Mittwoch, 16. Mai 2012
Mexico is auch am Arsch
... weil sie das falsche Bier trinken.


Beve, muchacho, beve mucho. Dann siehst du 98 Leichensäcke an der Schnellstraße nach Reynosa statt 49. Im Grunde tut es auch nichts zur Sache in einem Land wie Mexiko, wo jährlich rund 10.000 Menschen ein ähnliches Schicksaal erleiden.
Hingerichtet, geköpft und die Gliedmaßen abgeschnitten geht es bei den Opfern weniger um die getötete Person selbst, sondern um eine Meta-nachricht, um "narcomensajes", um eine Art der Kommunikationsform der Drogen-etc-Kartelle, bei der die Anzahl und die Darbietungsform der Leichen einen wesentlich größeren Stellenwert darstellen.

Trink, Freundchen, besauf dich bis zum umfallen. Vielleicht schaffst du es dann, einen angenehmen, so zumindest besinnungslosen Aufstieg auf den Leichenberg zu schaffen. Vielleicht stirbst du so narkotisiert, während du an deiner eigenen Kotze erstickst. Nicht an einer Brücke hängend. Drink my friend, drink. Just dont buy no drugs to deploy arms trade! Aber ... es gibt auch einen Weg, ohne trinken zu müssen.
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Dienstag, 27. März 2012
Mögest du furzen, so schellte deinen Nachbarn
Montag, 11:34

Der Verstärkerbus 831 wieder mal genau so "pünktlich" zu spät, daß ich mich in den letzten Atemzügen durch die Tunnelfluchten kämpfe, um die Metro zu erwischen. Nur einem sozialen Leidensgenossen, der den Fuß so lange in der Lichtschranke stehen läßt, habe ich es im Vorbeiflug zu danken, daß auch ich es in letzter Sekunde noch schaffe, mich in die Metro zu hechten.

Weil man nach solchen Kurzsprints eben hechelt wie ein Hund nach erfolgloser Hasenjagd, wandere ich, so entspannt wirkend wie möglich, durch die Abteile, um meinen Puls wenigstens so weit herunterzukühlen, daß zumindest nicht der Speichel aus den Mundwinkeln trenst, sobald ich zum Sitzen komme.

Nach gefühlten 100 Metern erblicke ich eine günstige Lichtung in der Bestuhlung, heißt, mir sitzt nur ein Beobachter gegenüber, der beim Anblick meines immer noch auf Hochtouren pumpenden Herzens eigentlich augenblicklich den Notarzt rufen könnte. In solchen Fällen kann man nur von Glück sprechen, daß uns in der Stadt der Nachbar oder anderes Gegenüber einfach nicht mehr im Geringsten interessiert.

Dachte ich. Denn der Geruch, der sich seit meiner Anwesenheit nun großflächig verteilt - sei es der Fahrtwind, den es innerhalb der Züge ja nicht gibt, sei es die Schwer- oder die Korioliskraft - beginnt sich nun auch mir selbst bemerkbar zu machen. Waren hier so viele freie Plätze, weil sich die Bestuhlung noch an einen bereits ausgestiegenen, inkontinenten Fahrgast erinnert? Oder ... ich sehe mich unschuldig um ... ist ein solcher Gast noch anwesend? Offensichtlich nicht.

Ich bin frisch geduscht, und meine Kleidung eigentlich auch nicht von letzter Woche. Die Schuhe? Hatten zumindest in den letzten Monaten keine Beschwerde dieser Art. Nicht nur, daß sich nun die vielen Mitreisenden meiner Anwesenheit bewußt werden - und zwar speziell meiner - sondern auch mir geht plötzlich ein schrecklich Lichtlein auf: es ist mein schicker Kapuzenpulli, der durch die leichte Erwärmung beim Sprinten die in ihm enthaltenen Aromastoffe neu entfacht, die gestern beim Tanzen über Stunden dort ihr Zuhause fanden. Und nun rieche ich, also eigentlich er, aber schließlich wird er meinem Dasein zugerechnet, nach ... wie soll man das nennen. Frisch aufgewärmtem Nikotin in Biersoße mit einem kräftigem Spritzer Schweiß.

