Mittwoch, 30. Dezember 2015
Neklischee im Bulgarenbett
Bei mir in der Wohnung siehts aus wie beim Eurobulgaren im Spind. Ich lebe für die Arbeit. Single. Mitnehmen, was geht, solang es noch was zum Mitnehmen gibt. Lohnorientiertes Dasein, jahresüberschussorientiert, dass ich nicht bis 65 unter der Knute stehe. Aber Austeigen ist teuer.

Ich lebe in meinem eigenem Effektenlager. Berge von Wäsche über die Wohnung verteilt, aus denen ich mich die Woche über bediene. Aber auch ein Werkzeugberg. Ein Berg für Eroberungen des Tages. Und schon auf einem Logenplatz auf dem Buffet, Dinge, die wieder ausser Haus gehen, Liegengelassenes oder Ausgeliehenes.
Auch mein Motto ist: Weniger ist mehr. Am hoffentlich baldigen Ende meiner Karriere, wenn sich auch das Streichen der Wände erstmals lohnt, möchte ich zehn Kilobarren Gold in dieser Wohnung sehen und sonst nichts.

Dass ich im öffentlichen Raum nicht unnötiges Aufsehen errege, leere ich Taschen und Rucksäcke täglich mitten ins Wohnzimmer. Und selektiere wie in "Kanada". So quillt in der S-Bahn oder vor dem Kunden beim Öffnen der Tasche nicht erst die alte Socke oder die halb angebissene Butterbreze zu oberst heraus. Auch eventuelle Micro-SD-Karten gehen weniger verloren. Die totale Entleerung, wie auch Entkleidung mitten im Wohnzimmer hat schon seine Vorteile.

Besuch ist halt blöd. Punks und Blinde gerne, aber die Nachbarn ... ich weiß nicht. Schlampig ist es nicht, denn es ist ja fast alles geordnet. Man könnte sagen, eine visuelle Wohnung, weil eben nichts hinter Schranktüren verteckt ist. Auch haptisch interessant.

Der Endsieg der Ordnung

In einem Arbeiter- und Soldatenstaat wie dem unseren regiert bekanntlich die totale Ordnung. Das Tun ist auf die Eleminierung alles Unwichtigen ausgerichtet. Somit hat Aufräumen eben wenig mit Ordnung zu tun. Im Gegenteil. Den Schwamm fürs Geschirr räumt man ja auch nicht in einen Schrank.
Nasse, zementverklebte Arbeitshosen sag ich nur. Wo soll ich die denn reinräumen. Auf dem Balkon migriert sie vielleicht nach Schweden, im Wohnzimmer ist sie übers Wochenende wieder voll einsatzbereit für Montag.

Ob Knitter- oder Legefalten, was zum Teufel würde mit der Menschheit geschehen, wenn sie ihre Kleidung nicht mehr faltete? Es ist das am ernstesten gemeinte Fragezeichen meiner Karriere. Ich frage mich wirklich, denn es gibt ja nur spärlichste Ausnahmen. Um so rühmlicher.

Bei jedem halbwegs nüchternem Gang durch die Wohnung wird dann das Daniedergeschmissene weiter selektiert und in die jeweilige Abteilung transportiert. Als umtriebiger Mensch, der ich bin, besteht meine Wohnung also vorwiegend aus mehrfach sortierten Bergen und Haufen, die irgendwo hin gehören. Property on the move. Die Wäscheberge haben mir schon öfter das Leben gerettet, als ich hochpromillisiert nach dem Lichtlöschen blind durch die Wohnung gesteuert bin. Manchmal war sie auch mehr als hinderlich, meine alpine Indoor-Gestaltung. Auf jeden Fall spart man sich den Teppich.

Am Wohnzimmerboden bleibt, meist zum Sonntag hin, das Unbrauchbare zurück, ein anschaulicher Müllberg aus Diversem. Jetzt nochmal schnell mit dem Laubbläser über Schränke, Regale, Bücher und schön in die Mitte. Ein Wusch mit dem Starmix 1460, automatische Filterreinigung bei 248 mbar Unterdruck, fertig ist die wöchentliche Betriebsstättenreinigung.

Wenn die Welt so konstruiert wäre wie ich mir das vorstelle, hätte jeder Haushalt einen kleinen Verbrennungsofen, der alles recycelt.

