerissen, weil es eben so schön alt aussieht. So schön, so orginal, so bunt, wie jene mulitikulturellen Basare, die sich in unserem Lande aufgrund einer massiven Einwanderungspolitik wie Metastasen (da jubeln jetzt die Falschen bei diesen Worten) breit machen - weil es dann eben wie im Urlaub aussieht. Nur in einer fragmentierten Stadt ist das erlaubt und sogar erwünscht.
Auf die Gefahr hin, nun in die gleiche Kiste wie die ÖDP geschubst zu werden, möchte ich schon mal den Begriff der "Durchseuchung der Bodentruppen" einführen ;), um mich durch etwaige Kommentare zur näheren Ausführung zu ermuntern.

Der ein oder andere entzieht sich dieser Entwicklung geschickt - wie Wulff, der vor seiner rechtskräftigen Verurteilung noch einen Fluchtwagen samt Fahrer gestellt bekommt. Kaum ist er da, schon ist er weg - die sogenannte Sprungtuchpolitik. Und man kann behaupten andere hätten es so gewollt.

Jetzt bekommt das Land neben dem begrüntem Mittelstreifen auch noch eine Piratenflagge. Worauf sollten wir bei deren Hissung achten? Steht die Fahnenstange schon? Ich will das mal Positionierung nennen. Hoffentlich findet die nie wirklich statt, sondern bleibt fluxtuativ.
Flaggen an Fahnenstangen machen mich nervös, denn beflaggt belieben letztere durch Wind und Zeit zu brechen und umzuknicken - und es gibt nichts mehr, woran man sich hochziehen könnte. Darauf bitte ich zu achten!
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Dienstag, 3. April 2012
Gerüchte über geplante Fusion von Stubenzweig und hartelinie im Gespräch -
Gehirngespinste oder Gehirngeschwür?


Der Bordeaux und das Establishment in den bequemen Designersofas der Soft Commodities erzittern dieser Tage. Die Märkte reagieren unsicher. Selbst die Kultur schwankt zwischen Optimierung und Pessimismus. Eine Sturmfrau braut sich zusammen über dem Kichererbsenmarkt.

Die Einschaltquoten bei arte fluktuieren wie ein Herzkammerflimmern nach Gehirntod - sagt die hartelinie - wie die Vorwehen - entgegnet, so Insiderinformationen, Stubenzweig.

Ein Tresen um die Welt ist am enstehen, während griechische Göttinnen vom Olymp fallen. Nichts ist mehr sicher, außer der Cappuccino in Brandenburg. Wer da nicht den Kopf schüttelt, dem blüht der big defeat converter. Bewegte Zeiten.
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Freitag, 30. März 2012
Illium 3c - tote Leitung am Olymp - mummyfied communications
Ich war nie da, in der Kommunikationszentrale des Olymp, doch in meiner Ahnung ähnelt sie dem Telegraphenamt in Bagan/Myanmar. Der Sendemast blinkt und blitzt bis hinauf in die Milchstrasse, aber das Stromkabel ist durchfressen von Verbindlichkeiten und Unverbindlichkeiten, die mit schärferen Schneidezähnen am Zahn der Zeit nagen als es einer Spitzmaus auf Koks je möglich wäre.

Oh Aphrodite, du Schaumgeborene, ich hätte es wissen müssen. Ich, der ich aus einem Lande stamme, in dem der Schaum schneller zerfällt als das gehopfmalzte Gold anstiege. Schlecht eingeschenkt, sagt man bei uns. Und der Ausschank schon geschlossen. Da hilft kein Reklamieren, kein Zetern und schon gar kein Warten, sonst verdunstet der Rest auch noch. Mit dem kläglichem Rest noch schnell die Geschmacksnerven benetzen und sich in einen unnatürlichen Schlaf stürzen.

Oh Salmakis, du Quellennymphe und Tochter der Aphrodite, sag doch mal der Mama Bescheid, daß ich sie gerne gesprochen hätte - wenn dein Papa Hermes auf Reisen, so wie ich das bei den Gutenbergs immer gemacht hab. Die Leitung ist tot, der Faden der Ariadne gerissen. Kein Tropfen kommt mehr aus dem Schankhahn des Olymp, kein Nektar, der mich benetzt. Kein Feuer und keine Glut, sondern Asche.

