Der Überwacher des Übermenschen
Da möchte man meinen, jetzt räumt er aber auf, der Staat. Überwachung total ... und dann. Werden wir dann alle festgenommen wegen unseren Übertretungen? Rote Ampel, Falschabbiegen, Walkman am Telefon, Handy im Auto, Füße am Lenkrad. Die Überwachung ist so weit, daß die Krankenkasse deine Ohrmuschel auskundschaftet, während andere mithören. Für uns webcam-überwachte Schreiberlinge wäre es interessant zu wissen, mit welchen Gesichtszügen wir welche Texte schreiben. Man wartet bei manchem Text, daß es eigentlich gleich klingeln müsste, die Ohren weit gespitzt in der Kopfhörermuschel, um sagen zu können, man hätte nichts gehört. Das ist der Konzentration auf den Text nicht bekömmlich.

Im Staate Orwell ist Selbstbeherrschung durch Selbstüberwachung eine präemptive Art, sich notfalls auch effektiv tarnen zu können. Sprich, Drunking Master Style vs Bewegungsscan, oder Briefe schreiben vs Trojaner/elektronischer Überwachung.

Ich muss sagen, daß mir im Alter so viele Haare wachsen, daß so mancher Scanner seine Probleme bekommen wird. Bei mir hat es mit meinem Metzgerdaumen auch in Indien beim asiatischem Fingerprint-Scanner nie geklappt. Faltencreme und Magersucht, Grauer Star und Raucherbeine, das hat so seine Tücken für die Technik. Mein Fleisch besteht so massiv aus deutscher Kalbsleber, daß man mich als Tier orten wird. Bullemische Alzheimer, fressen und das Kotzen vergessen. Ich meide Jagdreviere und Schlachthöfe.

Bei der Biotechnik ist es nicht weit, als daß Dinge wie Blade Running verboten sein werden, wie es bei kugelsicheren Westen bereits der Fall ist. Kein Mund-, Knie- oder Sackschutz auf Veranstaltungen, keine Schürsenkel in der Zelle, keine verdunkelten Frontscheiben und bald auch kein Kopftuch mehr. Kein Kopftuch in Bayern? Meine vom Geist gesalbte Oma würd sich im Grab die Haare raufen, hätte sie dort kein Kopftuch auf. Selbstverständlich auch im Grab, wie liese sich sonst die Kinnlade fixieren bei der Aufbarung im Totenkammerl. Ein Relikt auch bald in Kleinmürbisch: Sein erstes Resümee war, dass das Totenkammerl (und auch die Waaghütte) nicht mehr benötigt werden und daher "geschliffen" werden sollen ...

Andererseits, siehe notwendige Selbstüberwachung, habe ich mich dem Überwachungsmuster angepaßt und bohre beim Aufsperren der Haustür eben nicht in der Nase - ein Rat meiner Nachbarn - bin aber froh, daß ich seit dem Einbau der Kamera nichts mehr für Übermalerarbeiten wegen Graffitis in die Hauskasse zahlen muß. Ganz offensichtlich schließt die orwellsche Überwachung jene, durch meine Gottlosigkeit entstehende, moralische Lücke. Bei mir ist es eben nicht mehr der liebe Gott, der mir beim sag-ich-nicht über die Schulter "lurt" (dritter germanischer Konsonantensprung; von "lugen", bayr."luang" zu "luren"), sondern meine Webcam, Handy, Geldautomat, schlag mich tot mit was allem. Ich scheine das zu genießen, sehen und gesehen werden, das verhindert, daß ich mir beim Scheißen die Hosen auszieh. Nein, mich freut das, wenn die Staatsmacht mitliest. Ein wenig mehr Feedback würde der Zusammenarbeit allerdings keinen Abbruch tun. Eine gepflegte Kritik am rechten Ort ist wie Fugenkitt für die Freundschaft :) zwischen mir und Schbackenland.