Egal. Ich find's auch so ganz gemütlich. Sie dürfen diesen Blogeintrag auch gerne Ihrer Frau gegenüber zitieren, wenn es wieder mal um das Schuhschränkchen geht. Ordnung hat mit Aufräumen nicht viel zu tun.
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Freitag, 6. Juni 2014
Nudelfotznintermezzo
"Papa, du host do a Nudl an da Fotzn."
"Ja, sog a mal. Hab ich dir keine Manieren beigebracht, du Saukrüppel. Wie sagt ma?"
"Nuuuuudel."
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Dienstag, 22. Oktober 2013
Zeit
Mit Zeit ist es wie mit allen Dingen. Wer viel davon hat, redet sie gut und teuer.

Hoffentlich wird dieser Tag nie zu Ende gehen, dann wird es nie ein Morgen geben. Dann wird es keinen Termin und keinen Arbeitsbeginn mehr geben. Dann droht kein verregneter Sonnenaufgang und keine verfrühte Betriebsstörung. Dann verlieren alle, die mit Zeit spekulieren, denn dann ist sie weg. Dann bleibt es für immer Feierabend.
Doof, wenn sie wie so oft grade während der Arbeitszeit stehen bleibt, die gute alte Zeit. Die einen buckeln, ich hab einfach schon einen. Ich fühle mich nicht wohl in der Horizontalen. Winter heisst für mich buckeln ohne Lohn. Da, wo alle vermeintlich hinwollen. Selbstversorgung.

Liebe Dumpsterdiver und Kleinstgärtner, es ist höchste Zeit zu sammeln. Marmeladen und Kohlen, Holz und ausreichend Selbstgebrannten zum Einlegen. Marmeladen verschliessen übrigens ausgezeichnet und schimmeln niemals, wenn auf ihnen eine Schicht Tiroler Nussschnaps schwimmt.

Ehe der Boden gefriert, noch rein und raus was geht. Gladiolenknollen und letzten Sellerie raus, Rhabarber und Christrosen teilen und Setzlinge rein.
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Sonntag, 9. Juni 2013

Geliebtes Gletscherguddi,
ich möchte mit dir durchschmelzen


Was hat denn das mit dem Küssen auf sich? Angeknabbere oder Speichelaustausch. Heute küsst man sich ja schnell mal überall hin, auch ganz ohne Grund. Wie bereits erwähnt, stamme ich aus einem Guss, wo, bei aller Liebe, Berührungen eher als negativ gewertet wurden. 'De Hand konnst ma gebn, wenn i stirb.' Bei der Einführung in meine mexikanische Gastfamilie war diese haptische Unterlegenheit denn auch der Grund, dass ich die Familienmama bei der kussreichen Begrüßung gleich mit einer Kopfnuss halb hingestreckt hatte. Wollen wir mal hoffen, daß Handabschlecken nur von Hunden betrieben wird, denn Handkuss ist wohl im Aussterben begriffen.

Aber klassisches Küssen, auf Lippen und/oder Mund. Welche Form der Kommunikation findet da statt? Chemisch, haptisch, fast wie bei Schnecken vermutlich.

Ein tiefer Blick in die verträumten Augen, schon fällt man über sich her, küßt sich, packt sich, presst die Lippen aufeinander und dringt dann gegenseitig in die Mundhöhle ein. Hier spalten sich die Gemüter. Denn wo beginnt er, der Spass, und wo hört er auf? Eine Art Degenfechten der Zungenmuskeln. So mancher versucht augenblicklich zum Gaumenzäpfchen in die Rachenhöhle vorzudringen, andere züngeln schon abwehrbereit auf der Lippeninnenseite. Oben wird mit der Zunge gerungen, unten bewegen sich die Leiber und Gliedmaßen entsprechend. Die Zunge mutiert zum Schwanz und vice versa, also andersrum.

Das geht mir zu schnell, will oft heissen, das werd ich nie tun. Wenn der unten so ist wie oben, oje. Wie ein magersüchtiges Chamäleon tastet er meine Mundhöhle ab, die Zunge schneller als Zorro's Degen. Andererseits durchweichen hormons&friends mit der Zeit mein Körpergewebe in einem Maße, daß selbst die ein oder andere Psychoschwelle negativer Erfahrungen überschritten wird. Ich habe Wunder gesehen, brennende Schiffe vor den Toren Orions, Scheidenkrämpfe und Gaumensegel im Samensturm. Nichts ist unmöglich.
Ein grantiges Servus muss auch mal genügen. Schon wirft sich der Gegenüber mit seinem Gemütstorso über mich und drückt mich wie einer dieser tödlichen Seebullen. Er wirft sich auf mich als wollte er mich niederringen und gleich hier nehmen. Er presst sein fremdes, schwabbliges Gesicht gegen das meine. Will er in mich hineinhören? Von hinten prasseln seine flachen Hände knapp über die Nieren. Entweder will er mir die Rippenansätze zersplittern oder er hat es auf meine Bandscheiben abgesehen. Dann löst er sich urplötzlich und gleitet wie ein toter Fisch an mir herunter, springt einen Schritt zurück und lächelt mich an mit einem mir immer noch fremden Honigkuchenlächeln. wie aus dem Nichts schießt seine Faust gegen meine und trifft sie mitten im Hängen, so dass sie wie ein Boxsack nach hinten ausschwingt.

