Die Bierprobe
Es ist Montag Morgen, noch nicht mal Mittagszeit, und ich beschütte meine Biographie mit ausreichend Bier. Ausreichend Bier ist hier wohl etwas verfehlt, denn ausreichend ist erst, wenn ich die Flasche nicht mehr greifen kann.
Direkt nach dem Aufstehen ist der Handlungsraum noch nach allen Seiten offen. Ich telefoniere und suche Freunde. Erst ab dem dritten Kaffee stellt sich eine Weggabelung in den Weg. Hat sich bis dahin kein Partner für meinen rasenden Puls gefunden, wird er sich wohl nur noch mit Bier behandeln lassen.
Biographisch möchte ich es nennen, da mich beim Saufen die Altlasten verfolgen. Bier auf einen Triglyzeridwert von über 500 und eine Gastritis draufzuschütten bedarf einiger Überwindung. Seltsamerweise ist die Überwindung garnicht so groß, wenngleich der Würgreiz nicht so recht zum ersten Bier passen will.
Ich muss Entscheidungen treffen. Hol ich mehr Bier bevor es alle ist?! Eine schlechte Frage, denn das Bier ist schon alle. Jetzt greift die Niedergeschlagenheit in ihrer vollen Breite um sich - mit zwei Flaschen läßt sie sich auch schwer einkesseln. Ich muss los.

Nennen Sie mich bitte keinen Wüterich: ich verwende Bier und nicht Schnaps. Ich scheine dem Genuß noch einiges abgewinnen zu können. Oder ist es die Angst vor der Gänzlichkeit?
Ich versuche, mir den morgendlichen Rausch damit gutzureden, daß ich nicht einmal auf dem Oktoberfest war. Ich versuche mir den Teil des Abziehbildes Alkohol aufzukleben, der nicht klebt, den gesellschaftlich guten Aspekt, das Abdrücken der Steuerlast und das Vernichten, auf daß es andere nicht trinken müssen.

Ich brülle meinen Bildschirm an, bald entschuldige ich mich - der einzige der auf Knopfdruck noch auf mich reagiert. Das will ich mir nicht vermasseln. Ich prügle auf meinen Schreibtisch ein, meinem einzigen Freund, der noch auf vier Beinen steht. Müde, müde, müde, aber unter der Haut krabbelt und bebt es wie eine Horde Milben. Ob Schmetterlinge im Bauch, Hummeln im Arsch oder Milben unter der Haut, die Ruhe findet kein Zuhause. Steter Tropfen höhlt den Stein, aber ein Biertsunami rauscht darüber hinweg und trägt mich fort aus dem Tora-Bora der Gefühle.

Ich geh noch nen Kasten holen.


einemaria am 20.Dez 15  |  Permalink
Dass das bisher nicht kommentiert wurde, ist wirklch traurig.