Sonntag, 4. September 2011
Mein Handy hat mich in der Hand
Mein Handy ruft nicht irgend jemanden an, wenn es will, sondern es ruft jene, die ich anzurufen versuche, dann an, wann und wo ES will. Und es hat nichts mit Funklöchern zu tun. Ich weiß wohl, daß im digitalen Nirvana unter all den Apps vergraben auch die FAQs zu finden wären. Doch, wer gibt sich schon die Blöße.

Die ersten beiden Tage konnte ich keine Anrufe entgegennehmen, weil ich nicht begreifen wollte, daß ich den grün erscheinenden Button - nicht den roten, klar - nicht drücken, sondern schieben sollte. Schon das fleißige Umschreiben des Adressbuchs gestaltet sich mehr als schwierig, denn Google möchte alles wissen und meinem eigentlichem Adressbuch nichts verraten. Und Google zeigt mir auch gleich deutlich, wer hier Master und Slave ist und bleibt. Ich möchte die wenigen Jahre aber noch nutzen, bevor mir eine Datenbank meine Freunde zuteilt. Wenn ich mich ernsthaft dem Thema Lungenkrebs stelle, könnte ich sogar die digitale Entmenschlichung noch überleben, bzw eigentlich vorher sterben (siehe Langlebigkeitsrisiko).

Ich darf also nur einige, von einer Suchmaschinen-Firma ausgewählte Personen anrufen. Anmailen oder auch SMS geht an jeden, aber anrufen, nur ein paar Auserwählte. Vielleicht haben Sie es schon erraten: nur jene mit google-account. Und die dürfen auch nur eine Telefonnummer haben. Das ist mir fast noch suspekter: warum will google denn nun nicht alle Daten haben? Wenn google schon eine Telefonnummer genügt, dann sind wir in rauhen Zeiten angekommen.

Bekomme ich es schließlich irgendwie gebacken, mich mental an eine Telefonnummer zu erinnern oder die eines der Auserwählten aus dem Google-Telefonbuch zu fischen, so beginnt sich das große Glücksrad zu drehen. In der Hälfte der Fälle werde ich augenblicklich und ohne Murren durchgestellt. Doch die restlichen Wählversuche gehen fürs Erste ins Leere. Vielleicht hat der Sensor nicht reagiert, ich drücke nochmals, und noch zweimal, meine Samsung-Telefonzentrale will mich aber nicht durchstellen. Viele Minuten später, den Anruf schon vergessen, zuckt es in meiner Tasche und ich stelle fest, daß die Verbindung aufbebaut wird. Ich lehne ab und tue dies noch dreimal innerhalb der nächsten zehn Minuten.

Inzwischen muß ich mein Handy bewachen, daß es nicht selbstständig früher gewählte Personen anruft. In meinem bereits fremdgegoogeltem Bekanntenkreis bauen sich Freundschaften auf, die ich so nicht gewollt habe. Und Feindschaften, wo ich manchmal nicht so recht weiß. Mein Handy hat mich in der Hand, auch wenn das von außen genau andersherum erscheint. Schalten Sie ab, solange das noch geht.
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Freitag, 15. Juli 2011
Freiheit oder Determination - Die Grundlagenforschung der hartenlinie (Teil 2)
Die Linie muss immer härter sein als das Leben und so manch anderes. Hineingeschmissen in einen Wust aus sich verändernden Realitäten wuseln wir uns ans Licht. Von der Mutterbrust - in ihren Größen ganz verschieden - zu Überlegungen wie: Reicht mir die Schachtel Kippen heute noch? - das ist ein weiter Weg. Und so frei wir uns auch fühlen, unsere großen Hintergrundsmuster sprechen uns dies eher ab.


