Montag, 31. Januar 2011
Die Sauberer
Den Brandgeruch, den Sie beim Lesen vielleicht bemerken werden, kommt nicht von der Lunte, die ich zünde, sondern durch den Burnout, der entsteht, wenn man voll beschleunigt, sich aber nicht bewegt.

Bisher lenken die Sauberer den Karren, den gegenwärtigen Diskurs des Rausches, mehr im Graben als auf dem holprigem Feldweg. Wer sind diese Sauberer und wo wollen sie hin mit ihrem Karren?

Die Sauberer sind die Erfinder der momentanen Drogenpolitik. Alles sauber. Die Straße und das Gewissen. Alles sauber. Die Nadel und der Stoff. Alles sauber hergerichtet und verpackt, alles sauber finanziert. Das Elend gut verwaltet, das läßt sich eine reiche Großstadt schon was kosten. Aber eben nur verwaltet. Verwaltung ist der Begriff eines Zustands und nicht der Bewegung.
Der neurotische Grundzustand unserer Gesellschaft ist derzeit sozusagen der Putzfimmel. Alles sauber. Und gutes Putzmittel kostet gutes Geld. Alles sauber finanziert. Aber wer mit Kohle heizt, darf vor Ruß keine Angst haben. Vielleicht ist unsere Kultur so konservativ, daß wir ohne Junkies gar nicht mehr leben wollen.

An den kranken Körper hängt sich der Gehilfenapparat der Sauberer, die Frontschweine der Drogenpolitik, Polizei und Sozialarbeit. Zuckerbrot und Peitsche. Und die arbeiten sich da mal so richtig rein, wie Maden in den Apfel. Mit Fortbildungen und Seminaren, mit Konzepten und QM. Wir sind nicht weit davon entfernt, daß neben jedem Streetworker ein Pressesprecher läuft. Das kostet Geld. Und das machen wir mit Kopfpauschalen für Auflagengruppen und Vorbereitungskursen für die MPU. Wer rausfliegt aus der Gesellschaft, darf mal so richtig abdrücken, und wer wieder reinwill, gleich nochmal.

Die Sauberer reiben sich ihre in Unschuld gewaschenen Hände. Sauber kalkuliert. Wem die Ratenzahlungen das Pfändungskonto auffressen, dem nützen 5 Euro mehr ALG II auch nicht. Und dem bleibt auch nichts für die Fahrkarte am Monatsende. Und das kostet dann nochmal, so daß die anschließend gestohlene Flasche Apfelkorn beim Lidl samt Fangprämie zumindest beim Frust auch nicht mehr groß zu Buche schlägt.

Dafür läßt sich jetzt das Geld für die sinnlosen Bewerbungen gleich einsparen und kann in die Ratenzahlungen einfließen. So finanziert sich die Schicht am und unter Sozialhilfeniveau selbst und den Gehilfenapparat gleich mit. Das Konzept dieser Drogenpolitik könnte von der Deutschen Bank stammen. Wer will denn da aufhören, sich bewegen?

Und was heißt schon Aufhören? Wäre schön, wenn der Schuldenberg, die fehlende Ausbildung und die Vorstrafen aufhörten, die Alpträume und Schnittwunden, wenn die fehlenden Eltern wieder da wären und die schlagenden Eltern wieder aufhörten. Wann hört das Aufhören endlich auf?

Nur wohin soll es gehen mit dem Karren?

Die Drogen brauchen zunächst Maßeinheiten, Reinheitsgrade, Namen. Sie brauchen entsprechende Verpackung, kein Staniolpapier. Sie brauchen Beipackzettel, voluminöser als das Medikament selbst. Ich habs schon verraten: wir brauchen Medikamente und keine Drogen. Wir brauchen sauber. Und richtig sauber macht nun mal nur die Pharmaindustrie. Mit Methadon, Ritalin und der Ärzteschaft hat sie es geschafft, die Drogensucht umgebungsfreundlich zu gestalten. Never mind the profit.

Sauber und nicht zu viel. Also alles in Maßen und dann auch nur von manchem. Ein Teller Pasta ohne Sauce, Salat ohne Dressing und das Wasser still. Wir brauchen keine Drogen mehr. Lustfeindlichkeit wäre hier vielleicht der falsche Begriff, wo uns 4-Meter-Flachbildfernseher jeglichen Zugang zu Kant und Bonsels verstellen, wo Glutamat alles Salz und Pfeffer im Schrank verrotten läßt, wo wir nicht jede Schokolade mögen und kein Leitungswasser trinken.

Nur ein Bier und nur am Freitag Abend, weil man sich nicht so daran gewöhnen möchte. Gelüstet mir nach etwas weniger, wenn ich weniger und nicht so oft davon habe? Warum nicht jeden Tag segeln, vögeln, fischen? Oder alles in Maßen, aber dann bitte von Allem. Zeit ist der größte Feind des Genusses, sonst hätten wir wöchentlich zehnmal Feierabend und könnten vierzigmal ausschlafen.