Da mich nun ein halbes Dutzend Fahrgäste nicht mehr aus den Augen läßt - als ob es dadurch weniger stinken würde - entschließe ich mich, die Schuld auf erfinderische Art und Weise von mir zu waschen. Ich zücke mein Notizheft in einer Art und Weise, daß auch wirklich alle mitlesen können, was ich in großen Lettern vermerke. Beginnend mit dem Satz: "Prüfung der Hygienevorschriften auf dem Asia-Markt in "sag-ich-nicht"." Ich berichte von eigentlich nicht in Worte zu fassenden Zuständen, von undefinierbaren Gewürzmischungen und Schmutzsorten, die in unseren Breitengraden eigentlich seit Jahrhunderten ausgemerzt schienen.

Und siehe da: Die mich zerfressenden Gesichtszüge der Umstehenden und Umsitzenden lösen sich auf in Wohlgefallen. Alle scheinen des Deutschen mächtig und von außergewöhnlicher Sehstärke zu sein. Nach nur zwei Stationen ernte ich Bewunderung über meinen Mut, mich an solch unerfindliche Orte zu begeben und die untragbaren Mißstände öffentlich anzuprangern. Obwohl ich immer noch stinke wie eine Güllegrube, werde ich von freundlich lächelnden Gesichtern am erreichten Zielbahnhof hinaussalutiert und mir folgt ein Hauch der Ehrerbietung.

Die Moral von der Geschicht: Wer selbst in die Grube fällt, sollte behaupten, andere hätten sie gegraben;)
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Montag, 6. Februar 2012
Das Trauma Marcòn

Dinge, über die man nicht spricht Teil 1: Das Trauma Marcòn
Ich wache auf, die Strassen leer, die Herzen geschlossen. Kaffee, Kippe und mal abgewartet. Der Asphalt füllt sich mit rollendem Gummi, das Trottoir mit stampfenden Sohlen, doch die Herzen bleiben zu, ein Sonntag der geschlossenen Seelen. Ein weiterer Feiertag der Traurigkeit, wie auch gestern und die Tage zuvor.

Die Falten in meinem Gesicht, ausgewaschen vom Leid, das nicht das eigene sein muss, aber tiefergelegt von Tagen die zwischen den Gesichtern wandern. Das Loch in der Masse. Mein Ruhepuls mit Vollgas unterwegs auf Wegen, für die es keine Wanderkarten gibt, kein Emo-GPS zur Ortung. Verflucht noch mal, keine Wendemöglichkeit in Sicht, nicht mal ansatzweise.

Der Tag des Ich - a ruff ride into the K-hole, den Al-Ahly-Ultras gewidmet, jenen Hooligans in den ersten Reihen der ägyptischen Revolution. Mein Gefühl fängt da an, wo bei anderen der Lebenslauf endet, ich bin die zweite Welle der dritten Halbzeit. Da wird sich der militante Flügel der Rechten und Linken ein neues Nest suchen müssen. Unsere Divisionen marschieren straight through the middle. Ich bin der General der Bodentruppen der hartenlinie, ich bin das Trauma Marcòn. Here I come and there they go. Ich bin der Tsunami am Strand der Gutmenschen. Ein Leben im Abraum und möchte mich gleich bei Geburt verabschieden von jener humanoiden Abraumhalde, wo die emotionalen Heizkosten einfach unbezahlbar werden.

Ultras Unite! Lasst die Herzen sprechen, um die eisigen Herzen der Herrlichen und Guten ins Meer zurückzutreiben. Ultras Counterforce. Nivelliert das Althergebrachte, so dass kommende Treffen keinen Gipfel mehr vorfinden, auf dem sie sich die Ehre geben könnte. Nehmt sie Ihnen, die Gipfel, und die Ehre gleich mit. Bewerft sie mit den leidseligen Körpern der Sonntagsdemonstranten. Beschmeisst sie mit dem Fleisch, das ausser Fahnen und Parolen nicht mal sein Wort zu halten vermag, jenen Eintagsfliegen, die uns die Sicht auf den Feind verstellen. Die Gewalt versteht nur eine Sprache. Schmeisst die Schafe von der Schlachtbank und schlachtet dort die Schlächter.
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Sonntag, 5. Februar 2012
On Tour mit Beatriz de Bobadilla - die ewige Geschichte von Gewalt, schönen Frauen und der EU
Oh, lieber Christopher Oettinger (EU-Kommisar für Energiefragen), ich verstaude mein Herz in den blutbesudelten Bananenplantagen des Playa de Santa Catalina. Hang it low - auf dass es keiner tiefer hängen möge. Ob sich noch ein Plätzchen findet? Erst wenn der letzte Lohnsklave genügend Bananen exportiert, wird er nicht mehr selbst exportiert. Bei Bananenallergikern wird allerdings selbst der Fleissigste keine Gnade finden.
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So setzt sich der Mord des Fernàn Peraza el Joven an General Juan Rejon in Hermigua/Gomera, fort bis in die heutige Zeit. Peraza konnte vor Ort nur am Leben bleiben und seine Gewaltherrschaft fortführen, indem er mit der wunderschönen Beatriz de Bobadilla verheiratet wurde. Die rachsüchtige Witwe Donna Elvira hingegen wurde ausgesteuert.