Da wären die monotheistischen Religionen, hier speziell das Christentum. Der liebe Augustinus hat sich da besonders und besonders früh hervorgetan. Während sich in den ersten 3 Jahrhunderten nach Jesus das Christentum vorwiegend um die Frage nach der Trinität, der Göttlichkeit oder Menschlichkeit eben dieses Jesus die Köpfe einschlug, kam mit Augustinus 400 die Frage nach der Vorherbestimmung des Menschen hinzu. In der sogenannten Prädestinationslehre geht es um den Willen Gottes der uns unabhängig von unserem Tun der Erlösung oder der Verdammnis zuschlägt.
Die Gnadenwahl Gottes ist bei Luther noch etwas aufgeweicht. Calvin und die späteren Protestanten sind dann aber schon knallhart. Da können wir bußen und beten, fluchen und bescheißen, wie es ausgeht weiß der liebe Gott allein. Die Katholiken, die mich in letzter Zeit immer wieder positiv überraschen, sind in der Gnadenwahl in sich etwas gnädiger und gestehen uns doch eine Restentscheidung zu. Gottergeben sein Schicksal zu erleiden. Das ist der Plan.
Waren die Götter der Griechen in ihrer Macht vielleicht göttlich. In ihrem Handeln und in ihrer Weisheit waren sie allzu oft nur allzu menschlich. Unser heutiger lieber Gott - und schade daß es da keine demokratische Einflußmöglichkeit gibt - der läßt da nichts mehr anbrennen. Mit der Erbsünde auf dem Buckel haben wir einzig die Freiheit zu sündigen und Leibniz nennt dies dann auch noch die beste aller Welten. Ja, sag mal ... echt? Was ist denn bei dir in der Kindheit schief gelaufen?

Der Wissenschaftsapparat hat zwar schwere Einbrüche erlitten mit der Heißenbergschen Unschärferelation, der Chaostheorie und anderen neuzeitlichen Störungen, prinzipiell aber deutet er die Welt als wirklich und vorwiegend berechenbar. Daß die Funktion unseres Denkens es ist, Ordnung zu schaffen, und somit die Unordnung einen schlechten Stand hat, kommt hier deutlich zum Tragen - mit der Wirklichkeit hat das nicht viel zu tun. Die Axiome, also Grundverständnisse der Wissenschaften selbst, sind wissenschaftlich nicht beweisbar. Das Wetter wird immer vorhersagbarer, aber daß es die Welt gibt, läßt sich nicht beweisen. Wir haben ein massives Beobachterproblem.

Wie STIRNER sagt, ist es die Effizienz, die uns bewegt. Nicht die Wahrheit. Es ist mir egal, ob es nun wirklich Atome, Quarks oder Strings sind, Hauptsache ich kann damit meinem Nachbarstaat eins auf die Mütze geben. Der Antrieb für einen CERN Ringbeschleuniger ist weniger die Idee, der Wirklichkeit näher zu kommen, als die Idee der Macht und des Überlebenstriebs.
Es ist mir etwas rätselhaft, wie sich das hinten raus rechnet. Denn eigentlich sind wir im Westen dabei mit den Gletschern auszusterben und weltweit auf dem besten Weg uns in einem oder in vielen Streichen zu vernichten, Erde, Wasser und Luft zu vergiften, um das ganze dann auch noch in die Luft zu jagen. Naja, ich bin ja nicht in der Buchhaltung.
Um weiterhin den Machtanspruch aufrecht zu erhalten, ist es für die Wissenschaft wesentlich, so zu tun, als hätte sie den Überblick und könne daraus Lösungen schaffen. In beidem fährt die Wissenschaft einen erfolgreichen Kurs. Mit großem Erfolg hält sich die wissenschaftsgeschichtliche Tatsache, daß altes Wissen immer durch neues widerlegt wurde und somit das jetzige Wissen bald auch widerlegtes sein wird, auf dem Grunde eines trüben Teichs.
Ich weiß noch, in der Schule: Moleküle, Atome, Protonen, Elektronen und irgendwo waren da noch Photonen, masselos und scheinbar auch nicht von langem Leben. Wie aus einer Handgranate wurden daraus fünf Sekunden später Quarks und jetzt die Sache mit den Strings. Wäre schön, wenn unsere Lebensmittel dadurch besser geworden wären in den letzten 2000 Jahren. Sind sie nicht und daß das Rentenproblem uns jetzt wie ein Gespenst aus dem Dunklen anspringt widerspricht auch stark meinem Reptiliengedächtnis an die Schulzeit und die Alterspyramide. Ist weniger weil unsere Politiker besser BWL als Jura studieren hätten sollen, sondern mal schnell die Altnazis ausbezahlen, für die auf ihrem Rußlandfeldzug die Rentenleistung mehr Feindkontakt bedeutete als ein Haufen Batschaken. ... nun gut ich schweife ab ...
Wissenschaftlich ist es mit dem Überblick nicht weit her. Mit der Beseitigung der selbstproduzierten Probleme noch viel weniger weit, auf kurze Distanz findet sich dann aber doch immer eine Firma, die die Symptome vorübergehend in den Griff bekommt.

