Donnerstag, 4. August 2011
Die Monopolisierung der Leistungsverweigerung
Oh je, oh je, jetzt ist es wirklich mal passiert. Fahrkartenkontrolle und Betriebsstörung in einem. Betriebsstörung aber meinerseits. Ich weiß nicht, ob die Karte schon vorausgefahren war, oder mit ein wenig Verspätung nachkommt. Das ist eine Sache des Blickwinkels.
"Haben Sie gestempelt?"
"Monatskarten werden nicht gestempelt."
"Ich frage Sie nochmals. Sind Sie im Besitz eines gültigen Fahrausweises?"
"Ja," sag ich, "aber ich besitze auch ein Auto und das ist gerade auch nicht hier. Besitz korrelliert nicht mit dem Begriff der Anwesenheit."
"Dann muss ich ein erhöhtes Fahrgeld erheben."
"Von mir? Ich besitze ja eine Karte." Immer noch freundlich ... ich, aber auch er.
"Aber Sie müssen sie auch mit sich führen."
"Es war kein Platz mehr frei ..." Ein verfehlter Scherz, jetzt wird die Lage prekär. "Die Fahrkarte ist inzwischen eingetroffen, aber meine Tasche öffnet sich nur alle zwanzig Minuten ... ganz fahrplanmäßig."
"Und wann wird das sein?"
"Na, ganz fahrplanmäßig. Vor 5 Minuten wäre sie genau hier offen gewesen, wenn der Zug pünktlich gefahren wäre. Und dann eben wieder in 15. Kommen Sie doch zurück, wenn sie mit dem Rest fertig sind. Werden Sie nach Stunden bezahlt oder nach Erfolg. Bei Erfolg könnte ich meine namentliche Jahreskarte auch stecken lassen, dann kassieren Sie und ich muss nichts zahlen, wenn ich sie vorzeige?!" Wie schnell muss ich ziehen, hier im Wilden Westen, ohne erschossen zu werden?

Leistungserschleichung, weil ich meine Fahrkarte vergessen haben könnte, und Berlusconi regiert Italien? Er wird ganz rot, weil ich mich erdreiste ganze drei Sätze am Stück aufzusagen, wie eine Wurst ohne Ende und Anfang. Der Kunde ist heute eine Milchkuh ohne Tierschutz. Er nützt die Zeit um seinen Kollegen zu rufen. Das ist mein Plan, alle Kräfte zu binden. Und pampig wird er. Vermutlich, weil er die Spielregeln nicht kennt. Man sieht das schon länger, die Telefon-und Transportgesellschaften ganz vorne mit dabei, Geschäft ist heute nicht mehr vorwiegend monetär: Es reicht nicht mehr, den Kunden über den Tisch zu ziehen. Es geht darum, ihn zu demütigen, ihn klein und hilflos zu halten. Wenn das Geld eh schon aus der Tasche ist, ihm noch möglichst viel Zeit zu rauben und Nerven. Körperliches Leid ja, den Tod nein. Ein Parasit eben.

"Dann würde ich gerne mal ihre Papiere sehen." Ich ziehe die Strybinski-Nummer durch. Nun ist es vorbei mit lustig, wir sind aber auch fast schon da. Ein Schelm, wer denkt, daß sich die Fahrgemeinschaft nun darauf freut, den Gewinn an Zeit, insbesondere für die Nichtkontrollierten, im Biergarten wieder voll in die Volkswirtschaft zu reinvestieren, nachdem Leistung mit Leistung entlohnt wurde. Der Mehrwert muss sozialisiert werden!

"Sie war garnicht in der Tasche, Herr Kontrolleur!" strahle ich mit meinem femininstem Charme und ziehe mein Jahresabo aus der Jacke. Hell erleuchtet von der Abendsonne glänzt der Silberstreifen der Ehrlichkeit für alle Mitreisenden am Firmament Meines Feierabends.

Ehrlichkeit kann man heute ruhig auch mal zelebrieren. Ich fordere einen Button oder eine Krawattennadel (das wär doch mal so ne richtig frauenfeindliche Stichelei) für meine erbrachte Steuerleistung, ein Glückslos für alle die mit Fahrschein reisen. Irgendetwas zum Haben oder Herzeigen ... mitsamt dem Jahresabo zum Drantackern. Ein Jahrestatoo auf den Handrücken! Dann wird auch Händeschütteln wieder interessanter.
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