Der eigentliche Häuptling von Gomera, Hupalupu, sah einen einzigen Ausweg darin, ihn mit seiner eigenen jungfräulichen Tochter aus den Burgmauern zu locken und ihn in einer Höhle in den Bergen hinterhältig niederzustrecken. Was auch gelang.

Hätte es damals schon Geschichtsbücher gegeben, so hätte er sich an den eigenen Finger abzählen können, dass es nun Beatriz de Bobadilla war, die ihr gebrochenes Herz nur durch eine noch blutiger Herrschaft über die ansässigen Guanchen ein wenig befrieden konnte.

Dass nun auch noch Christopher Columbus an den Molen des Playa de Hermigua sein Schiff ankern liess, um sich an jener Bobadilla gütlich zu tun, während die Vorräte für die Fahrt in ferne Länder aufgefüllt wurden, bleibt historisch unbewiesen. Aber Sinn macht es durchaus und so segelte schon ab hier ein Teil blutiger Geschichte bis nach Amerika.

Seit rund hundert Jahren ist es die norwegische Olsenbande, die sich fleissig an den verbliebenen Schätzen, dem Tourismus, auf der Insel bedient. In Schafsfell gewickelt sind einzig noch die Aussteiger und es sind auch keine Flösse aus Schafsdärmen mehr, die die Nachfahren der Tochter des Königs Hupalupu in die Ferne bringen, sondern es sind die Grafen des Freihandels, wie Herr Oettinger, die den verbliebenen Rest der Einheimischen auf die nicht so CO2-armen Fähren der Reederei Olsen treiben.
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Sonntag, 8. Januar 2012
Alptraum Sprache
Ich wache auf, blutverschwitzt, aus meinem Mordstraum. Der Morgenwind streicht über meine kaltnasse Haut und verweht die abgesonderten Giftstoffe in der Wohnung. Erstmal Kaffee und ne Kippe, das kennt man und es bringt einen nicht augenblicklich um.
Welcher Teil von mir denkt sich solche Alpträume aus?

Schnell mal die Hool-Mucke aus dem Ordner geholt.
Die billigen Basswellen schieben mich vorwärts. In den letzten Zügen erreiche ich den Rand des Klärbeckens und treibe erschöpft im Abschaum. Endlich wieder schwimmen, endlich wieder treiben, endlich wieder toter Mann. 1966, 1984, 2012, kurz und gut 5 vor 12. Elf Uhr fünfundfünfzig, also noch Zeit genug die Kirchenglocken runterzubomben, ehe sie den Ohrenkrebs einläuten.

Das Volk spricht eine Sprache, die zu Alpträumen gut passt - zu meinen zumindest. Ich fühl mich wohl, wenn es heißt "Hau dem Volk aufs Maul". Schön platt und geradeaus, keine Textanalyse nötig. Glauben Sie Rilke hat in den Satzbauten auch gewohnt, die er erschafffen? Nein, in einem Haus aus Stein und Holz. Kein Überbau und keine herangezüchtete Komplexität bringen es deutlicher auf den Punkt, wenn das Essen eben mal Scheiße schmeckt. Und so ist es auch die Sprache des Volkes, die das Land der Vollidioten besser auf den Punkt bringt.
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Freitag, 16. Dezember 2011
Das Projekt der Dezivilisierung
Soweit ich Norbert Elias verstehe, beschreibt er den Prozess der Zivilisation als unilinear, wenngleich wellenförmig. Hin und her, aber vorwiegend hin. Hin zu feineren Sitten und besserem Verhalten - besser entspricht hier mächtigerem. Die Sitte als Machterhalt, Zivilisierung als Abgrenzung zum Pöbel. Zivilisierung als Kampftraining für den Mächtigen. Sein Handeln auch mal im Zaum halten zu können, um die Rache noch fieser zu gestalten. Wir sind sicher keine militaristischen Spartaner, aber was macht uns zu einer Zivilgesellschaft?