Die wiederum kommt aus einem ganz anderem Lager. Die Konkurrenz wartet schon in den Startlöchern.
Das was Max Weber in seiner Untersuchung der Entwicklung des Kapitalismus und der prothestantischen Ethik schon 1900 festgestellt hat, feiert derzeit - ich hoffe - seinen Höhenflug. Ganz kapiert hab ich's noch nicht ... wir sind frei in unserem Tun (weitab von der evangelischen Mutterkirche) und durch unsere kräftige Einmischung in den kapitalistischen Prozeß und den uns daraus beschiedenen Erfolg bezeugen wir den Willen Gottes und unsere ... Nähe zu Gott? baldige Erlösung? Das ist religiös fundamentierter, deterministischer Kapitalismus. Das Geld als Gott. Das ganze verbunden mit der Enteignung der Menschen wird es nicht mehr lange dauern und wir schießen die Arbeitslosen zur Glaubensprüfung ins Weltall. Wer nicht zurückkommt hat Einlass gefunden oder den Glauben nicht gefunden. Bei so einem Ausflug fühlt man sich wie eine Spermie, denn nur wenige finden Einlaß. Der nette Tele-Prediger von ProChrist2006 in seinem Smart ist für mich angstbesetzter als Kierkegaard, Kafka, Munch und das dritte Reich in einem.
Laßt uns nicht Spermie, sondern Sprengmine sein. Wir lehren den Quarks und Strings das fürchten. Aufpassen ihr Fäden und Membrane, jetzt knallts dann gleich gewaltig ... und zwar diesmal der Urknall aus dem Ich heraus. Bis dahin beten wir für die Opfer des kapitalistischen Kreuzzugs oder hoffen wir etwa, daß es noch ein wenig dauert, bis wir uns von unseren reslichen Aktiengewinnen trennen. Nur noch dieses eine Hoch ... Fragen über Fragen. Und die hartelinie bietet die Antworten. Wir nehmen diesen Gewinn auf jeden Fall noch mit. Es muss so viel übrig sein, daß wir wenigstens noch die Bastion Berchtesgaden gegen diese Aldi-Religion aus dem Norden halten können. Denn was der wissenschaftlichemn Europa auf dem Stier folgt ist der Jäger. Es sind adrett in schwarz-weiß gekleidete junge Herren mit amerikanischem Akzent, die den Virus in unsere Köpfe tragen, in deren Schafspelz wir uns kuscheln bis uns die Titten platzen. Die Jäger aus dem Norden ... oder Westen eigentlich eher, und vielleicht sehen sie auch anders aus. Aufpassen, auf jeden Fall. Die Jagdgründe sind knapp geworden und die Jagd mehr ein EgoShooter.

Da werd ich doch lieber Vampir. Ewig leben und nicht altern, also gut wenn man sich früh entscheidet. Hallo ich will garnicht erlöst werden, ich find's eigentlich ganz cool. Ich bin Freispruch, nicht Kreuzigung. Ich find aber auch Albert Camus ganz gut: Determiniert durch was auch immer, aber voll verantwortlich. Hat so was Radikales. Oder Moritz Schlick, der findet, daß es um jedes Papier schade ist, das darüber geschrieben wurde, weil es unentscheidbar bleibt. Ich glaube, daß wir die Freiheit erst einmal kennenlernen sollten, ehe wir darüber urteilen. Und da haben wir einigen Nachholbedarf, noch viele gemeinsame Stunden, wir und die Freiheit, allein unter einer Decke ...
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Donnerstag, 14. Juli 2011
Burn your name today
Wem bei Metal nur Metalica einfällt, dem fällt auch bei Rennpferd nur Schockemöhle ein. Wenn Sara Wagenknächt etwas zu Sozialismus sagt, so zählen die Ideen und nicht der Name Wagenknächt. Und wenn sie sagt, ihr schmecke Nutela am Morgen, dann zählt die Idee und nicht das Produkt. Die Ideen sind es und die kennen keinen Besitzer. Ein Plagiat, da lach ich ja. Wer hat denn heute noch Orginale?
Sarah Wagenknecht, das glaub ich doch nicht. Ihre Geburtsurkunde wurde vermutlich am gleich PC ge-faket wie die von Obama. Ich bin davon überzeugt, sie in den 70ern schon mal am Strand von Rimini getroffen zu haben.