Wo wollen wir hin? Brauchen wir keine Drogen mehr? Kein Fleisch, kein Fisch. Ovolaktisch keine Milch mehr in den Kaffee, keinen Kaffee, keinen schwarzen Tee, keinen Zucker. Morgens die Biozitrone mit frischen Dillspitzen alleine auf dem Frühstücksteller, beschützt von einem Glas Wasser vom Vortag. Abends räkeln wir auf unserer milbenfreien Couch und die vom Garten ins Haus getragene Frischluft wird nur leicht zerrissen von einem Duft frischer Malve. Nach reichlich Lektüre und Muse schwebt unsere zu Leib gewordene reine Seele zu Tische und wir würdigen mit all uns gegebenen Sinnen die vom Hauch der Olive durchtränkte, in Scheiben zu neuem Leben erweckte Aubergine nebst frisch gepressten Orangen.
Sex nicht zu häufig aufgrund der starken Stimulation und Reize. "Ich brauch da oft Wochen bis ich mich wieder klar kriege." Und auch dann nur in Maßen.

Keine scharfen Gewürze mehr? Das gefällt nicht jedem. Das gefällt eigentich fast keinem. Nur sagen darf man es nicht. Das gebietet der Konsens. Eigentlich würde jeder mal gerne das eine oder andere, oder tut es sogar.

Wie können wir denn von Erlösung träumen, wenn die Guten aussterben und nur die Schlechten wiedergeboren werden?
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Dienstag, 25. Januar 2011
frei raus - der "turn through"
zum ersten mal, virginal. Jede Geburt ist für sich das erste mal und so schreibe ich zum ersten mal frei Hand ins Netz. Direkt und live:
Frei fliegt das Wort dahin ... in ein Nirgendwo. Hoffentlich trifft es auf Irgendwas. Das hoffe ich nicht für mich.

Wenngleich die Sprache wohl eher schon virulent ist, muss das für das Wort nicht stimmen. Schon gleich dreimal nicht für ein Wort auf seinem Weg ins Netz. Ge-bit-tet, digitalisiert, analogisiert, vercodet, noch nicht mal verpixelt.

Und doch irgendwie fast biologisch, setzt sich mein neuronales Zucken, nachdem es sich kurzzeitig auf meinem Bidlschirm abbildet, wieder um in Maschinensprache, in An/Aus, in Stromstöße, Kupfer- und Glasfaserkabel, in Funkwellen und Photonenblitze.

Es zündet und brutzelt auf allen Frequenzen ... aber wohin? Wodurch, ja, wodurch? Durch ein Kabel. Mager mager. Wo soll es da auch hin? Wundert wen, daß da ein nächtlicher Anruf bei der Telekom nach einem Kneipenbesuch oft mehr bewirkt als tausend emails ... nämlich die Sperrung.

Ich möcht jetzt mal einen kleinen Plan verraten ... durch ein kleines Kabel, decoded, zerlegt, hexadezimalisiert, kurz auch mal im FileAsociationTable verankert ... das ist mir unerklärlich, wie sich all die anderen gleichzeitig durch die Leitung quetschen ohne sich zu stören, hin und her, kreuz und quer und trotzdem kommt jeder wie bei einem Wunderbillard fast! sicher in der richtigen Tasche an.
Aber eben nur fast! sicher. Ein wenig Datenverlust wird dem Wort hier auch noch zuteil, bevor es reassembelt, wieder hergestellt wird. Das hat mit der Verschränkung von Quanten soviel zu tun wie meine Oma mit dem FC Anderlecht.
Und wie viel ist es dann noch von mir? Da wird es dann doch schon wieder quantentheoretisch, in welchem Wahrscheinlichkeitsraum ich dann gesagt haben könnte, daß ich es eine prima Idee fände, dem nächsten Konzern, der mich verarscht, frühmorgens mal ne richtig saftige Rotweinwurst vor die Haustür der Konzernzentrale zu scheißen. Wenn ich mir den Rest des Tages dann noch frei nähme, könnte ich auch noch die Presse einladen. Dann muß die Wurst aber auch einwandfrei klappen. Das kostet dann mal vielleicht fünfzig Euro, die ich mit der Vermarktung samt Fahrtkosten locker wegmache.

Aber wie gesagt: Meine Oma spielt beim FC Anderlecht und Herostrat war ein Grieche.
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Donnerstag, 20. Januar 2011
We leak
... heißt das, wir sind nicht mehr ganz dicht. Vermutlich heißt die aktuelle Kampagne von Anonymous deßhalb auch leakspin. Was sie sich zusammengesponnen haben ist, all die Informationen aus den undichten Stellen weit über das Internet zu streuen. Wenn uns die Medien querbeet nur noch Mist auftischen, sollten wir nicht darin verfallen, virtuelle Farmen bei Facebook zu managen.

Lesen Sie selbst nach, welche Depeschen und Videos über Wikileak ans Tageslicht geraten und machen Sie sich selbst eine eigene Meinung. Wenn Sie es so fürchterlich traurig macht, wenn Sie Zeitung lesen oder Nachrichten sehen, dann schauen Sie die nicht mehr an, sondern lesen bei Wikileaks, wie es auch sein könnte. Manche Artikel sind auch auf deutsch. Auf youtube werden Ihnen die Artikel auch vorgelesen - auf englisch. Lesen Sie nach wie Rationpharm seine Produkte an den Arzt bekommt, lesen sie nach wie dem BND die Datenspeicherung zum Verhängnis wird, sehen Sie, wer wie seine Steuern hinterzieht, wie die Welt dem exzessivem Drogenhandel in Kenia zusieht, wie Kinderpornographie funktioniert.
Und versäumen Sie keinesfalls, warum sich für Scientology die Regeln des Spiels geändert haben ;)
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Sonntag, 16. Januar 2011
Der kommende Aufstand
Warum sehen die Köpfe unserer Sozialhilfeempfänger etwas flachgedrückt aus und seitlich quellen die Pausbacken raus. Weil ihnen schlicht die Zähne fehlen, die ein schönes deutsches kantiges Gesicht doch auszeichnen.