Wir sprechen von der Verfeinerung der Sitten, andere, wie ich, von einer immer länger werdenden Verbotsliste. Uns scheint das Barbarische als rau und ungemütlich. Uns erschliesst sich die Vergangenheit als gezwungen und voller Schranken. Wir blättern in dem Märchenbuch unserer Vorstellung und entdecken, dass unsere Welt die beste von allen ist. Wir verklären und vergessen ein wenig das Problem des Beobachters. Hierbei biegen wir uns die Dinge so hin, so, dass uns die Raumzeit garnicht gekrümmt genug sein könnte. Für mich steht die Wahrnehmung da noch in einer Bringschuld.

Wer hätte gedacht, dass Tunesien sexuelle Selbstbestimmung erst mit 21 vorsieht, während der Vatikan 12 für ausreichend hält, und eine arabische Prinzessin nach Europa kommen musste, um die Gabel in den europäischen Dunstkreis zu integrieren.

Mit den Händen essen, warum nicht. Warum sollte das gesellschaftlich verpöhnt sein. Mag man einwenden, dass es früher gesünder war. Beim heutigen Waschzwang fängt man sich maximal eine Hautkrankheit ein; mit den Händen oder Füssen essen wäre da im Grunde medizinisch indiziert und angesagt. Was einmal eingeführt, hält sich aber zumeist, und daraus erwächst eines der, wenn nicht das Grundübel der Gesellschaft.

Ich hatte das ja schon in "Du bist nicht Deutschland 2:-(" erwähnt, dass uns diese Hyperbel in eine Welt wie folgt führt.

Haben Sie sich schon überlegt, wo das hinführt, die zunehmende soziale Reglementierung? Haben Sie mal hochgerechnet, was Sie in sagen wir mal 30 Jahren noch so machen dürfen? Anschnall- und Helmpflicht, TÜV-ASU-Maut-Kat, Feierabendbier in der U-Bahn, öffentliche Telefonhäuschen und Briefkästen, kennen sie noch eine offene öffentliche Toilette. Früher durften wir noch pissen wie die Hunde?

Ausser im FKK-Bereich hat sich nichts, aber auch garnichts gelockert ... die Krawatten vielleicht ein wenig. Norbert Elias beschreibt sehr "schauderlich" in seinem Buch "Der Prozess der Zivilisation", dass dieser Prozess zwar in Wellen, aber doch wie die Zeit nur in eine Richtung verläuft. Zu Ende gedacht, werden zukünftige Generationen der Uterus erst garnicht mehr verlassen.


Wie Noëlle Burgi in der wieder mal so vorzüglichen Le Monde diplomatique zitiert:"Die Leute sind ja bereit, sich an die Gesetze zu halten", sagt die Angestellte einer Gemeindeverwaltung auf einer Kykladeninsel, aber wir wissen selber nicht, was wir ihnen sagen sollen. Wir kennen ja auch nicht alle neuen Vorschriften."