Nee, diese moderne Nähe. Umschlingen, abschlecken, die Fäuste knallen lassen, High-5-s und Down-lows. Rette sich wer kann. Ich muss Sie warnen. Beim Küssen können Sie heutzutage auf so allerhand und allermund treffen. Menschliche Schlangenzungen, Metallringe und ähnliches Gestänge, lockere Brücken und hoffentlich nie ein Milchzahn. Nochmal für alle deutlich: Milchzähne küsst man nicht.

Der eine beisst, die andere hat Lippenkrämpfe, manche Herpes, wo man nicht genau weiss, ob man sich anhaften möchte. Wie Sie merken, spare ich die wirklich ekligen Sachen bewusst aus.
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Montag, 3. Juni 2013
Ode an die Sickerrigole
Wenn schon Jahrhunderthochwasser, dann doch lieber gleich zwei Meter mehr und eine Jahrtausendkatastrophe. Wenn es natürlich der kleinste gemeinsame Nenner sein soll, will ich mich nicht sperren. Aber warum bei 11 Meter Donau aufgeben. Gebt der Presse, was sie braucht: eine Milleniumsflut.

Der kälteste Februar, der meiste Schnee und jedes Jahr aufs Neuste ein Jahrhundertrekord. Ein noch wachsendes Kind wird zwar jedes Jahr nochmals größer als man selbst, dennoch spricht man für gewöhnlich nicht von Rekorden. Das läßt auf eine Entwicklung schließen. Eine ansteigende Kurve, die irgendwie auch in jedem Punkt einen Superlativ darstellt und trotzdem einfach nur ein wenig mehr als letztes Jahr ist. So haben wir dieses Jahr so viele von uns auf dem kleinen Planeten wie noch nie, seit Menschengedenken.

Auf jeden Fall ist es das schlechteste Erdbeerjahr seit ich Marmelade mache. Mit der 'Flotten Lotte' für die Gelee-Ausgabe wird dieses Jahr nicht mehr viel passiert. Dem Rhabarber gehen solche Umwelteinflüsse scheinbar am Arsch vorbei oder es ist seine dicke Blätterschicht, sein grüner Kuppeldom, den nichts durchdringt. Rhabarber ist eben jedes Jahr Jahrhundertrhabarber.

Ob Fische das überhaupt bemerken, dieses Hochwasser. Ihr Lebensraum hat sich ja offensichtlich ausgedehnt. Wenn also schon die Ernte nicht 100jährig wird, so wird es denn vielleicht der Fang. Rein evolutionärstechnisch wäre es an der Zeit, daß sich auch mal ein Randsteinbarsch oder ein Seitenstreifenhecht ausbildete. Selbst dem Regenwurm wird es zu staunässig, dort unten im Erdreich, und so kriecht er kreuz und quer über die Wiese. Ich kann das gut beurteilen, nachdem ich seit Tagen nur Sickerrigolen grabe.

Im übertragenen Sinne habe ich das mein ganzes Leben schon getan. Ich war immer schon eine Art Gulli im Volkskörpergewebe, als Sach- und als Sozialarbeiter, als Gärtner, eigentlich in jeder Arbeit. Das Zeuch sollte immer nur wech. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und immer am besten unter die Erde, wenn kein Teppich zur Hand war. Aber man tut's, denn schließlich möchte man auf Urlaubs-, Weihnachts- und sonstige Prämien nicht verzichten. Und so grabe und steche ich in die Welt des Regenwurms, seinen vom vielen Wasser verdichteten Lebensraum. Sickerrigole um Sickerrigole. Wer schaltet dieser Tage nicht einfach auf Durchfluss?! -:
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Mittwoch, 18. April 2012
Ich bin zerschuettelt und zerrrührt ...
noch gefangen in einem Traum an einem Ort, deren Namen es nicht mehr gibt, einer Ort, der mit dem Ende des Traums auch seinen bereits vergessenen Namen verlor.