Mit diesen Gesichtern und der gepaarten Dekadenz des restlichen Volkskörpers schrammen wir näher an der Antike vorbei, als mit dem Rest unserer Kultur. Ein demokratischer Nationalstaat hat mit dem römischen Reich herzlich wenig zu tun. Die innere Haltung seiner Bewohner ist es, die sich an Rom orientiert.

Man könnte den Gedanken verspüren, wir müssten ein wenig aufs intellektuelle Gaspedal treten, um uns aus der Flut und Behagelung der Information zu befreien. Mitschreien, was alle schreien, und sei es die Opposition, bringt nicht viel Neues. Wir benötigen einen kleinen Boost, kurz mal nachbrennen auf diesem Hürdenlauf.
Wir dürfen uns Reptilien gleich fühlen, die noch ganz durchgefroren vom Kalten Krieg. Jahrzehnte der Trägheit. Und wie aus dem Nichts springt uns Internet, Mauerfall und neue Weltordnung an und swir sind plötzlich Wutbürger, mit schäumendem Blut und massivem Bluthochdruck. Das ist nicht gesund und führt zum Schlaganfall. Vielleicht dann lieber mal runter vom Gas und einfach einen Ausfallschritt wagen.

Ich möchte mal darüber nachdenken, ob ich darüber nachdenken darf, ob ich laut darüber nachdenken darf, ob ich eine Staatsform auch ändern darf. ... und wie?

"Der kommende Aufstand" vom Unsichtbaren Komitee wird ja nun wohl rezessiert. Bei Amazon wird es wohlweislich im Verbund mit Ernst Jünger billiger angeboten - allerdings mit dem Waldgang und nicht mit dem Stahlgewitter. Im vollen Text und umsonst zu lesen bei
Indymedia: "Die Tatsache, dass der soziale Angriff der Eliten in den verschiedenen Staaten der westlichen Welt zusehends ähnliche Formen annimmt, kann eine derartige Positionsbestimmung über alte kulturelle Grenzen hinweg tragen. Die Vermessung und Verwaltung des Menschenmaterials kommt uns allen bekannt vor, auch wenn Dateien und Polizeien andere Namen tragen. Der Klartext hinter der Billig-Propaganda von Managern und Kriegsherren tritt international so klar zutage wie die Erfahrung sich verschärfender Ohnmacht angesichts der unbelehrbaren Arroganz der Macht."

Der Text spricht von eroberten Kasernen und gesprengten Gefängnissen. Der Aufstand ist schon fast vorbei. Also schnell noch schauen, wo sich die letzten Barrikaden finden lassen.
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Freitag, 7. Januar 2011
Futur II
Wir brauchen keine dritten Weltkrieg für einen neuen Futurismus.
ich bin ein soldat der arbeit. ich bin der enkel des reichsausschusses für arbeitsordnung.
ich bin der panzer, den mein Vater gebaut hat.
ich bin der genetische restcode der deutschen waffenschmieden.
ein hängengebliebenes packet, ein exportartikel im inland.
ich bin nicht kompatibel mit der gegenwart
ich brauch einen Fluchtfahrer, den rest erledigt das sondereinsatz-drink-team.
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Donnerstag, 30. Dezember 2010
Hallo Mama Silberfisch - Weihnachtsterror im Badezimmer
Ein paar Dimensionen größer und die richtige Nahrungszufuhr und ich säße heute in deinem Badezimmer, Mama Silberfisch. So aber hat die Natur mich dazu auserwählt, über die letzten Wochen deine Nachkommenschaft Tag für Tag zu dezimieren. Deine großen Urzeit-Augen durchforschen mein Gewissen. Du ausgewachsene Schmalspurvariante einer Kellerassel nimmst doch soviel Raum ein, daß sich ein fragender Blick erkennen läßt. Die Antwort kann ich dir nicht geben. Es passiert einfach. Nicht ich, sondern mein Reflex beugt sich nach unten und quetscht einen nach dem anderen weg.

Schmutz, der selbst verschwindet, wenn das Licht angeht, das wünscht sich doch jede Hausfrau - Schmutz, den es nicht gibt. Aber dann verheddert sich doch eines mal im Lichte meines Angesichts. Erst noch ein Silberfischchen und im Anschuß weder Fisch noch Fleisch. Euer Tod ist für uns nicht mehr als eine verschmierter Schimmer, eine Pigmentstörung.

Das würde ich als Strategie der Unachtsamkeit und Intolleranz bezeichnen. Mord aus Gleichgültigkeit, geplant im Affekt, aber doch irgendwie nur Totschlag, eine nachträgliche Herabwürdigung des Opfers - Kategorie A.
Aus meiner Sicht nach die verwerflichste Art des Tötens. Verwerflicher noch als Tiere zu töten, um sie zu essen - welches ich als Kategorie B bezeichne. Tötung mit einer Absicht, einem Ziel und einem, wenn auch fernem, Beweggrund des Hungers. Und ohne Fleisch wäre das Überleben auch möglich.