Eingekreist von Verboten im tiefen Dunkel des Schilderwaldes und den Untiefen der Paragraphen, wo sollen wir da noch ein Ich finden? Ich sag nur, Kopftuchverbot in Bayern, da packt sich die Zivilisation mal selbst an der Gurgel und verbietet sich die eigene Tradition, als Befreiungsgeste für eine Freiheit, die manche nicht wollen und auch nicht vertragen. Aber wieder ein Verbot. Von seiner Herangehensweise ist es eine Justiz der Ungesetze, einer Unjustiz. Mir geht es nicht um die Gesetze als solches, sondern um die Grundstimmung, die uns veranlasst, uns immer mehr einzuschränken, um im Endeffekt im eigenen Muff zu ersticken.
So muffig, dass jedes Gebot als laues Lüftchen wohlig um die Nase streicht. Dankbar inhaliert, besonders in Zeiten der Krise, wo strukturgebende Massnahme ihr Highlight feiern. An was man sich nicht so alles halten kann, das ist richtig toll. In der Sportart Festhalten ist die ganze Welt Weltmeister.
Dass es sich bei Geboten, jedoch nur um Verbote in Pubertät handelt wird ausgeblendet. Dass ein Gebot zumeist einfach heisst: tu es, sonst verbiete ich es dir. Ganz im Gegensatz zur deutschen Gesetzgebung, wird man bei den Zehn Geboten Gottes um die Strafgerichtsbarkeit scheinbar nicht herumkommen. Wo kann ich in dieser Instanz noch klagen? Es ist Fünf vor Zwölf, ich hör jetzt auf, den Rest können Sie sich denken. Gute Nacht.

Um mal ganz unpolemisch zu werden. Ich hätte meinen Frieden mit der fortschreitenden Zivilisierung der Menschheit, wenn ich mich des Gefühls erwehren könnte, dass es hier in eine ganz schräge Richtung läuft, vielleicht in der Art der dekadenten Endphase, einem letzten Aufbäumen eines Erkenntnisschrittes der zum Sterben bereit liegt. Die neuen Erkenntnisse schon alle am Tisch, frisst sich der Parasit, der Nutzniesser des verwesenden alten Systems/Paradigmas nochmals krampfartig in den Wirt, aus dessen Fleisch die tote Restmasse später nur schwer zu entfernen ist. Das liesse sich vermeiden.

Kurz und knapp gesagt -

Wieder mehr Verantwortung für den Einzelnen und im Gegenzug auch mehr Freiheiten. Das könnte der Grundgedanke einer künftigen, dem Selbsterhalt der Art mehr zugewendeten, konstruktiven Gesellschaft sein. Das ist auch schon alles vorbereitet, man lese und staune. Für waren es die Trickle Downs der Quantenphysik, die zusammen mit der herkömmlichen Philosophie ein geeignetes Gerüst bilden, den alten Schwachsinn zu beenden und den neuen zu starten. Warum nicht mal ein Sabbatical für die Parlamentarische, was Belgien kann, kann Gross-EU allemal, kleiner Scherz. Belgien fühlt sich für mich so unangenehm an, dass ich lieber bei den alten Griechen leben wollte. Kleiner Scherz. Es geht nicht um die Macht dem Volke zurück. Die, will man Elias glauben schenken, scheint zentrifugal/zentripedal hin- und herzuwechseln zwischen Volk und Herrscher - wobei es durchaus mal wieder Zeit für zentripedal wäre! Es geht um die Entwicklung des Kettenhemds der Zivilisation, die immer feinmaschiger und lückenloser wird. Ein aus dem Einheitsbrei geschaffener neuer Golem, Über-Golem, ein Übermensch, der so zivilisiert, dass man sich die Fernbedienung sparen kann. Ich seh das mit werdendem Alter auch immer deutlicher, wie gelassen manche Beschneidungen des Ich und andere Unverschämtheiten der Zivilisation hingenommen werden. Es ist weit seliger, Dinge freiwillig zu tun, als zu funktionieren. Selbst dieser Gedanke scheint nie dagewesen zu sein. Für mich als hartelinie ist da, von rein technischer Seite her gesehen, nur eine Lösung möglich. Auf einer Linie über dem Abgrund gibt es ausser der Linie nur Abgrund - vorwiegend natürlich darunter. Und für den unilinearen Prozess der Zivilisation gibt es auf der Linie keinen Platz mehr. Nochmal Vitalfunktion prüfen und in den Abgrund stossen, ehe es zu faulen beginnt, das (Paradigmen-)Aas und neue Geier anlockt.
Zivilisiert, klar. Altbewährtes behalten, wir wären ja blöd. Aber es muss auch mal wieder etwas erlaubt werden dürfen.