Da werden mir keine Bodentruppen zur Seite stehen und Flugabwehr wäre wohl auch nicht der richtige Weg. Ich laß mich mit ner Rakete auf den Mond schießen ... vielleicht sind da die Aussichten besser und ein zweites Gespräch mit dem Mann im Mond könnten mir die Augen öffnen, so daß ich sie des nachts seliger schließen könnte - ganz ohne Sandmann.
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Donnerstag, 29. März 2012
Hinweis in eigener Sache
zum Thema "das eigene und das größere ganze: unterstützung und organisiertheit" aus den heiligen Hallen der Dhonau-Werkstätten, ... wo sich bunte Konstruktion und Dekonstruktion von Soziabilität die Hände reichen und sobei das Schwarz/Weiß verarmt. Siehe da ...
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Dienstag, 27. März 2012
Mögest du furzen, so schellte deinen Nachbarn
Montag, 11:34

Der Verstärkerbus 831 wieder mal genau so "pünktlich" zu spät, daß ich mich in den letzten Atemzügen durch die Tunnelfluchten kämpfe, um die Metro zu erwischen. Nur einem sozialen Leidensgenossen, der den Fuß so lange in der Lichtschranke stehen läßt, habe ich es im Vorbeiflug zu danken, daß auch ich es in letzter Sekunde noch schaffe, mich in die Metro zu hechten.

Weil man nach solchen Kurzsprints eben hechelt wie ein Hund nach erfolgloser Hasenjagd, wandere ich, so entspannt wirkend wie möglich, durch die Abteile, um meinen Puls wenigstens so weit herunterzukühlen, daß zumindest nicht der Speichel aus den Mundwinkeln trenst, sobald ich zum Sitzen komme.

Nach gefühlten 100 Metern erblicke ich eine günstige Lichtung in der Bestuhlung, heißt, mir sitzt nur ein Beobachter gegenüber, der beim Anblick meines immer noch auf Hochtouren pumpenden Herzens eigentlich augenblicklich den Notarzt rufen könnte. In solchen Fällen kann man nur von Glück sprechen, daß uns in der Stadt der Nachbar oder anderes Gegenüber einfach nicht mehr im Geringsten interessiert.

Dachte ich. Denn der Geruch, der sich seit meiner Anwesenheit nun großflächig verteilt - sei es der Fahrtwind, den es innerhalb der Züge ja nicht gibt, sei es die Schwer- oder die Korioliskraft - beginnt sich nun auch mir selbst bemerkbar zu machen. Waren hier so viele freie Plätze, weil sich die Bestuhlung noch an einen bereits ausgestiegenen, inkontinenten Fahrgast erinnert? Oder ... ich sehe mich unschuldig um ... ist ein solcher Gast noch anwesend? Offensichtlich nicht.

Ich bin frisch geduscht, und meine Kleidung eigentlich auch nicht von letzter Woche. Die Schuhe? Hatten zumindest in den letzten Monaten keine Beschwerde dieser Art. Nicht nur, daß sich nun die vielen Mitreisenden meiner Anwesenheit bewußt werden - und zwar speziell meiner - sondern auch mir geht plötzlich ein schrecklich Lichtlein auf: es ist mein schicker Kapuzenpulli, der durch die leichte Erwärmung beim Sprinten die in ihm enthaltenen Aromastoffe neu entfacht, die gestern beim Tanzen über Stunden dort ihr Zuhause fanden. Und nun rieche ich, also eigentlich er, aber schließlich wird er meinem Dasein zugerechnet, nach ... wie soll man das nennen. Frisch aufgewärmtem Nikotin in Biersoße mit einem kräftigem Spritzer Schweiß.

Da mich nun ein halbes Dutzend Fahrgäste nicht mehr aus den Augen läßt - als ob es dadurch weniger stinken würde - entschließe ich mich, die Schuld auf erfinderische Art und Weise von mir zu waschen. Ich zücke mein Notizheft in einer Art und Weise, daß auch wirklich alle mitlesen können, was ich in großen Lettern vermerke. Beginnend mit dem Satz: "Prüfung der Hygienevorschriften auf dem Asia-Markt in "sag-ich-nicht"." Ich berichte von eigentlich nicht in Worte zu fassenden Zuständen, von undefinierbaren Gewürzmischungen und Schmutzsorten, die in unseren Breitengraden eigentlich seit Jahrhunderten ausgemerzt schienen.

Und siehe da: Die mich zerfressenden Gesichtszüge der Umstehenden und Umsitzenden lösen sich auf in Wohlgefallen. Alle scheinen des Deutschen mächtig und von außergewöhnlicher Sehstärke zu sein. Nach nur zwei Stationen ernte ich Bewunderung über meinen Mut, mich an solch unerfindliche Orte zu begeben und die untragbaren Mißstände öffentlich anzuprangern. Obwohl ich immer noch stinke wie eine Güllegrube, werde ich von freundlich lächelnden Gesichtern am erreichten Zielbahnhof hinaussalutiert und mir folgt ein Hauch der Ehrerbietung.