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die gezielte Tötung einer störenden Person, wie der Zeugenmord, fast eher als Kavaliersdelikt. So im Fall des Kinderhändlers Dutroux: "Bisher sind mindestens 17 Personen aus dem Umfeld der Ermittlungen ums Leben gekommen: Eine Sozialarbeiterin starb bei einem Autounfall; sie hatte zuvor Todesdrohungen bekommen. Ein Polizeiinformant fiel plötzlich tot um. Eine Frau, die über Dutroux aussagen wollten, wurde erwürgt aufgefunden. Die Bekannte seines Komplizen fand man erhängt. Ein Verdächtiger raste gegen ein Haus und starb. Der Schrotthändler, der Dutroux' Tatfahrzeug zerlegte, wurde vergiftet. Die Ehefrau des Schrotthändlers verbrannte im Bett. Und der Staatsanwalt, der die Anklage gegen die Kinderschänder formulieren sollte, beging angeblich Selbstmord." Eine klassische Kategorie C.

Die Ermordung des italienischen Wirtschaftsprofessors und Silberfischchens Marco Biagi, der eher im Umfeld der Strategie der Spannung, als bei den Roten Brigaden anzusiedeln ist, wäre demnach eventuell eher eine Kategorie B. Das Objekt stört nicht, aber die Tötung bringt einen Nutzen. Diesmal nicht Hunger, sondern Terror. Und der ist zum Überleben wichtiger als Fleisch.

Wer sich sowas ausdenkt, kann trotzdem sterben ohne in eine der Kategorien zu fallen, wie im Falle des Susurluk-Skandals. Bei diesem Unfall kamen Hüseyin Kocadag, der stellvertretende Polizeipräsident Istanbuls, Abdullah Çatli, ein führendes Mitglied der rechtsextremen Partei Graue Wölfe und steckbrieflich gesuchter Drogenhändler und Mörder, sowie dessen Lebensgefährtin, die ehemalige Schönheitskönigin Gonca Us ums Leben. Der Parlamentsabgeordnete der DYP und Führer von mehreren Dorfschützereinheiten Sedat Bucak überlebte schwerverletzt. Nicht nur das Auffinden dieser Personen in dem Autowrack verstärkte die Diskussionen über die Verstrickung des türkischen Staats in illegale Machenschaften (siehe Tiefer Staat), zusätzlich wurden sechs gefälschte Pässe (mit jeweils verschiedenen Namen), mehrere tausend US-Dollar, ein Päckchen Rauschgift, Waffenscheine und mehrere Handwaffen mit Schalldämpfern in dem Wrack gefunden und sichergestellt. Laut Prüfungsberichten gehörten diese Utensilien Abdullah Çatli, welcher u.a. durch die Erschießung von sieben sozialistischen Studenten im Jahre 1978 und durch Fluchthilfe für den Papstattentäter und Mitglied der türkischen Counter-Guerilla Mehmet Ali Agca aus einem Militärgefängnis in Istanbul im Jahre 1979 schon vorher juristisch aufgefallen war.

Da wundert es auch nicht zur Weihnachtszeit, sollten solch Kategorielose hinter dem Oktoberfestattentat stecken, am Ende gar der Bund Deutscher Jugend. Leider können wir die Silberfischchen nicht mehr fragen, die diese Kategorie B nicht überlebt haben.

Even paranoics have enemies.
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Sonntag, 19. Dezember 2010
Tief lagert das Virus ...
... in vielen von uns. In uns, die wir schmutzig und schlecht sind. Man könnte die Welt aufteilen in Verlierer und Gewinner, in Vergewaltiger und Vergewaltigte, in Mißbraucher und Mißbrauchte. Wer steht in Stuttgart 21 vor dem Wasserwerfer und wer sitzt hinter der Steuerkonsole?
Auf der einen Seite die Wut und Verzweiflung, und auf der anderen Seite, den Rücken zugewandt, der Abspritzer, das Schwein in seiner satten matten Ruhe, in seiner friedvollen Entleerung.
Uns aber fehlt das Quäntchen oder mehr.
Wie gesagt: Nach der Theorie des Buddhismus dürften eigentlich nur noch die echten Arschlöcher unter uns Fleischlichen weilen. Ich bin eine gute Bombe. Ich flehe darum, entschärft zu werden, bevor es mit mir rumms geht. Besser für ich und besser für meine Streuzone.
Auf des Messers Schneide wandeln, mit dem Speedboat die Dhonau abwärts. Jungs, mit euch würd ich mal gern Schlittenfahen gehen. Laufen muss er euch, der Schweiß, der Angst, der euch auffrisst. Denn ... ich bin die gute Bombe und der Schatten ... ich bin der psychische Wirbelwind, das Atlantiktief, das euch erdrückt, ich bin die lebenslängliche Bedrohung. Ich bin die Mehrheit der Minderheit. Ich bin der Ficker der Gefickten, ich bin der Enkel jener Trümmerfrauen, ich bin der reziproke Hebel der Sozialkürzungen. Ich bin ein Ausschneidertypus, aber sehr geehrte Damen und Herren, ich bin auch ein Mitnehmer, ein Sammelsurium ;-)
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Freitag, 17. Dezember 2010
Ave Miraculum - ich kauf mir keine Winterschuhe
Oh Sonnenschein, Miracolix, der Wundertrank! Sie sitzt mir gegenüber, aber oh Schreck, zum ersten mal sehe mit meinen Augen, daß Menschen zu mehr als 90 Prozent aus Wasser bestehen können. Sie ist ein Eiszapfen. Ein Bohrkern, frisch aus der Antarktis. Kristaline Gefühle.
"Christine?!" ich lach mich tot. Mein Kopf wird umnebelt von Frosthauch - passend zum Waldrand, den wir gerade passieren. Die kristaline Christine bezirzt mich mit ihrem zapfigem Haar und dem Klirren der gefrorenen Miene.
Die Umrisse bleiben aber unscharf, weil sie dampft wie ein Kühlschrank. Oder ist es ... ups ... ihr Hund, unter dem Sitz ein dampfendes Knäuel in Wasser und Split.