PS: Der Prozess der Zivilisierung ist ein rotes Tuch für mich und ich sehe den Todfeind Nummer Eins. Vielleicht ist das seine einzig gute Eigenschaft, dass ich währenddessen all die anderen Scheusslichkeiten vergesse.
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Dienstag, 13. Dezember 2011
Also, ich sehe, auch schwarz. Das ist gut, denn dann wird es am Ende nicht dunkler. Konstruktiver Pessimismus. Eine Jugend, die scheinbar die Innenstadt Londons demoliert, erlaubt auch eine Gegenwehr, die die SA alt aussehen läßt. Ich sage erlaubt, und das ist schlimmer als schon "in effect", weil es noch keinen schreckt. Überwachung? Drohne fliegt heute schon der einfache Bürger. Rechnen Sie das mal hoch auf die nächsten zehn Jahre. Da werden Sie ohne Programmierkenntnisse nicht mehr lebensfähig sein.

Diese Mischung aus wütendem Mob und Bilderstürmern, die die Ikonen des Konsums angreifen - Ikonoklasten, die ihre Götter nicht mehr durchs Schaufenster betrachten, sondern anziehen wollen. Sie sind das kleine Stück Realität, das man der Scrpited Reality noch beimischt, um weiterhin an jenem apollonischem Standbild festzuhalten, dem Gutmenschen.

Daß es sich bei unserer Wahrnehmung als Echo erweißt, die Gegenwart, die wir, bis wir sie endlich auf dem Schirm haben, schon wieder Vergangenheit ist. Und da liegt mehr als die Planksche Konstante zwischen diesen Welten. Wir und das Jetzt, davon träumen wir, seit wir aus Abrahams Wurschtkessel gekrochen sind. Für alle zum Mitschreiben: Was wir erleben ist immer nur Vergangenheit, für uns ist die Gegenwart schon Zukunftsmusik. Und das, finde ich spürt man.

Mit dem Untergang hat beides, das Jetzt und das Damals nicht mehr zu tun als der Spiegel mit dem Betrachter. Es tut nicht viel zur Sache, außer daß man sich sieht. Vielleicht tu ich da der geliebten Geschichte ein wenig Unrecht, wenn ich sage: Eigentlich ist es egal ob man rückwärts oder vorwärts gegen die Wand fährt, selber Effekt. Aber ich glaube, zu viel Historie macht keine Politik.

Nicht ohne Grund findet man ein Stück München noch im Schellingsaloon bei Schweinsbraten und Billard. Schelling, selbsternannter Idealist, schrieb in dieser bewegten Stadt (gefühlt sehr träge) seine Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, in denen er, wenn wir vorab alles göttliche Dividieren und den anderen religiösen Kram - wie mein Spezl sagt: Ohm Bla - dekonstruiert, also in unserem Falle wegstreicht, Folgendes nahezulegen scheint.

Wir tragen zwei Herzen in uns, das gute und das böse. Den Mythos und den Logos, die Ratio und den Traum, Apollo und Dionysos, Ohm Bla eben wieder, das ließe sich hier endlos weiterspinnen, angsprochen fühlt sich jeder.

Das Gute allerdings, und das ist nun interessant, ist der Geist der Liebe und das Böse ist eigensüchtiges, egozentrisches Handeln. Bei Schelling reguliert sich der Markt eben nicht selbst, sondern das verschollene Gute soll aus der Finsternis herauf und das Böse nicht schlechthin vom Planeten gefegt, sondern bleiben, als Spiegelbild des Guten, "... da sich die Liebe nur im Kontrast zum Bösen entfalten könne.

Aha. Schön, daß Schelling das Problem Freiheit oder Vorbestimmung auf so rätselhafte Weise gelöst hat, indem er vor oder über Gott noch einen Grund gesetzt hat, dem auch Gott zu folgen hat ohmbla ohmbla. Hinter allem steckt also dieser doofe Grund, Tiefengrund womöglich, den man garnicht abbekommt. Und dieser doofe Grund ist nun das Böse, dem sich der Mensch, das edelste unter den Tieren, mit seinem freien Willen gegenüberstellt und sagt: Nein.

Oder, ja. Je nachdem. Oder, eher doch, nicht wahr. Wo ist da der Punkt Da wird es schwierig, bei der Umsetzung. Schelling sozusagen ein Waschzettel mit all Nebenwirkungen und Kontrainikationen, der Firmengeschichte und Ohm Bla eben, und keine Indikationsliste oder Dosieranleitung, ohne Handlungsanweisung ganz allgemein. Er wollte auch nicht wegen Atheismus von der Uni fliegen wie Fichte.

