Arbeit sucht Frau oder Mann II


Was sich nicht erschöpft ist die Erschöpfung. Ein unendlicher Quell neuer Ausscheider, wie man beim Bund gesagt hätte. Burn-out ist wohl der neue Gassenhauer. Und vorwiegend die Leistungsträger der Arbeiterkaste, den Verbindungsleuten zwischen Anschaffen und Abarbeiten, zwischen .com und .exe. Ein Spalt tut sich auf und irgendwie muß ich an Feudalismus denken - kein Spurwechsel mehr möglich.

Der Begriff Best-Ager war mir bis dahin neu. Oder Generation Gold, das empfinde selbst ich als zynisch. Generation Old wäre da einfacher und ehrlicher. Vielleicht auch dequalified generation, wenn es nach dem Stellenabbau mit Qualifizierungsmaßnahmen auf einen herabregnet, daß man sich wie in einem Legierungsbad fühlt, neu lakiert, Gold eben, Old aber.

Daß man den geknechteten Bürger auch noch mit Schimpf und Schande überschüttet, ihn auch noch sprachlich so herabwertet, daß eben nur noch Hunde öffentlich an Bäume pissen dürfen.

Wie wäre es mit der Erfindung des Lebewesenrechts? Wie mürbe, es immer wieder sagen zu müssen, daß Recht ist, was erlaubt ist, und nur in Unrechtsbüchern steht, was verboten ist.

Sprachlich abstrafen, die Knüppel dick auf die Arbeiterwade, und, auch das schon oft gesagt, wie es Sitte geworden ist, dem Opfer noch ins Gesicht spucken. Sacra Scara, oh Scharwerker, unter das Joch, dem Ochsen zur Seite. Die Spucke des Herrn an der Backe ist dein Gen nun erstmal seines und dir bleibt die Eration, lateinisch errare für Irren ... kann ja jedem mal passieren. Wer da vom Glauben abfällt, hat nichts mehr.

Generation Sold, Soldaten der Arbeit, nach den fetten Jahren in den Kasernen, nun an der Arbeitsfront Ost, den Dienst im Rachen der Kälte. Und von diesem letztendlich ausgehüstelt wie ein Lutschbonbon. Vom sauren Regen verwaschen warten sie auf den Frühling, bis sie die Fliegen von ihrem Leid erlösen.

Ich darf mich der Generation X zurechnen, klar definiert (David Coupland "Generation X - Geschichten für eine immer schneller werdende Zeit) und prädestiniert als "Lost Generation der Neunziger". Glück gehabt würde ich mal sagen, auch sprachlich, man wußte, wo's langgeht. Für den, der es schulisch bis zur Alterpyramide geschafft hatte, war irgendwie klar, daß es für uns keine Rente mehr gibt.

So hat sich nun der letzte Rest vom Schützenfest, der es mit Lohnarbeit versucht hatte, in den Burn-Out gerettet. Eine andere Art der Leistungsgesellschaft also: wenn man sich das betrieblich leisten kann. Ich vermute fast, daß es ein sozialer Waldbrand ist. Ob er den Schößlingen oder nachfolgenden Gewächs neues Licht gibt, wird sich herausstellen, auf Gedeih und Verderb.

In dunklen Stunden überfällt mich selten der Gedanke, daß die No-Bock-Generation auf seltsame Weise aussortiert und beiseite gestellt wird und nicht unter das Fron getrieben wie jene vor uns ... für spätere Hand- und Spanndienste, wer weiß?


kopfschuetteln am 04.Dez 11  |  Permalink
„Man muss brennen, nicht nur glimmen“ das wird doch gerne kolportiert und positiv sanktioniert. freilich nur bis zum moment des aussortierens.

generation x, das kannte ich gar nicht, das bin ich auch. wir* wurschteln uns durch bis zum bitteren ende, sehen anderen beim brennen und verbrannt sein zu. und denken und hoffen, wir merken rechtzeitig ... man kennt ja die symptome. aber sicher sind wir nicht. waldbrandgefahr!
zwar können wir was, aber was wir können, müssen wir vielleicht auch noch verlernen. und dann?

ich bin ganz definitiv für eines lebewesenrecht.

*) nicht unbedingt wir

dhonau am 05.Dez 11  |  Permalink
@"generation x"
hier ein zitat aus dem wikip.-artikel: "„Ultra Short Term Nostalgia: Heimweh nach der allerjüngsten Vergangenheit: 'Gott, letzte Woche sah die Welt noch so viel besser aus.'“

das "durchwurschteln" ist eine meiner meinung nach ganz adäquate technik, das leben hinzukriegen, irgendwie – es reicht, etwas irgendwie zu meistern.