Ich werde warten bis sie zerfliest und mich bis zur Endstation in meiner Eigenschaft als Pfütze an ihren Hund kuscheln. Mein Blick verfängt sich an unseren beiden Pärchen Sportschuhen, so unpassend für den Winter wie die S-Bahn in der sie sich befinden. Ihre schon etwas ausgetretener als meine und kleiner - formlos verquollen und zerfressen von der Eishölle aus Wasser, Frost und Salz - aber beide pärchen-blaue Sneakers. Eine revolutionäre Weigerung die Realität des Winters anzuerkennen, mehr Inhalt als Form. Mehr Berg als Eis?
Ich fange an zu träumen.

Ein Gedanke an das Universum. Wie wahr. Ein teilchenphysikalischer Feldversuch durch eine Laien, dank dessen, daß mein Gehirn scheinbar nur ein Filter, der uns vor der Wirklichkeit schützt, aber dennoch ausgerüstet diese Wirklichkeit selbst zu steuern. Vor mir die Vision, eines Wasserkörpers mit einer Speicherkapazität von Billiarden Q-Bits und eines Supergehirns mit Holodeckfunktion, stelle ich mir meinen Eisblock fein gekleidet vor mit glühenden Augen. Über ihrem samtenen Rücken legt sich der lila Schatten ihres Abendkleides in der Abendsonne, die mit den Wellen an den Strand getrieben wird. Und mit ihrem Schatten legen sich auch ihre hauchdünnen Seidebeine ...

"Umgekehrt bedeutet diese Korrespondenz aber auch, dass die korrekte quantenmechanische Beschreibung eines Systems, inklusive einiger nicht-klassischer Effekte wie etwa des Tunneleffekts, oft näherungsweise mittels klassischer Begriffe möglich ist; solche Näherungen erlauben oft ein tieferes Verständnis der quantenmechanischen Systeme. Man spricht hier auch von semiklassischer Physik. Beispiele für semiklassische Beschreibungen sind die WKB-Näherung und die Gutzwillersche Spurformel."
Wikipedia

Manche kennen die quantenmechanischen Effekte wie Tunneleffekt und Spurformeln nach diversen Saufgelagen. Und nicht nur hier zeigt sich die dunkle Energie dieser Mikrophysik.

"Whats the matter?" fällt sie mir in meinen aufsteigenden Blick und in dieser kristalienen Melange fällt mir für diesen Fall der Fälle nicht mehr ein als der Verliererspruch des Monats: "There is no matter as we run the holodeck. Time and matter dont matter. Our love must stay intangible."

Was in Größenordnungen von 10 hoch -35 stimmen mag, hat bei 10 hoch - 5, auf der makrodimensionellen sexualtechnischen Ebene katastrophale Auswirkungen. Aus Eis wird Fleisch und aus Traum wird Wirklichkeit. Aus Christine wird die aus Dingsda und aus einer Wahrscheinlichkeit eine Möglichkeit. Sie entzieht mir noch einen letzten Blick, steigt aus und ist weg - mit Hund.

Ich lese bis zur Haltestelle aus Protest eine liegengelassene Bild-Zeitung - was mich ungefähr auf eine Größenordnung von 10 hoch Null bringt. Ich muss noch trainieren.
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Montag, 29. November 2010
Ad stipe et patibulum*
So, der Anfang wäre mal geschafft. Das gemeine Volk ächzt und stöhnt eher weniger als es sich in den Weihnachtstaumel wirft, sich mit dem ganzen angefettetem Körper gegen das Gefühl stemmt, dass die Krise erst noch kommen wird. "Mich wird es schon nicht treffen." Na dann viel Glück, denn das Leben ist wie das Leben und das endet mit dem Tod.
Wochenarbeitszeit hoch und zwei Jahre länger zur Rente (volkswirtschaftlich die logische Konsequenz einer hohen Arbeitslosikeit), die Löhne immer etwas weniger anheben als die Inflation. Wirtschaftskrise muss nicht immer schaden und insbesondere nicht jedem. Bald wird die Putzfrau so billig, daß es sich gar für Niedriglohnempfänger lohnt.