Die Bilderstürmer der Cities (copyright) sind aber auch jene Ikonophoben, die den Mythos spüren, jene die Angst vor Bildern und Ikonen haben. Der Bildersturm kommt unter anderem aus einer Bilderangst. Aus einer Angst vor der Freiheit, aus einer Angst vor Verantwortung. Aber auch aus dem Bauch, dem Daseinsrecht des Dionysischem, dem Recht auf das Feierabendbier im Bus inklusive der anschließenden Entleerung an Bäumen.

Was wollen wir also in der Geschichte finden? Als abwurfbereiten Ballast auf dem Weg aus der Hölle mit unserem selbstgestricktem Heißluftballon. Selbst das Höllenfeuer strebt nach oben, Herr Schelling, und dorthin wollen auch wir. Nur alte Filme laufen in Schwarz/Weiß.

Und weil es eh schon lang ist, noch ein Abschlußzitat von Karl Kraus über den Herren, der den Tempel der Artemis in Flammen aufgehen ließ: „Bevor ich ein endgültiges Urteil über Herostrat abgebe, würde ich gerne ein Bild des Tempels sehen.“
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Montag, 10. Oktober 2011
Die Bierprobe
Es ist Montag Morgen, noch nicht mal Mittagszeit, und ich beschütte meine Biographie mit ausreichend Bier. Ausreichend Bier ist hier wohl etwas verfehlt, denn ausreichend ist erst, wenn ich die Flasche nicht mehr greifen kann.
Direkt nach dem Aufstehen ist der Handlungsraum noch nach allen Seiten offen. Ich telefoniere und suche Freunde. Erst ab dem dritten Kaffee stellt sich eine Weggabelung in den Weg. Hat sich bis dahin kein Partner für meinen rasenden Puls gefunden, wird er sich wohl nur noch mit Bier behandeln lassen.
Biographisch möchte ich es nennen, da mich beim Saufen die Altlasten verfolgen. Bier auf einen Triglyzeridwert von über 500 und eine Gastritis draufzuschütten bedarf einiger Überwindung. Seltsamerweise ist die Überwindung garnicht so groß, wenngleich der Würgreiz nicht so recht zum ersten Bier passen will.
Ich muss Entscheidungen treffen. Hol ich mehr Bier bevor es alle ist?! Eine schlechte Frage, denn das Bier ist schon alle. Jetzt greift die Niedergeschlagenheit in ihrer vollen Breite um sich - mit zwei Flaschen läßt sie sich auch schwer einkesseln. Ich muss los.

Nennen Sie mich bitte keinen Wüterich: ich verwende Bier und nicht Schnaps. Ich scheine dem Genuß noch einiges abgewinnen zu können. Oder ist es die Angst vor der Gänzlichkeit?
Ich versuche, mir den morgendlichen Rausch damit gutzureden, daß ich nicht einmal auf dem Oktoberfest war. Ich versuche mir den Teil des Abziehbildes Alkohol aufzukleben, der nicht klebt, den gesellschaftlich guten Aspekt, das Abdrücken der Steuerlast und das Vernichten, auf daß es andere nicht trinken müssen.

Ich brülle meinen Bildschirm an, bald entschuldige ich mich - der einzige der auf Knopfdruck noch auf mich reagiert. Das will ich mir nicht vermasseln. Ich prügle auf meinen Schreibtisch ein, meinem einzigen Freund, der noch auf vier Beinen steht. Müde, müde, müde, aber unter der Haut krabbelt und bebt es wie eine Horde Milben. Ob Schmetterlinge im Bauch, Hummeln im Arsch oder Milben unter der Haut, die Ruhe findet kein Zuhause. Steter Tropfen höhlt den Stein, aber ein Biertsunami rauscht darüber hinweg und trägt mich fort aus dem Tora-Bora der Gefühle.

Ich geh noch nen Kasten holen.
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Donnerstag, 6. Oktober 2011
Die Würde des Menschen ...
die würde, wenn sie sollte. Die Würde und die Sollte.