wir, um den plural ungeniert zu übernehmen, haben ansprüche an uns und das leben und unsere mitmenschen, die wir unterschreiten müssen. andererseits "leben" wir auch von dieser überforderung

dhonau am 05.Dez 11  |  Permalink
ich ...
glaube, im kritischen ausdruck GENERATION X ist ein aspekt des gemessen-werdens enthalten. in diesem gemessen-werden steckt das ungenügen schon fatal drin. jedes messen hat aber in seinem gestus etwas absolutistisches. ich nehme mir die freiheit, nach der interessenlage derjenigen zu fragen, die nach diesem oder jenem maßstab messen.

durchwurschtelgeneration enthält eine abwertung, die ich ins leere laufen lasse.

dhonau am 05.Dez 11  |  Permalink
wir stecken, wie ...
alle generationen in einer traditionslinie. manchmal können wir gar nicht unterscheiden, was buckel und was gepäck ist, was mitgegeben und was selbst aufgeladen ist. das ist auch weniger wichtig, als wir das glauben mögen in dem abrechnungswahn, dem wir mehr oder weniger in einer gewissen mittleren lebensphase notwendigerweise ausgesetzt sind; wichtig ist vielmehr, endlich die freiheit sich irgendwie zu erarbeiten, ballast abzuwerfen. womöglich gehört dazu auch, sich für alle weltübel zuständig zu halten.

einemaria am 05.Dez 11  |  Permalink
darf man das wirklich so direkt sagen? oder muß man. Sie wie ich.

dhonau am 05.Dez 11  |  Permalink
1) ja, ...
"man" darf.
2) es geht ja auch um erleichterung und freiheit.

wer an seinen beschwernissen festhalten will, vielleicht auch um der welt zu zeigen, wie schwer er es hat, vielleicht auch darum, weil ihm das gepäck tatsächlich buckel geworden ist, der muß – natürlich.

auf alle fälle geht es um die anerkennung der alternative, der möglichkeit zu der freiheit zu sich hin, zum aufrechten gang sozusagen (da gehört eben auch ein maß für das gepäck dazu, mit dem ein mensch unterwegs sein kann ) ...

kopfschuetteln am 05.Dez 11  |  Permalink
wichtig ist, endlich die freiheit sich irgendwie zu erarbeiten, ballast abzuwerfen. womöglich gehört dazu auch, sich für alle weltübel zuständig zu halten.
yep! das ist es.

einemaria am 06.Dez 11  |  Permalink
Freiheit. Das ist mir so ein Wörtchen. Seit Afrika, weiß ich, daß es frei von Besitz und frei von Ablenkung heißen kann. Frei von Vergnügen und und unbeleckt von den Köstlichkeiten des Lebens. Sich davon zu befreien, ist nicht das Schwierigste.
Beim Aufschrei von "frei" fällt also nicht der Buckel oder das Päckchen ab, sondern eher der Rest ... eventuell auch der Schorf.

dhonau am 06.Dez 11  |  Permalink
ja, ...
freiheit klingt in Ihren gebrauchsweisen des begriffs tatsächlich trostlos. aber. freiheit ist kein wörtchen. nein, das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. da formiert sich die dhonau productions. wir planen schon eine freundliche übernahme. vor müssen wir "noch schnell die welt" retten und dann ...
;-)

einemaria am 06.Dez 11  |  Permalink
Hm, Welt retten war für Generation X eigentlich nicht auf dem Plan. Aber irgendwie scheint es ein allgemeines Bedürfnis zu sein. Ich glaube, sie ließe sich nicht retten, selbst wenn ... das tut sie immer noch selbst.
Also Welt retten und frei sein, zwei Dinge die niemals auf eine Kuhhaut gehen und auch sonst sehr schwierig durchsetzbar sind. Wenn Sie aber jetzt kommen mit: Die Freundinnen retten die Welt (das tun die Yes-Men ja schon), dann komm ich aber nochmals ins Grübeln. Vielleicht ja doch.

jean stubenzweig am 06.Dez 11  |  Permalink
«Generation X»
So jung? Da haben Sie ja noch Zeit, es sich anders zu überlegen mit der Weltrettung. Andererseits will einen alten Sack auch niemand mehr retten.

einemaria am 07.Dez 11  |  Permalink
Sie mißschätzen die Situation, werthester Jean. Ich bin eine linie, weder x noch golden. Ich bin eine Idee, kein Mensch. Ich überlege nicht, ich handle ... überlegen liegt soviele Jahre zurück, daß es mit Generation eigentlich nicht mehr viel gemein hat. Das mit der Weltrettung ist hier nur ein wenig aus dem Ruder gelaufen.

Und, dessen dürfen Sie sich gewiß sein, Sie sind einer der ersten, der durch die Tür meiner Arche schreiten wird - mit oder ohne Weltrettung - für Sie laße ich sogar eine Aussparung für die erhobene Haltung und NUR den besten Wein. Kanadischen, Jackson-Triggs, Okanogan Country - promise. Der reicht mit seinen 15 Umdrehungen auch für zwei Weltuntergänge.

jean stubenzweig am 08.Dez 11  |  Permalink
Jackson-Triggs, Okanogan Country,
15 Umdrehungen. Das ist ja härter als das Canonau-Zeugs auf Sardinien. Das beginnt ja, in Whisky-Dimensionen zu gehen. Aber was nicht einmal den Weltuntergang schafft, macht uns nur noch härter. Und schließlich mag ich auch schweren Wein. Hoch erhobenen Hauptes werde ich vorgeglüht durch die Tür Ihrer Arche wanken.

