Unter Pfeiffen - modernes Arbeitsleben



Warum immer anlehnen, an den Tarifvertrag, warum nicht mal auch einfach ablehnen. Unter Tarif ohne Weihnachtsgeld und Sommerprämie mit einer halben Stunde wöchentlich mehr arbeiten. So sieht unsere Lohnerhöhung aus und unser Inflationsausgleich gleich mit.
Und ich bin noch Altvertrag. Bei Arbeitsstellenwechsel wäre es dann ein neuer Vertrag mit drei bis vierhundert Euro netto weniger. Das nenn ich mal Arbeitsanreiz. Diese Arbeit ist nicht gut, nur weil alles andere angeblich schlechter ist. Ich bin nicht darauf angewiesen, daß ich kaum etwas verdiene.

Liebes Management, ihr fahrt irgendwohin und nehmt uns nicht mit. Damit sind wir nicht mehr dabei. Wir bleiben da, ihr seid weg. Eigentlich nicht verkehrt.
Seit die leitenden Angestellten ihre Leitungsaufgaben darin sehen, den Untergebenen nur noch mitzuteilen, wie schlecht sie arbeiten; wenn der Controller-Wahnsinn darin besteht, zu subsummieren wieviele Fehler ich begangen habe, anstatt sich um deren Vermeidung zu kümmern, dann ist es auch nur sinnig, das Management einzig mit der Aufgabe zu "betreuen", uns klar zu machen, daß es für so schlechte Arbeitsleistung eben auch nur eine ebenso schlechte Bezahlung verabreicht gibt. Und wenn ich 1€ und 2,70€ steuerwerten Vorteil zusammenzähle, dann nenn ich die Zumutung von Amateurkantine mal kein gratis Mittagsmenu. Es soll sich im Magen ja auch wie in der Arbeit anfühlen.

Es geht nicht mehr darum, den Laden gut zu schmeißen, sondern darum, nach Erklärungen zu heischen, warum es eben nicht mehr so gut läuft. So wundert es nicht, daß Firmen versuchen, so viele Aufträge an Land zu ziehen, wohlwissend daß alle Produktivkräfte, alle Arbeiter bereits entlassen sind. Wenn ich nicht mehr dafür bezahlt werde, was hinten dabei rumkommt, sondern es eigentlich nur mehr um die Simulierung von Tätigkeit geht, dann kann ich auch verstehen, warum mein Arbeitgeber keinen Sinn mehr darin sieht, nach Tarif zu bezahlen.
Das ist schon richtig. Wenn Lohn nicht mehr geleistet wird, wie soll sich da Leistung lohnen? Wer aber keine Tariftreue kennt, der sollte auch keine Treue vom Lohnpartner erwarten.

Auf eine entsprechende Zusammenarbeit. Prost.


kriton am 22.Dez 11  |  Permalink
Das spricht mir aus der Seele.
Ein Bekannter, der im Sozialbereich tätig ist, sagte neulich, er habe allmählich den Eindruck, dass er seine Arbeitszeit damit verbringt, die Dinge zu erklären, zu rechtfertigen, zu dokumentieren und zu beschreiben, die er tun müsste (sollte, möchte), wenn er nicht die ganze Zeit damit beschäftigt wäre, diese Dinge zu erklären, zu rechtfertigen, zu dokumentieren und zu beschreiben.

Eine wunderbare Paradoxie, die auch zeigt, dass es über die "Simulierung von Tätigkeit" (zumindest teilweise) bereits hinausgeht: Es wird schlichtweg gelogen und das merkt man spätestens dann, wenn man tatsächlich eine Suchtberatung braucht, oder einen Handwerker oder eine Reparatur an der Telefonleitung.

Man muss dem Qualitätshandbuch und der Evaluierung gerecht werden, aber nicht dem Kunden/Klienten. Wohl dem, der dabei genug zum Leben verdient und keinen Sinn in seiner Arbeit sucht!

einemaria am 23.Dez 11  |  Permalink
Sie kleiner Hellseher,

Sie sprechen mir da aus der vermuteten Seele. Nur daß es nie eine existierendes, funktionierendes Handbuch geben kann für eine Arbeit, die es nicht gibt - denn diese dreht sich eigentlich nur noch um ihre eigene Erklärung. Für mich ist das soziologisch die dekadente Phase, jene letzte Phase, die eine Zivilisation vor ihrem Ende durchläuft, sei es Rom, die Mongolen oder die Mayas.

Arbeit als solche hat ausgedient. Das behaupte ich mal ganz dreist. Es wird sich eine neue Form der Arbeit finden. Zum Beispiel Gemüseanbau im Garten, oder Chiemgauer-Arbeit. Mal ein Weilchen wwoofen, mal nix machen.

Ist schon schlimm, daß es eigentlich immer eine Krise braucht, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Konsumverzicht war auch schon in den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor uns angesagt. Muß es immer Spitze auf Knopf kommen? Desshalb hartelinie wählen, um nicht lange warten zu müssen ;)

kriton am 23.Dez 11  |  Permalink
Wenngleich diese Analogien zum Römischen Reich immer auch etwas hinken, haben sie natürlich jede Menge Charme: Massenhafte Ansiedlung von "Barbaren", v.a. ab dem 3. Jahrhundert, Auspressen der Bauern bis es nicht mehr ging, Verwaltungsreformen, die alles eher schlimmer machten (z B. Diokletian) und und und. All das führte ja dann auch zu einem nahezu völligen Verschwinden von Geldwirtschaft, positivistischem Recht und Wissenschaft - zumindest für 2-3 Jahrhunderte.

Ich möchte nur vorsichtig daran erinnern, dass Rom im 2. Jahrhundert v. C. schon mal eine vergleichbar dekadente Phase durchgemacht hatte (und fast daran zerbrochen wäre). Auch da konzentrierte sich der Besitz zunehmend bei einer immer kleineren Bevölkerungsgruppe, Bauernhöfe wurden massenhaft in Weingute umgewandelt usw. Die Gracchus-Reformen waren nur der Anfang eines über 100jährigen Versuchs damit klarzukommen (inkl. Diktatur). Ob die Augustus-Lösung dann eine gute war, darüber mögen andere befinden.

Noch etwas Pathos: Es gibt ja auch Historiker, die behaupten, Rom wäre nie untergegangen sondern wir leben es immer noch...