Die Moral von der Geschicht: Wer selbst in die Grube fällt, sollte behaupten, andere hätten sie gegraben;)
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Montag, 26. März 2012
Mondtheorie - Der Mann, für den der Mond auch am Tag schien
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... oder wie Saint-Exupery im kleinen Prinzen sagt: "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Für manche mag das ein wenig wie ein Hirngespenst klingen, aber es gibt Menschen, die leben auch tagsüber nach den Mondphasen ... wo er sich doch eigentlich gerade auf der anderen Kugelseite herumrundet, windet oder sichelt.

Manche schmunzeln. Anderen vergeht das Schmunzeln, wenn sie tagsüber von der Springtide im Watt erwischt werden - selbst ihr letzter Gedanke beim Absaufen wird, unklugerweise, nicht dem Mond gelten. Also selbst zu Gezeiten, da wir seiner Gravitation und Weißheit nicht gewahr, stehen wir doch stets unter seiner Sichel (altbayrisch: Da- Mond-Kles-Schwert). Der Weise - diesmal nicht der Mann im Mond - sondern mein Berater in Fragen des Jonglierens mit runden Körper, zieht noch mal kräftig an der Krautpfeife. Denn wir befinden uns gerade im stoischen Phasenwinkel der Lunation. Das Zeitfenster rund um den Neumond, dessen Rundung wir niemals mit bloßem Auge erblicken werden, ist eine Periode in der wir die Jonglierbällchen mal lieber im Körbchen lassen.
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Wie wir Radiowellen eben auch nicht sehen und doch Radio hören, sind wir dennoch den Amplituden des erdnächsten Himmelskörpers zu jedem Zeitpunkt ausgeliefert - mögen wir uns dagegen stemmen wie wir wollen.

Da unser Körper aus so viel Wasser besteht, daß wir uns selbst beinahe als menschlichen Pfütze betrachten könnten, soll es Menschen geben, die zu Zeiten des höchsten Tidenhubes (alles Wasser wird in die Höhe gezogen, sprich flutet) plötzlich nicht mehr aufrecht den eigenen Türrahmen passieren können, ohne anzustoßen.

Spätestens hier sollte uns jenes Lichtlein aufgehen, das uns den Mond auch tagsüber sehen läßt und sei es nur in Form der Gravitation, spüren läßt in Form von Gehen und Vergehen. You are a rainbow too - go with the flow!
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Als ausdrückliches Tagesgeschenk an Frau Kopfgeschüttelt



Liebe Grüsse ...
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Samstag, 24. März 2012
Illium 3b -Der Olymp hat bei mir angerufen
Meine geliebten Mitsterblichen und Mitgestorbenen,

wie sehr hatte ich mich doch in die griechische Mythologie verrannt, um mein erblindetes Zyklopenauge auf das zu richten, über das ich ständig gestolpert.
Unter Zuhilfenahme alter bayrischer Riten und Gebräuche - damit meine ich weniger den Weihrauch, sondern mehr das zu Ehren der Götter verschüttete Bier
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- konnte ich Kontakt herstellen zu jenem "römischen" Verbindungsmann - Zeus sei es gedankt, daß es nicht der Fährmann über den Styx war, der mir die direkte Durchwahlnummer in den Olymp verraten hat - bzw. nach drei Maß eigentlich musste. Interessanterweise heißt der Götterbote und Gott der Händler und Diebe bei uns im Voralpenland nicht Mercurius, sondern Joachim.
So einfach kanns gehen.
Desweiteren, weil ich eben keine Flügel an den Füßchen besitze, sondern den steinigen Weg auf den Olymp auf meinen eigenen Beinen beschreiten muss, gab er mir das Licht der Götter zur Hand:
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ruft mich nun bitte nicht beim Namen Prometheus, denn ich bringe ja das Licht zurück!
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Mein mir gnädiger Hermes selbst hat bei all den Paketen, die er täglich so auszuliefern hat, selbstverfreilich keine Zeit, mich an den Ort meiner Begierde zu tragen. Ich aber weiss nun, wohin des Weges, mag er mich über all jene Bergketten und Wellenberge tragen, die sich mir in den Weg stellen mögen, so werde ich das Handtaschenrätsel zu lösen versuchen. Und da ich nun auch noch einer jener Argonauten geworden zu sein scheine, werd ich für die Lesergemeinde gleich auch mal paar Photos vom goldenen Flies mit nachhause bringen.

Ihr dürft gespannt sein - mir jedenfalls klopft das Herz bis zum Hals und darüber hinaus.

... und als Marschmusik, herzallerliebste Kopfschüttlerin
... ein anderes Lied
... und nicht der Radetzki-Marsch ;)

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Freitag, 23. März 2012
Picture of the year
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by an anonymous photographer
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