Mittwoch, 20. September 2023
Die Wiesn und das Freibier - die heimliche Geschichte des Oktoberfests
Die Wiesn. Eine Freifläche inmitten der Stadt. Für viele Monate ein flacher, größtenteils asphaltierter Platz mit ein wenig Grün als Ausrede. Ein Platz, der bereitsteht für das große Spektakel im September. Eine zentrale Freifläche zu Füßen der Bavaria zwischen Hauptbahnhof Hackerbrücke und der Poccistr, die sich einerseits weigert, zum Park zu werden, sich andererseits aber auch nicht zur Mega-Shopping-Center korrumpieren läßt.

Es gibt Verschwörungstheorien, dass jene, die jemals versucht hatten, die möglichen Mieteinnahmen mit den städtischen Einnahmen beim Oktoberfest gegenzurechnen, sehr plötzlich aus dem Leben geschieden. Ein gewisser Felix-Markus Laplace soll noch vor Abschluss seiner Berechnungen aus den Augen der Bavaria gestürzt sein, sagt man. Der Mann also, der mit seinen Berechnungen, wie beispielsweise denen zum Drei-Körperproblem, so viel zur Wiesn beigetragen hat, also von einem Wirtssohn versehentlich zu Tode befördert. Das ist dann die heimliche Wiesn, die mehr bietet als nur das leidliche zu Grabe tragen von Tradition und Anstand durch den Konsumrausch.

Viele kennen nur die Hauptstraßenwahrheit. Bierzelte fein aufgereiht zur Linken und Rechten. Die meisten interessiert nicht mal der aktuelle Bierpreis. Sie interessiert, ob sie rein kommen und dass sie mit möglichst vielen Erlebnissen wieder rauskommen. Rausch, Weiber, Burschen, Fressen, oder sich nur gemütlich einen "Suri" antrinken. Die Entfesselung der Triebe - wie sie keiner jemals besser eingefangen hat als die große Kunstausstellung auf der Seite "muenchenkotzt.de".

Aber die Wiesn hat natürlich auch eine vordergründige 200jährige Geschichte. 1810 durch Hochzeit geboren, 26 mal ausgefallen, einmal bombadiert und immer randvoll.

Und dann das Freibier, das auf der Wiesn eine vage Randexistenz führt - als Noagerl (siehe Noag-Interview 2018). Das Freibier irrlichtert als immaterieller Gedanke über die Wiesn wie einer dieser unzufriedenen Geister, die unterhalb der Wiesn 'leben'.
Denn wo sonst landet das verschüttete Bier als im Untergrund, in jenen Katakomben unter der Wiesn. Keine Bierkeller, wo das flüssige Gold in Fässern gestapelt, sondern feuchte Katakomben, wo sich aus dem verschütteten Bier in seinem freien Aggregatszustand neues Leben bildet.
Aus dieser Ursuppe hat sich in den über 200 Jahren eine Geisterarmee entwickelt, die nun nach oben drängt, die auch auf und nicht unter die Wiesn will.
Vielleicht ist Ihnen bereits aufgefallen, dass gleich oberhalb der Wiesn eine versperrte Halbruine verwaist, in deren Innereien Sondereinheiten von Polizei und Militär das geisterhafte Biergesindel in den Katakomben hält. Die Wiesn-Zombies.

Ebenso ungesehen, das Noagerl-Zelt am Kotzhügel, der sich seit Jahrhunderten an den eigenen Haaren aus dem Unrat zieht. Das Noagerlzelt als Fels in der Brandung des Konsumkapitalismus (siehe Wiesn Almanach). Hier schrammt der Bierpreis noch an der Freibiergrenze. Hier wird noch gratis ausgeschenkt - allerdings sickert hier durch die vielen Schichten 'fester Unterlagen' nichts runter zu den Zombies. Es handelt sich beim Noagerl-Paradies um eine Kreislaufwirtschaft, wenngleich mit sehr schwachen Kreisläufen.
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