Sonntag, 29. März 2020
Vor dem Virus sind alle gleich. Aber danach?

Noch ein letzter Wischer mit Karton, dann ist es aus. Ich stehe mit nacktem Arsch vor dem Nichts. Beklemmung. Doch was mich fast noch mehr erschreckt, ich atme noch. Etwas gepresst und flach, aber doch von selbst. Ich muss zwangsläufig daran denken, dass jene Dinge, die einem starke Schmerzen vergessen lassen, wie Heroin oder diverse Narkosemittel, zumeist auch atemdepressiv wirken. Hab ich meine letzte Rolle gut gewischt? War doch klar, dass es kommen würde - EVENT 201 - anbei ein paar mediale Mitschnitte der Veranstaltung vom Oktober 2019. Es lohnt sich auch ein Blick auf die Teilnehmerliste und die Empfehlungen.

Nochmal ein Blick auf das beige Ende der Rolle und ich muss weinen. Man wird sagen: Hier wurden große Romane geschrieben. Zumindest erdacht. Jetzt spielt es keine Rolle mehr. Signierte Scheiße einfach, denn selbst mein großer Roman auf 500 Seiten Dreilagigem wird untergehen in all dem Schund, der sich derzeit herausquält aus den gelangweilten Gehirnen von Abermillionen Homeoffice-Arbeitern.

Seit meine Kinder nicht mehr den bilingualen Kindergarten (Deutsch/Latein) besuchen dürfen, bin ich zwangsläufig mit Dingen konfrontiert, die normalerweise ausgelagert sind. Ich denke an die Passage aus Phillip Aries "Geschichte der Kindheit" über das alte Griechenland, als Kindsmord noch erlaubt war. Ich werde Griechisch lernen müssen, um mit meinem Mann vormittags noch Geheimnisse auszutauschen. "Maria est adhuc spirans et poenis, filie".

Was wäre dann nur ein "Aspirant des Todes"? Selbst der Lehmfigur des Golem ließe sich derzeit schwerlich Leben einhauchen, da sie vermutlich Mundschutz trüge. Zuhause wird die Luft so knapp wie in der Todeszone des Mount Everest.

Was mir droht, ist Herzverfettung oder der augenblickliche Erstickungstod aufgrund meines fetten Bauchs, sobald ich mich auf den Rücken lege. Ich werde es auch nach dem Weltuntergang nicht mehr in mein geliebtes Fitness-Studio "Pontius und Pilates" schaffen. Sanitäter werden mich hinrollen müssen. So es ein Danach noch geben wird.

Weltuntergangsfantasien entstehen meines Wissens zumeist um die Jahrtausendwende herum. Ein Virus 2000 ginge auch leichter über die Lippen als Covid19. Aber wenn man ehrlich zu sich ist, wird man sich auch schwerlich den Namen des Meteoriten merken können, der uns innerhalb der nächsten tausend Jahre treffen könnte. Ob er nun EETA79001 heißt oder H5 Olivin-Bronzit-Chondrit als Typennamen trägt.

Das Universum besteht hauptsächlich aus tödlichen Dingen, die so gut wie nie Markennamen tragen, da sie sich schwerlich vermarkten lassen. Und hier schließt sich der Kreis. Der letzte Fetzen des scheinbar lebensrettenden Clopapiers ist weg und ich habe nie gewußt, wie es eigentlich hieß.
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