Ich kann's garnicht glauben, daß es noch Leute gibt, die sich an die ... Würde des Menschen ... erinnern. Damit verhält es sich wie mit einem Doktortitel: man muss ihn erstmal haben, um ihn wieder aberkannt bekommen zu können. Und haben tut sie nicht jeder. Wäre auch seltsam bei einem Substantiv, das im Konjunktiv vorliegt.
Daß sie unantastbar ist, verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß sie sich vermutlich schon länger hinter dicken Mauern in Abschiebehaft befindet.

Ich glaube, da liegt ein grobes Mißverständnis vor. Ich würde, ... aber. Und das Würde ist unantastbar. Das heißt, man läßt die Würde in ihrem Zementblock ruhen und stellt die Eventualität in den Vordergrund. Ich würde schon.

Wie Schwarz auf Weiß sticht sie hervor, die Sollte. Wie der Deckel auf einem gelesenem Buch ruht die Sollte auf der Würde. Das was zählt auf einem Stück Papier war immer nur das Schwarze, das Sollte. Das weiße Potenzial wird nicht ausgeschöpft, das Würde ...
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Donnerstag, 8. September 2011
Historizieren
heißt: Aktuelles mit Historischem in Verbindung zu setzen, um es sozusagen zu legitimieren.
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Die Unverschämtheit dabei ist, daß es das Aktuelle abwertet ... als könne es nicht unabhängig vom Vergangenen existieren.

Doch wie schon Arno Schmidt bewiesen hat, ist die Zeit kein Kontinuum. Das Jetzt ist so wie es ist, auch ohne wie es war. Nur weil es dieses und jenes früher auch schon gegeben hat, sagt das nichts über das Jetzt aus. Vielleicht erleben wir eine Schuldenkrise wie 1929 oder auch nicht. Oder es wird das Ende der Geldwirtschaft, wie wir sie kennen.

Aus dem Griechischen Theater wurde die Oper, geschaffen von einem ignorantem Pack Schwanzlutscher aus der Renaissance. Der Orpheus von Monteverdi, wo selbst die Maden kein Fleisch mehr finden, will nach fast 500 Jahren immer noch nicht sterben. Florentiner Camerata hieß dieses Pack, bestehend aus krankhaftem Ehrgeiz, Neidsucht und Besserwisserei. Tief verwurzelt im eigenen Zentrismus fuhr die "Elite" dieser Epoche blind durch den Storm der Zeit, den Blick rückwärts gewandt auf die "Klassiker" - erst in diesem Schatten konnte das Krebsgeschwür des Bankwesens arg gedeihen.
Und das auch noch anfangs mehr als monodoner Sprachgesang - meinerseits hätte das so bleiben können, besser als das ohrenbetäubende Gekreische unserer heutigen Opernvorstellungen.

Der einzige Grund einen flüchtigen Blick in die Vergangenheit zu werfen, bleibt der erheiternde Gedanke, daß sich die Renasissance nun endgültig verabschiedet aus dem Kultursalat. Dieses muffige Stück Fleisch das Mehlmotten, Silberfische, Maden und Fliegen wie das Bankwesen und die Oper erschaffen hat.
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Die Geschichte des Protests? Ich scheiße auf die Geschichte des Protestes, die Prothese des wirklichen Protestes, die künstlich angelegte Behinderung des Eigentlichen, des Gegenwärtigen.
Es geht nicht darum, ein seit der Renaissance herangewachsenes Karzinom, genannt Banken und seine Metastasen, den Kapitalismus, aus dem Volkskörper zu brennen. Keine moralische Chemotherapie von Nöten. Der Schorf fällt von alleine ab, sobald wir unseren Blick wieder auf das Jetzt richten ohne Zinsen, Zismen und ohne Religion.

Es gilt, sich umzusehen und seine eigene Umwelt mal etwas genauer zu betrachten. Es gilt, das Nahe zuerst zu entdecken ... bevor man darüber stolpert.

.....o..h.....j..e....d.e.r......b...t.x.t.................................

Aus der Geschichte zu lernen bedeutet, sich von den Ängsten zu befreien, die uns die Propagandamaschine zu vermitteln veruscht. In Geschichtsbüchern mag ich vielleicht nur ein Dreimillionstel Julius Caesar sein, doch wie Johannes Baader in seinen acht Weltsätzen sternenklar bemerkt: Alle Menschen sind Engel und leben im Himmel.
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