Mit Nero an der Leier, der alten Leier, brennen wir die gute Atmosphäre nieder. Anfangs nur ein ungeplantes Zündeln, inzwischen volle Breitseite - Flächenbrand. Ob nachmittags am S-Bahnhof in Sendling oder morgens in der U-Bahn. Prügeleien und Totschlag. Terrorgefahr bei jeder Versammlung mit mehr als 10 Teilnehmern. Angst vor Verlust der Arbeit, sinkende Löhne, Weltwirtschaftskrise. Und zeitgleich die große Tombola der Freilosfraktion:

Natürlich hab ich mir heimlich ins Fäustchen gelacht, als die bewaffneten Staatsdiener in Stuttgart in der Ninja-Turtle-Verkleidung den gehobenen Bürger sozusagen zum Staatsverdruss prügeln mussten. Ohne blutende Schulkinder hätte er seine Treue wohl nie über Bord geschmissen, jener Staatsbürger-Mob, der sich geflissentlich noch eine Bahnsteigkarte kauft, bevor er den Bahnhof stürmt.

Warum also fällt S21 und der Castor unter den Begriff Staatsterrorismus? Weil das gezielte Abfackeln der Volkswut an Schauplätzen wie Stuttgart den drohenden Flächenbrand kanalisiert und dem Unfrieden kontrolliert entgegengewirkt werden kann. Weil dies eine der ersten Stufen auf der Treppe zur Strategie der Spannung ist.



Welch eine tragische Parallele, daß zeitgleich der frühere Chef des Foltergefängnises Toul Sleng in Phnom Penh, genannt S21, zu 35 Jahren verurteilt wird.


*Der aufrechte Teil des Kreuzes (Stipes) und der Querbalken (Kreuzarm oder Patibulum)
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Dienstag, 23. November 2010
Die goldene Veronika und der heilige Filz
Ich kann schon verstehen, wenn sich viele Politiker aufgrund des massiven Bürger-Mobbings frühzeitig aus dem öffentlichen Amt zurückziehen und sich privaten Interessen widmen. Daß sie sich hierbei an bekannten Dingen orientieren, wird jedem einleuchten, der schon mal eine Bewerbung geschrieben hat.

Die Die Goldene Victoria wird von den deutschen Zeitungsverlegern an große Persönlichkeiten verliehen. Sozusagen als 1.Advent des wirtschaftlichen Hedonismus (denn ein echter Hedonist ist nur wer es auch auf Kosten anderer tut) zeigt uns hier die Bundespropagandamaschine dicht gedrängt, was sie im Gruselkabinett der Moral und des Anstands so zu bieten haben:

In einer "Ich-machs-mir-selbst-"Nummer ehren sich die Bertelsmänner erstmal selbst.
Liz Mohn von Bertelsmann darf sich die "Integrations-Victoria" auf das von Bertelsmann verlegte Machwerk von Sarazzin stellen. Und nicht so unpassend adelt sie unser guter Yogi Löw in seine Laudatio mit den Worten, sie könne aus dem Nichts Feuer entfachen. Ja, das ist Bertelsmann, stetig bemüht auch die extremen Kräfte wie Sarrazin in die Gesellschaft zu integrieren. Den Zugpferden der neokapitalistischen Leitkultur ein Stallherr und Kutscher zu sein, das ist die Bestimmung der Leitgene, der Doppelhelix der Familie Mohn.

Edmund Stoiber ehrt seinen neuen Boß Jose Barroso. Wikipedia: "Stoiber wurde nach seinem Rücktritt vom Amt des Regierungschefs von José Manuel Durão Barroso angeboten, eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zum Abbau der Bürokratie in der EU ehrenamtlich zu leiten. Seit 19. November 2007 ist Stoiber in Brüssel Leiter dieser EU-Arbeitsgruppe, die Industriekommissar Günter Verheugen unterstellt ist."
Letzterer läßt ich nun nicht mehr sein Zweitbüro mit einer halben Millionen jährlich bezuschussen wie Herr Stoiber (Abendzeitung), sondern hat seine eigenes Lobbybüro gegründet.

Joachim Gauck bekommt seinen Abschiedspreis,die Silbermedallie vom Gewinner des Bundespräsidentenamtes Christian Wulff überreicht. Mit ihrem Trauzeugen und Sommergast Wulff mitgereist kamen Carsten Maschmeyer und die ebenso goldene Veronica Ferres.

Warum hat Roland Koch keinen Preis bekommen für seinen Karrieresprung als Vorstandsvorsitzender beim Baukonzern Bilfinger Berger und nun auch bei der Schweizer Großbank UBS? Es benötigt einige sprachliche Akrobatik und einen quantentheoretischen Ansatz, um zu erklären, warum eine Bank einen Konsumverweiger wie Koch (hat den Kauf von SteuerCDs abgelehnt) überhaupt noch eine Chance gibt und warum Bilfinger Berger die neue Startbahn des Frankfurter Flughafens bauen muss und nicht an Stuttgart 21 beteiligt ist? Da baut schließlich Lothar Späth mit seiner Firma Herrenknecht - der Name steht für das übergeordnete Konzept.

Wenn die Goldene Victoria nicht die Eröffnungsveranstaltung von Lobbypedia ist, wäre es nur sinnig sich Lobbycontrol als PR-Initiative und Jobbörse von scheidenden Politikern finanzieren zu lassen.
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Dienstag, 9. November 2010
Geistiges Eigentum ?
Wo will man da ansetzen? Vielleicht bei Mercedes, wobei das Auto über den Vornamen, eine uruguayanische Landeshauptstadt und eine phillipinische Staatsgemeinde gesiegt hat?
Ein gutes Beispiel für die Theorie, daß geistiges Eigentum vorwiegend aus einer Bildersammlung von Wixvorlagen besteht, die sich biologisch an der Hirnrinde manifestieren. Und der Rahmen dieser Bildersammlung schnitzt sich aus dem Mangel an Gewissen und Unrechtsbewußtsein.

