Sehr geehrter Herr Phom,
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hätten wir ohne den monotheistischen Block keine Moral und keinen Frieden. Es gäbe keinen Gott, der Herrn Bush eingeflüstert hätte, daß sich die Stabilität des Irak nicht ohne eine militärische Invasion erreichen ließe. Ohne DEN Glauben befänden wir uns bekanntlich in einem Zustand einer atheistischen Anarchie, einer blutigen Führungslosigkeit, wo jeder täte, was er wollte, weil er die Hölle nicht fürchten muß.
Wie zum Beweis durch die aus den Höhlen in der Wüste geborgenen Schriftrollen nochmals untermauert, haben wir zumindest die über Jahrhunderte vervielfältigten Abschriften der Apostel, die uns nicht nur jene zehn Gebote überliefern, auf die wir selbst nie gekommen wären. Wir dürfen von Glück sprechen, daß uns Kirchenführer und Propheten diesbezüglich auch immer wieder auf den neuesten Stand bringen.

Das Problem ist, daß (und ich bitte Sie dies nicht weiter zu veröffentlichen) unser monotheistisches Gebilde ein wenig ins Wanken geriet im letzten Jahrhundert. Es wurden im Nachhinein betrachtet Fehler gemacht auf unserem Kreuzzug der Liebe. Ich möchte allerdings behaupten, daß es die infame Häresie der Katharer und anderer Unruhestifter war, die Inquisitoren wie Heinrich Kramer, Bernard Gui und den verehrten Tomas de Torquemeda aktiv werden ließen. Ich spüre es in meinem Herzen, daß es durchwegs der gute Glaube war, und vielleicht eine etwas übertriebene Ehrenrührigkeit, der während des ersten Kreuzzug unter der Führung des Grafen Emicho am 27.Mai 1096 in Mainz das Judenviertel ausradieren ließ.
Und zugegebenermaßen ist es nicht lange her, daß Leichenberge und die Verurteilung zum Kriegsverbrecher die Liebe und Wärme der kroatischen Franziskaner unter der Leitung des selig gesprochenen Märtyrers Kardinal Stepinac verdeckten.

Sehen Sie, Herr Phom, man kann die Toten ja nicht wieder aufwecken. Es ist die Reue, die zählt. Bei dem ein oder anderem reicht da auch schon eine einfache Beichte, um so Ungeschicklichkeiten wieder ins Lot zu bringen. Die Gnade ist eines der höchsten Prinzipien der Güte unseres Herren - nicht nur für die Sünder. Im Verzeihen kann auch das Opfer seine Ehre wieder rekonstituieren.

Ich selbst bin kein Freund des Islam, wo sich doch deutlich im Rahmen besagtem Videos zeigt, zu welchem Haß dieser Ableger fähig ist. Kein Wunder, daß sich ein Feuer in der Hitze der Wüste viel leichter entfachen läßt. ABER - und hier widerspreche ich Ihnen mit einem drohendem Deut auf unsere oben genannten Ausrutscher - wenn wir nun anfangen, die Meinungsfreiheit, die wir alle so schätzen, dahingehend ausufern zu lassen, daß man nun auch die unantastbaren Fundamente des einzigen Glaubens verhöhnen und verspotten darf - und seien sie noch so abwegig wie die Worte eines Wüstenpredigers - wird es nicht lange dauern, daß entsprechende Schmähungen auch unsere geliebte Götterfamilie (auch damals interessanterweise schon Kleinfamilie) bald treffen könnten.

Wollen Sie wirklich in die Fußstapfen der Häretiker und Gottlosen steigen, die, wie oben erwähnt, auch damals schon ein Schlachtfest über Europa und seine Kolonien brachten? Kehren Sie doch bitte erst einmal vor der eigenen Tür, ehe sie sich wie ein Aasgeier über ein so sensibles Thema stürzen wie den von einer Brut gottloser Unmenschen geschürten angeblichen Zwist der Religionen.

Wenn Sie die Blasphemie wieder hoffähig machen wollen, können wir uns gleich auch noch dem Thema der Holocaustleugnung widmen ;(


jean stubenzweig am 24.Sep 12  |  Permalink
Also bitte!
Die Katharer waren doch gottesfürchtigte Menschen.