Wir kamen als Ausflugsgruppe an diesen Ort und wohnten als fremde Gäste in zerschlissenen Holzbaracken. Obwohl wir uns alle scheinbar kannten, war mir eigentlich nur ein Gesicht vertraut. Ich will sie zum Schutz der Persönlichkeit mal nach dem alten, ehemaligem Namen der Stadt benennen: Madame Flora. Sie war diejenige aus der Gruppe, die mit der Beschaffenheit der Schlafplätze am wenigsten zurecht kam. Selbst mein Bemühen ihr das beste aller Betten, bestehend aus bunt zusammengewürfelten Teilen von Federkernmatratzen, zu richten, ließ sie nachts kein Auge zumachen.

Anfangs noch ein wenig wie ein schlechter Urlaub, staunten wir über die wenigen Einwohner, deren Tag daraus bestand mit Bunt- und Filzstiften, so groß wie sie selbst, zu hantieren, bis diese jeden Abend fein säuberlich geschichtet zusammenlagen wie in einem Etui.

Doch schon bald wurden wir vom Gefängniswärter dieses Ortes, ehemals genannt Flora, in den örtlichen Knast umgesiedelt, bestehend aus aneinandergereihten Stockbetten im Freien.

Wir waren Gefangene und unsere Aufgabe bestand darin, Schwellen aus Bleistiften zu verlegen, je nach Bodenbeschaffenheit ein H für hart an weichen Stellen, ein B an harten, dazwischen ein HB. Weil es allerdings keine Gleise gab, mussten wir Bleistift an Bleistift legen, um den Anschein einer Trasse zu erwecken, für einen Zug, der niemals kommen würde. Immer in der Angst, Günther Grass könnte uns bombadieren.

Doch schon beim Herannahen der ersten Nacht, weigerte sich Madame Flora, für die ich mich mit meiner gesamten Existenz ob ihrer Schlaflosigkeit, und ich darf gestehen, auch aus tiefster Zuneigung verantwortlich fühlte, sich diesem Schicksaal zu beugen. Die letzten mir noch bekannten Umstände sind verworren und blass, denn im Zuge meines Versuchs, mit dem Gefängniswärter ein klärendes Gespräch zu führen, bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf und seitdem sitze ich nun hier, wach aber immer noch gefangen.

Was ist passiert, Madame Flora, in der Stadt der Stifte?
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Montag, 26. März 2012
Als ausdrückliches Tagesgeschenk an Frau Kopfgeschüttelt



Liebe Grüsse ...
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Gelinkt
Weil man sonntags nicht notwendigerweise in die Kirche dackeln muss, anbei ein paar andere heilige Orte:

Mein persönlicher Favorit: The Yes Men. Mit Ihrem "best hoax ever":
Zuerst die Vorgeschichte:











desweiteren:

- RTMark, einem Forum teils ganz witziger Ideen

- The Billboard Liberation Front

- Surveillance Camera Players
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musste im Rahmen Ihrer Freiflächen daran denken ...
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Donnerstag, 15. März 2012
Vom Laich zur Leich - aus dem Leben eines Sushi-Fisches
Meine Frau nennt mich Sushi ... kalter Fisch.
Ich höre es immer wieder. Jemand wird 20, 30, 40 und es hat garnicht weh getan.
Das ist auch eher unwahrscheinlich daß der maligne Tumor just den Geburtstag wählt. Aber warten Sie bis spätestens zum nächsten Skifahren, am Lift wartend, eine leichte Drehung.

Die Evolution ist kein Freund des Individuums. Es ist ihr Aspekt der Vergänglichkeit, der Tag und Nacht an uns nagt, der Zellen nicht mehr regeneriert und die Knochen, Sehnen und Muskeln rosten läßt. Es ist die Evolution, die noch keine dritten Zähne wachsen läßt und die uns nicht erst am Lebensabend begleitet.

Mich hat es vor zwei Jahren erwischt. Bis dahin noch zumeist jünger geschätzt, sieht sich nun niemand mehr dazu veranlasst, mir zu schmeicheln. Es ist eine absurder Glaube, mit dem Alter sei auch die Persönlichkeit so weit gereift, sich entsprechend zu verhalten. Ich möchte fast behaupten, daß es die Umwelt ist, die einen älter macht; man selbst eher Opfer.

Ich kann Sie durch die Zeilen sagen sehen, ein wenig sportliche Betätigung, Zufriedenheit und gesunde Ernährung wären der Schlüssel zur körperlichen Freude bis ins Alter. Ich darf Ihnen antworten: mir genügt das tägliche Gerenne um unseren planlosen Vorstadtbus, der kommt und nicht kommt wie er will. Das hält mich fit, denn meistens erwische ich ihn nicht und muss zu Fuss gehen, was Sushi-Fische wie mich so nach Luft schnappen lässt in dieser staubtrockenen Zeit. Kein Sport von Nöten, um die Evolution abzuwehren.


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