Als Vornamen für Jungs zugelassen ist Hauke und Chelsea, aber nicht Carlson. Für die Mädels geht Bavaria und Kaur, aber nicht Borrusia. Sunshine und Noelle kann das Mädchen heissen, Pumuckl und Speedy aber nur als zweiter Vorname. Um sich im Stand nicht zu verlieren sind Lord, Ritter, Prinzessin, Alpha, Che und Jesus verboten. Einzig Roi bietet da ein kleines Schlupfloch. Zum Glück sind auch Stompi und Stone, sowie Hemmingway und Heydrich bisher nicht erlaubt.
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Freitag, 24. September 2010
"Gebauer, wo sind die Weiber ?!" - Die Arroganz der Macht
... besteht in ihrer Definitionsgewalt der Realtität. Und da definiert der Duden oft mehr als der Kanzler.

Es sind Konzerne und ihre Handlandlanger, die hier gestalten, was in der Bevölkerung - zumindest in meinem Umfeld - als radikaler sozialer Kahlschlag empfunden wird. "Eigentlich müsste die Verfassung, nach der der Kanzler die Richtlinien in der Politik bestimmt, geändert und durch die Bertelsmänner ersetzt werden. Das würde der Wirklichkeit viel eher entsprechen." Politik wird sozusagen gleich nebenan gemacht: im Centrum für angewandte Politikforschung im schönen Bogenhausen. Da hätten wir dann auch gern die flächendeckende demokratische Videoüberwachung.

Die Umgestaltung der deutschen Sozialsysteme durch Verschärfung und Privatisierung, wie sie gerade stattfindet, ähnelt in ihrer Vorgehensweise der aktuellen amerikanischen Politik im Nahen Osten. Es geht um die effizientere Ausbeutung von Mensch und Material, um die langfristige Absicherung der Interessen einer ökonomischen Elite.

Vermutlich kennen Sie den Minijob. Aber kannten Sie den Midijob, der bei 400 - 800 Euro lag. Damit befinden Sie sich in der sogenannten Gleitzone und wie es da so ist, können Sie mit dem Gleitzohnenrechner simulieren. Es scheinen hier große Mißverständnisse von Recht und Unrecht entstanden zu sein. Es sind nicht die Sozialhilfeempfänger, die auf Kosten des Steuerzahlers einen faulen Lenz machen, sondern es sind die Reichen, die auf Kosten der Armen (und deßhalb sind diese arm) leben und ihnen zuletzt auch noch das Recht auf Arbeit nehmen.

Die Ausweitung des Mainzer Kombilohnmodels auf die komplette Kampfzone, Abbrennen der Flächentarife, die Abgabe der staatlichen Rente an die Allianz der Riester-Biester, Privatisierung und Auslagerung an den Steuerzahler: die nächste Stufe der Selbstbedienung ist der arbeitende Kunde ...

Viele scheinen dem Spielplan nicht zu folgen. Wir sind nicht mehr in der Vorrunde. Und wie bei der Handball-WM werden die Punkte in die Hauptrunde mitgenommen. In der Vorrunde fällt noch keiner durchs soziale Netz. Hauptrundenmäßig wird es aber für viele zunehmend unwahrscheinlicher, daß der nächste Urlaub am Strand von Rimini stattfinden könnte. Für viele wird es Balkonien werden.

Warum immer dem großen Bruder Amerika folgen, wie inwischen auch alle anderen europäischen Länder. Wir brauchen keinen Mindestlohn, wenn wir endlich aufhören, die Arbeit unter der Armutsgrenze mit Sozialhilfe aufzustocken (heute wäre es sinnigerweise übrigens eine Aufstockung der Lohns durch Arbeitslosenhilfe).Und dieser Wegfall der Stütze für vollzeitbeschäftigte Arme entspräche exakt der CSU-Forderung nach dem Anreiz zur Aufnahme einer besserbezahlten Arbeit (siehe hierzu die Bundesbedürfnisanstalt). Daß der Teich bereits leergefischt ist, zeigt uns bei diesem Angelwettbewerb deutlich, daß der Vorrundencharakter der Vergangenheit angehört. Wir sind jetzt in der ko-Runde und deren vornehmliche Charaktereigenschaft ist prekär (sprich: post-care).

Ich kann sie mir aber gut vorstellen, diese wichtigen Herren in Anzug und Krawatten (oder auch "Nieten in Nadelstreifen") an Glastischen bei stillem Wasser und Kännchen Kaffee. In ganz lockerer US-unternehmerischer Art, manche auch ohne Schlips, lassen sie ihre geballte, auf teuren Seminaren erarbeitete Kreativität wirken, um die Konzepte der Zukunft zu entwickeln.
Selbst zwar keine Ahnung vom Tuten und Blasen und selbst bei Fieber liegt der soziale IQ noch unter der Körpertemperatur, aber immer kräftig an einer Kultur meißeln, die aus Dessous-Werbung mit willigen, magersüchtigen Models an Bushaltestellen und Pornos im Abendprogramm, aus 300 Leichen und Gefolterten auf 25 Kanälen zwischen 18 und 19 Uhr, Alkoholwerbung zu jeder Sportveranstaltung, dem zynischen Abzocken durch Politiker und Firmenleitungen, einem zyischem Kapitalismus gepaart mit einer unglaublich verlogenen Moraltität besteht. Und als Krone auf dieser fauligen Moral sitzt die Bestürzung und Betroffenheit über die entsprechend handelnde Jugend.