Ich wußte gar nicht, obwohl ich zweimal in British Columbia war, daß die dort Wein anbauen.

einemaria am 08.Dez 11  |  Permalink
Mit Canonau übrigens wenige, aber schlechte Erfahungen gemacht, andererseits sehr gute mit dem Hause des Typhon, leider weiß ich nicht mehr welcher. Ich hab ihn, aber Flaschendrehen und Nachsehen gibt's in meinem Weinkeller erst wieder 2012. Es scheint außerordentliche Erde zu geben unter dem Vulkane Ätna. Für mich sind die hohen U/min und, das muß ich gestehen, die Tiefe der Einbuchtung an der Unterseite der Flasche, die zwei wesentlichen Erkennungsmerkmale für guten Wein.

Aber in B.C. (für bring cash) kann man eigentlich nichts falsch machen, Okanogan, scheinbar alle gut. Für die Klasse sind 10 Euro geschenkt. Selbst jenes Säuregetränk genannt Weißwein, das glückerlicherweise keine Lagerung erlaubt, schmeckt in BC vorzüglich und mild.

Mild ist auch das Schlußthema. Laß die hartelinie schalten, laß Milde walten :) Wohl bekomm's.

jean stubenzweig am 09.Dez 11  |  Permalink
Ich habe Erfahrungen mit Canonau samt deren Winzern gemacht. Er ließ mich anfangs tief in den Erdlöchern fühlen, die gegraben werden, um darin die Zicklein zu schmoren. Zwar hatte ich bereits Übung auch in Quantitäten, aber dieses vulkanische Gesöff in fröhlicher Menge gab mir das Gefühl, mich wie eines dieser tief im Ätna – dessen Typhon allerdings auf Sizlien und nicht in Sardinien brüllt – vergessene Tierchen zu wähnen. Ausgerechnet dieser Sarde – aber ein Sarde ist schließlich kein Italiener – hat mir nach dem Eingangsgelage Espresso mit Zitrone verordnet. Geschmacklich übelste Arznei; da werde ich zum Italiener. Ob es geholfen hat, daran erinnere ich mich nicht. Ich habe zudem einfach weitergemacht. Und danach war ich an die Umdrehungen des wohlschmeckenden sehr kräftigen Weines auch gewohnt. Ich würde ihn wieder trinken. Doch mittlerweile bin ich maßvoll geworden und trinke fast nur noch Französisches aus dem Südwesten. Meine persönliche Sommelière Madame Lucette hat einen sehr schönen Bergerac sowie weitere heitere aus der Dordogne für jeweils knapp unter fünf Euro für mich als Notfall in der Revolutionskate gelagert. Der aquitanische Madiran, den ich auch sehr gerne mag, ist allerdings preislich in die Höhe gegangen wie der Vesuv 79 unserer Zeitrechnung, weil das Volk die Schnauze voll hatte von diesen Bordeaux, dessen Preise die weltweiten Anhänger der Aktie im Kellerregal in die Luft gejagt hatten.

Doch weiß wird mir auch manchmal gern vor Augen. Von einem Blanc aus dem Bordelais habe ich mal erzählt, von diesem sauren Wein. Und einen Riesling aus der Alsace bot Madame Lucette eine Zeitlang an, in diesem Wasserbett hätte ich am liebsten als Füllung geschlafen. Aber der ist leider nach drei Jahren derart von meinen wohligen Gechmacksempfindungen abgewichen, daß ich als Randelsässer bzw. kleiner Grenzverkehrer (ich stamme mütterlicherseits aus der Nähe zu einem Städtchen hart an der Grenze zu Lothringen, aus dem tiefen Forêt de Haguenau) von der Fahne gegangen bin.

einemaria am 09.Dez 11  |  Permalink
Picolit, Eiswein, Reiswein, Reisbier. Was es nicht alles gibt, wo man Etiketten anheften kann. Für mich waren es die ersten Bonusmeilen, die mir reinen Wein eingeschenkt. Beim ersten Glas hatte ich innerlich schon reklamiert, bei dritten Glas war ich dann froh, daß die Reklamation nur ein Entwurf war.
Dekandieren soll übrigens auch dem menschlichen Geiste zuträglich sein. Mal ein frisches Lüftchen. Vielleicht - das ist mir neu, aber irgendwie vertraut - auch ein Tässchen Espresso mit Zitrone. Für Bordeaux halte ich mich allerdings noch für zu jung. Vielleicht ist die Zeit aber nun gekommen.