Oder sollte ich mal wieder auf der Leitung stehen?

einemaria am 26.Sep 12  |  Permalink
Nun,
wer sich nach einer Krankheit benennt, der sollte über die Heilung sich nicht erzürnen.
Nein, mal im Ernst. Eine eigene Organisationsstruktur aufzubauen, worüber sich die römisch-katholische Kirche jahrhundertelang den Kopf zerbrochen hatte, zeugt nicht wirklich von Respekt gegenüber der Leitungsfunktion der Kirchenoberhäupter. Und schließlich anzufangen, eigene Regeln einzuführen ... so läßt sich kein Kirchenstaat führen. Wenn jeder sich selbst die Gesetze schreibt. Die Katharer, so ich das in meiner bescheidenen Position als Schaf dieser Herde beurteilen kann, waren so gottesfürchtig, daß wir sie durchaus in die Ecke der Fundamentalisten stecken können. Vegetarier mit der Auflage zu arbeiten ... das ging damals ganz und gar am Zeitgeist vorbei. Warum haben sich denn diese ehrwürdigen Kirchendiener zum Zölibat und all den anderen Enthaltungen verpflichtet? Um dann Rüben anzubauen? Nein. Die so gewonnene freie Zeit sollte ganz im Dienste des Herrn stehen. Zu sinnen und zu singen, den göttlichen Atem zu spüren in der Stille des Klosterlebens. Sehen Sie sich nur an, was uns die Reformation gebracht hat, mit Calvin etc. Arbeit, Arbeit, Arbeit und schließlich den Verlust der übergeordneten Moral.

Gottesfürchtig vermutlich, aber eben häretisch in einem Maße, das Toleranz zu einem Verbrechen gemacht hätte. Die wirklichen Feinde der Liebe Gottes, sind nicht die, die sie noch nie gekannt haben, sondern jene, die sich von ihre abgewandt haben. Die innere Opposition wird bekanntlich immer zuerst hingeschlachtet.

phom am 25.Sep 12  |  Permalink
Sehr geehrter Verfechter der harten Linie,

weil Sie die zehn Gebote, »auf die wir nie gekommen wären«, ansprechen, fällt mir hierzu direkt der Film »Religulous« ein. Bill Maher stellt darin einmal fest, dass diese Gebote ja auch nicht sonderlich weise sind, zumal einige wesentliche Dinge darin fehlen, die jedoch enthalten wären, würden wir heute eine solche Liste schreiben. Die einzigen Elemente aus den Geboten, die heute in »westlichen Demokratien« gesetzeskraft haben, sind das Verbot des Mordens und das des Stehlens. Nach einem Verbot der Folter oder der Vergewaltigung sucht man hingegen vergebens, womit Maher die Frage aufwirft, weshalb wir heute ein Verhalten für schlecht erachten, wogegen »Gott« damals nichts auszusetzen hatte, hätte er dies doch ansonsten in den Geboten erwähnt. Das aber nur als Randbemerkung.

Wissen Sie, ich bin nie auch nur mit der Idee schwanger geworden, mich jenen Gottlosen und Häretikern anzuschließen, die für so viel Unbill unter den Menschen gesorgt haben. Schließlich war ja auch der GröFaZ bekennender Atheist, wie mir eine Gruppe Rechtgläubiger vor einigen Jahren durchaus glaubwürdig weißmachen wollte. Was die Ausuferung der Meinungsfreiheit anbelangt, können Sie unbesorgt sein, denn zumindest hierzulande sind wir davor bestens geschützt. Deshalb möchte ich mich hier auch gar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, müsste ich doch sonst auf meine schöne Aussicht hier verzichten.

Es versetzt mich immerzu in Erstaunen, wie es Blasphemie überhaupt geben kann, ist doch »Gott« (oder der Mensch?) gar nicht satisfaktionsfähig. Naja, das würde vielleicht zu weit führen. Wir haben Glück, dass der Pantheismus nicht Staatsreligion ist, denn dann liefe schon die geringste Unmutsäußerung über die Macken der neuesten apfeltechnischen Errungenschaft unter Blasphemie, wobei...
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An Herrn Stubenzweig, der, wie ich weiß, auch bekennender Apfelliebhaber ist, diese Liebe jedoch eher aus ästhethischen wie funktionalen Beweggründen und weniger aufgrund eines irrationalen »Konsumfetisches« lebt, sei noch folgende Bemerkung gerichtet: Auch gottesfürchtige Menschen können Ketzer sein – nämlich dann, wenn ihre Gottesvorstellung von der Mehrheitsmeinung abweicht. Die Katharer wurden ja dann auch als solche von der katholischen Kirche und namentlich den hier verlinkten Inquisitoren verfolgt. Zumindest verstehe ich die Andeutung dahingehend.