Dem möchte ich den Artikel "Peter Hartz vor Gericht" aus der konservativen Faz-Net vom 15.01.07 anschließen:
" ... Hartz und Schröder. Da haben Wirtschaft und Politik zusammengefunden. Eine Versöhnung der Gegensätze zum Wohle aller Bürger. Ganz so wie Hartz und Volkert bei VW nichts als das Wohl ihrer Belegschaft im Sinne hatten. Jedes Jahr im April verhandelten die beiden die Boni für die leitenden Angestellten. Über das Geld für Freund Volkert entschied Hartz allein. Der Personalvorstand hat einen Betrag vorgeschlagen, Volkert stimmte zu. „Klaus, wenn du nicht im Betriebsrat wärst, dann wärst du bei uns im Top-Management“, soll Hartz gesagt haben.
Die zwei zelebrieren auf Augenhöhe die Vereinigung von Kapital und Arbeit. Der Bonus verwandelt den Gewerkschafter in den Co-Manager, von Gnaden des Managers, der eigentlich ein Gewerkschafter ist. Das ist in deutschen Unternehmen so üblich. Bei VW wird es nur ganz besonders sichtbar. „In Wolfsburg kann keine Maschine ohne Zustimmung der Arbeitnehmer verschoben werden“, registrierte der frühere VW-Chef Carl C. Hahn. Der Personalvorstand heißt Arbeitsdirektor und wird von den Arbeitnehmern bestimmt. Karl Marx hat sich das alles ein bisschen anders vorgestellt. Adam Smith auch. Nur die Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Nationalsozialisten träumte schon in den 30er Jahren von einer derart versöhnten Betriebsgemeinschaft."

Da haben die Top-Manager bei ihren betrieblichen Puffbesuchen doch auch mal was für die Arbeit mitgenommen und ganz im Sinne von Telefonsex die kostenpflichtige Kundenbetreuung eingeführt. Vom Verkäufer im Laden, dem ich noch die schlechte weil neueste ACDC-Platte um die Ohren hauen konnte, sind wir inzwischen angekommen bei ... der Telekom mit 0800-Nummern, auf denen man über Tage niemanden erreicht (weil der Ansturm auf das neueste Produkt so unerwartet groß ist) und ihrem Schwester-Produkt der kostenpflichtigen 01805, mit der ich im gleichen Nirvana lande. Ein Vorstand also, der den Betriebsrat in den Puff schickt, eine Telefongesellschaft, die telefonisch nicht zu erreichen ist, eine Sozialdemokratie, die ihren dicken Wanst dem Mindestlohn entgegenstreckt.

Dazu noch ein paar Kleinigkeiten wie den Gallup Corruption Index 2006 bei dem Deutschland auf Platz 48 liegt, zusammen mit Mali, Mexiko und Mozambique, allerdings noch hinter Südafrika, Niger, Burkina Faso und Bolivien. Und irgendwie macht es auch Sinn, daß dies von Bertelsmann und unseren Medien ganz anders gesehen wird.
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Donnerstag, 9. September 2010
Die Zeit in der Krise
Sie zieht und presst sich durch den Raum. Manchmal einen Radschlag, manchmal einen Rat - letzteren eher geraten. Sie rettet sich über die Runden, kämpft mit den eigenen Einheiten, quält sich über die Zeitlinie. Die Zeit dreht am Rad ... nicht ganz so locker wie Maren Gilzer am Glücksrad. Die Zeit ist nicht mehr flüssig. Verkalkt und arthrotisch wird jedes Fortkommen zur Qual.

Solidarisch stellt das no-movement-movement das Sofa auf das Trottoir. Mal schnell den August geköpft und die erste Ladung vergorene Gerste ins Gsicht. Keine Bewegung!!! Wir besetzen die Zeitschiene, ketten uns an sie.

Unser Dienst am Volk beginnt nun Montagmorgen auf der Couch am Strassenrand. Mit wehenden Fahnen und dem Bier in der Hand flankieren wir die Helden der Arbeit auf ihrem Weg an die Front. Wir sind die Prekären, die den Soldaten des Kapitals die Kinder hüten, die den Doppelverdienern den Rücken freihalten.

Im Herzen des Lohndumpings hat das Kammerflimmern ein Ende gefunden und der freudige Herzmuskel hat seine Eurythmik eingestellt. Die Zeit dreht am Rad, aber das Rad befindet sich nicht mehr am Wagen. Der Staatsgedanke rumpelt noch ziellos vor sich hin, seine Einzelteile jedoch haben sich für den Stillstand entschieden. Die Portraitaufnahme von Schland zeigt einen abgetrennten, stinkenden Fischkopf. Der Rest ist eine Explosionszeichnung. Das Spiel ist aus - wir warten auf die dritte Halbzeit.
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Mittwoch, 8. September 2010
Nachschlag Mittelmaß
Mittelmaß ist die Mass dazwischen. Die zweite zwischen der ersten und dritten, die dritte bei fünf Mass. Mittelmaß ist eben die Halbzeit bei mehreren Vollen.
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