Freitag, 17. August 2012
Der Tod ist eine Endung - Kapitel 1 Absatz 6
Das entlegene Waldstück ruft in mir das Bild eines europäischen Dschungels hervor, bedroht von wilden Tieren wie jenen Restfaschisten der bleiernen Zeit und Krankheiten wie dem Evola-Virus, einem so eugenischem Umfeld, dass es sich am liebsten selbst ausrotten würde, in dem auch Unmenschen wie ich nicht von langer Dauer sind. Es gibt Menschen, die dem Leben gegenüber so feindlich orientiert sind, daß sie nicht die geringste Angst um ihr eigenes zu haben scheinen. Damit meine ich nicht die Verzweiflung, die so manchen dazu bringt, sich selbst in die Luft zu jagen, sondern jenen Ethos der im ersten Weltkrieg ganze Wellen von willigem Kanonenfutter aus den Schützengräben trieb, menschliches Springkraut, um die Felder mit Blut zu besamen. Eine DNA-Masse, der es nicht um sich selbst, sondern um eine Idee geht.
Nur fehlt mir die Zeit, zu ergründen, welche Idee, da wir den von einer Kirchenruine beherrschten Dorfplatz erreicht haben.

Seit Vincenzo den Schlüssel aus dem Zündschloß gezogen hatte, ist es so still, daß mich der Ruf des Käuzchens zusammenzucken läßt. Kein Hundegebell in einem Dorf wie diesem? Wer Leichen vergräbt hat allen Grund dazu, sich solche Erdwühler fernzuhalten. Selbst wenn. Auch schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Wir folgen dem zitterndem Lichtstrahl einer Taschenlampe in das schwarze Nichts, Steintreppen hinauf, wo uns das Knarren einer massiven Doppelflügeltür empfängt.
"Cemut?"
"Cemutstat?"
"Beng."
"Veng dentro?"
Seine Stimme ist, der Umgebung entsprechend, ruhig und dunkel. Die Luft ist von brennendem Buchenholz geschwängert und ich fühle mich, begleitet von einem unergründlichem Schauer, schon vor Betreten wie zuhause.

Durch ein von schweren Scharnieren getragenes Tor betrete ich den Mikrokosmos der Soldaten der Neuen Rechten. Hier trifft sich Aktuelles mit Vergangenem. Gladio und die NSU, die Zeit des Nationalsozialismus und die durchgehende, weltweite Unterstützung von rechten Diktaturen durch das von der Geschichte gequälte Mitteleuropa. Das menschenverachtende Prinzip, eine eigene, abgegrenzte, sich aus sich selbst heraus nährende Sonderethik, und jene zu tiefst deutsche, pragmatische Gründlichkeit.

In den vom Widerschein des offenen Kamins glühenden Gesichtern sehe ich die züngelnde Flamme der Querfront, den Klonen Host Mahlers, Bruder Teufel, den Franziskaner in den Uniformen der Ustasha, die Bruderschaft der Kreuzzügler mit dem Serbenschneider an der Hand.

Der gute alte Macchiavelli, dessen Analyse ihm nun das Gedankengut anhaften läßt, muß Deutscher gewesen sein. Nietzsche, der deutsch-italienische Robert Michels, doch eigentlich deutsche Franzosen wie Georges Sorel, die uns die französische Revolution in die Hände trieb, der Marxismus als rechtfertigendes Schutzschild, als Mutter-Theresa-Orden für alle, die den Menschen als Tatwaffe sehen, die junge Freiheit, das anarchische Element der Freiheit, zu was auch immer, und der Elitengedanke für alle, die keine Eier in der Hose haben, oder wie Hitler nur eins. Ein Fanatismus zur Idee, der nichts in seinem Weg duldet. Jener Schienenstrang, der eigentlich immer nur Vernichtung gebracht hat, der nur eine Richtung kennt, und ginge es ins Nichts.

Bei allem Mißtrauen, das manch einer dem Verfassungsschutz und der Exekutive gegenüber angedeihen läßt, wird ausgeblendet, daß sich die Auswüchse dieser Art von Ideologie zumeist aus den Kräften der Legislative heraus nähren. Ohne die Exekutive von ihren Taten freisprechen zu wollen, sind sie in solchen Situationen oft mehr das Frontschwein als die treibende Kraft im Hintergrund. Der Nährboden auf dem Vernichtungsfeldzüge und jede Abart des Genozids heranwachsen waren und sind Politik und Religion, jene Fädenzieher und Puppenspieler, die sich die Hände selbst lieber nicht schmutzig machen. Karrieristen wie Martin Luther auf der Wannsee-Konferenz.
Es sind also nicht nur jene, an denen Blut klebt, die Helfer und Helfershelfer, wie die SS-Schergen und die Häftlinge mit dem grünen Stern, sowie der stellvertretende Diktator, ihr Gegenstück an der Spitze, sondern jene unsichtbare Befehlskette, jene Bürokraten und eigentlichen Schöpfer der Todesmythen, die willfährig und oft mit größtem Einfallsreichtum sich daran machen, die Massenmorde und den Terror in die Wege zu leiten. Sachbearbeiter und Bürostuten, die ihr langweiliges Dasein mit einer Idee auszufüllen versuchen.
Für die Ideologien und Grundlagen, zeichnen oft ganz andere verantwortlich. Eugeniker und Finanziers, die ihr Organisationstalent mit Haut und Haar in den Dienst der Greuel stellen, um ihren Blutdurst oder ihre Geldgier zu befriedigen. Menschen, die sich eher nicht in kleine Bergdörfer verlieren.

Und so tafeln und bechern wir nun mit den Handlangern, den Händen dieses Monstrums, in gemütlicher Atmosphäre, mit den von Adrenalin und Futurismus getriebenen Tätern, jenen, die sich ungehemmt von Familiengründung und Karriere, in den Dienst der direkten Aktion stellen, dem eigentlichen Fußvolk des Terrors. Für uns die besseren Gesprächspartner ... weil man sich eben hilft.
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