Kein Name ist heilig. Schon garnicht der eigene. Critizise me, attack me, fuck me hard ... I need your energy. Eigentum ist Diebstahl. Du gehörst dir nicht selbst. Und wer ihn braucht, seinen Namen, seinen Ruhm ... stay tuned, der Volkskörper Hooligan United baut den Luden eine Stadt. Eine Stadt mit Straßen und Häuser mit Namensschildern. Wir begrenzen die mit Persönlichkeiten operierende Geschichtsschreibung auf einen Ort. Da wohnt dann Cäsar gleich neben Mao und Alexander teilt sein Klingelschild mit Hindenburg. Eine Koordinate für alle Geschehnisse.
Wählen wir doch sittsam demokratisch die Bedeutungslosigkeit als das Ideal. Nehmen wir endlich Kontakt zur Realität auf. Wir brauchen Bücherverbrennungen - jetzt wo wir alles digital haben. Wir brauchen E-Bookverbrennungen, unter Verweis auf die Weapons-of-Mass-Destruction. Aber eines brauchen wir nicht, noch einen Namen. "Was tönen ihre Posaunen, Schellen, Hörner und Flöten anders als: herbei zu uns, ihr Henker! Ihr Raubvögel!"
Nicht Branding oder virales Marketing, sondern Burning. Nicht wie die seltsamen Puderfinger, sondern wie diese Helden der Verhaltensforschung. Burn your name today.
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Dienstag, 7. Juni 2011
Endstation Kaufbahnhof

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An welcher Realität hält sie denn fest, die sogenannte Gesellschaft - die gute wie die schlechte. Wie ein Affe am Seil hangelt sie über dem Nichts von Statistik zu Statistik, von Bezugspunkt zu Bezugspunkt, gleitet durch den Tag wie ein Aktienchart mit Schlußkurs zum Börsenende. Wie mit Bambus und Kabelbinder rüsten wir unseren Realitätssinn ein mit Tabellen und Theorien. Warum habe ich den kältesten Winter seit 40 Jahren wohl schon mehrmals erlebt?

Über Jahrtausende benzen Philosophen an die Gesellschaft hin, daß wir doch eigentlich garnix wüssten. Dem stellt sich aus der Beschränktheit der menschlichen Erkenntnis die Religion und (Hilfs-)Wissenschaft Scienzia die längste Zeit entgegen, bis letztere selbst seit rund hundert Jahren auf den Kurs der Bewußtlosigkeit einschwenkt, daß wir nämlich wirklich überhaupt nichts wüßten ... zumindest nicht so genau und wenn bliebe es uns verborgen.

Wir aber wurschteln mit Sicherheitseinstufungen, Plaketten und Ernährungshinweisen, als ob wir die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten. Wir verlieren unsere letzten Dioptrin bei der Entzifferung der Zusatzstoffe, wohlwissend daß wir den Rest lieber nicht wissen wollen. Wir sind die universellen Meister im Selbstüberlisten. Unsere Lernfähigkeit muss im Alter nicht degenerieren, unsere Lernwilligkeit tut es offensichtlich. Pragmatisch ja, aber dumpf und unüberlegt. Ohne unseren Wissensvorteil zu nutzen, ergeben wir uns der eigenen Fata Morgana und sperren uns in unser eigenes Gefängnis. .

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In beiden Fällen laufen wir blind durch den Wald, doch im Falle der Wissenschaft stopfen wir uns noch Ohropax in den Gehörgang.

Warum sprechen wir davon, daß wir so vieles nicht ändern könnten, wo wir eigentlich wissen, daß wir das garnicht beurteilen können? Weil wir gerne blind bleiben wollen. Endstation Kaufbahnhof. Weil es eben bequem ist zwischen Sportschau und Tatort.

Um der Aufklärung nachträglich Sinn einzubleuen und auch einem Herrn Ohnesorg nicht ohne Ehr dahinwesen zu lassen, geziemt es sich immer wieder mal an der milchglasigen Schale zu klopfen. Immer wieder mal den Hoffnungsschimmer gedeihen lassen, daß sie bricht.

Versammelt in der enggewordenen Fruchtblase des Kapitalismus geht es zu wie in einem Sack Hackfleisch. Doch wenn die Schale bricht, stößt der MutBurger die Semmelhälfte auf und erblickt das Licht, die Liberte, die gurgenfreie Zeit. Und jedesmal wenn es besonders weh tut, denk ich mir: Endlich die Wehen! Finalmente.
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