Ad stipe et patibulum*
So, der Anfang wäre mal geschafft. Das gemeine Volk ächzt und stöhnt eher weniger als es sich in den Weihnachtstaumel wirft, sich mit dem ganzen angefettetem Körper gegen das Gefühl stemmt, dass die Krise erst noch kommen wird. "Mich wird es schon nicht treffen." Na dann viel Glück, denn das Leben ist wie das Leben und das endet mit dem Tod.
Wochenarbeitszeit hoch und zwei Jahre länger zur Rente (volkswirtschaftlich die logische Konsequenz einer hohen Arbeitslosikeit), die Löhne immer etwas weniger anheben als die Inflation. Wirtschaftskrise muss nicht immer schaden und insbesondere nicht jedem. Bald wird die Putzfrau so billig, daß es sich gar für Niedriglohnempfänger lohnt.

Mit Nero an der Leier, der alten Leier, brennen wir die gute Atmosphäre nieder. Anfangs nur ein ungeplantes Zündeln, inzwischen volle Breitseite - Flächenbrand. Ob nachmittags am S-Bahnhof in Sendling oder morgens in der U-Bahn. Prügeleien und Totschlag. Terrorgefahr bei jeder Versammlung mit mehr als 10 Teilnehmern. Angst vor Verlust der Arbeit, sinkende Löhne, Weltwirtschaftskrise. Und zeitgleich die große Tombola der Freilosfraktion:

Natürlich hab ich mir heimlich ins Fäustchen gelacht, als die bewaffneten Staatsdiener in Stuttgart in der Ninja-Turtle-Verkleidung den gehobenen Bürger sozusagen zum Staatsverdruss prügeln mussten. Ohne blutende Schulkinder hätte er seine Treue wohl nie über Bord geschmissen, jener Staatsbürger-Mob, der sich geflissentlich noch eine Bahnsteigkarte kauft, bevor er den Bahnhof stürmt.

Warum also fällt S21 und der Castor unter den Begriff Staatsterrorismus? Weil das gezielte Abfackeln der Volkswut an Schauplätzen wie Stuttgart den drohenden Flächenbrand kanalisiert und dem Unfrieden kontrolliert entgegengewirkt werden kann. Weil dies eine der ersten Stufen auf der Treppe zur Strategie der Spannung ist.



Welch eine tragische Parallele, daß zeitgleich der frühere Chef des Foltergefängnises Toul Sleng in Phnom Penh, genannt S21, zu 35 Jahren verurteilt wird.


*Der aufrechte Teil des Kreuzes (Stipes) und der Querbalken (Kreuzarm oder Patibulum)


jean stubenzweig am 08.Dez 10  |  Permalink
Ja, leninesk.
Zur Putzfrau: «Daher sind einige Dinge hier teurer, denn auch der Klempner, der Friseur, die Supermarktkassiererin haben Anspruch auf den Mindestlohn.»

À propos Dänemark. Das nächtliche (wie anders?) Bildungsfernsehen erzählte mir dieser Tage, die BRD sei mittlerweile zum Billiglohnland geworden, in das man aus dem europäischen Ausland Lebensmittel zum Zerteilen einkarre und als Einzelteile wieder zurück, wo sie dann das Fünffache aufwärts kosteten. (Noch) anders als der Weg der leckeren Krabben.

einemaria am 09.Dez 10  |  Permalink
Die vorausgegange Fallhöhe
... kann man nur vermuten, wenn jemand einen "Mindestlohn" fordert. Ich zumindest möchte den Maximallohn - unverhandelbar, selbst hier in der Hölle des Lohndumpings.