Mittwoch, 2. Dezember 2015
Mein Mann, der Wixer
Mein Mann hat mich für eine andere verlassen. Für seine Hand. Er will alles selber im Griff haben. Und ich sag noch, Günther, für ne andere Frau, immer. Aber für deine verhornte, abgearbeitete rechte Schweisserhand. Bei uns stimmts hinten und vorne nicht, obwohl wir eine normale deutsche Arbeiterfamilie sind. Jetzt, wo mich mein Mann für seine Hand verlassen hat, ist alles anders.
Ich will kein anderen als meinen Mann. Das liegt doch in der Natur der Sache.

Aber ihr könnt euch doch wieder verstehen, so wie früher, Papa?

Verstanden? Verstanden haben wir uns noch nie. Sonst hätten wir uns erstmal garnicht gefunden. Erst waren wir verliebt, dann haben wir uns gehasst. Extreme Gefühle, ja, aber verstanden, muss ich sagen, glücklicherweise nie.

Und ich sag dir noch was: Also ich möchte kein Professor sein. Da wenn du dich auf blöd damisch und deppert säufst, bist du plötzlich arbeitslos. Was sag ich, berufsunfähig. Und das mit dem Saufen kann dir bei deiner famliliären Vorgeschichte immer passieren.

Als Maurer passiert dir das nicht, hab ich meim Sohn gesagt. Aber nicht, dass Sie denken, ich wäre Maurer. Ich bin Künstler. Noch armer Künstler. Mein Zeugs hat scheinbar nie einer jener Bedeutsamen für so wichtig empfunden, um es als unentdecktes Kleinod zu heben und zu veröffentlichen.

Mich hat nie einer gewollt und das ist mein Glück. Denn bekannt wirst du so oder so, wenn du immer weitermachst. Der Ruhm gehört die dann ganz alleine im allerhöchsten Alter und auch das ganze Geld, wenn alle jüngeren Verwandten vor lauter Gram, dass ich es nie zu einer Erbmasse gebracht habe, gestorben sind. Ich vermute, dass sie aus Sicherheitsgründen das Erbe wohl ausschlagen werden.

Nach all den Jahrzehnten kann ich jetzt auch noch die paar Jahre warten, bis die Kinder aus dem Haus sind und das grosse Geld dann wirklich mir ganz alleine gehört.

Ich bin einer jener Verblendeten, die Kunst angefangen haben, um Geld zu machen. Und das muss ich alleine durchziehen. Dass du säufst oder anderswie dein Leben ruinierst, wird ja geradezu erwartet von dir als Künstler. Ich will das in meinem rüstigen Alter meiner Familie nicht zumuten, die ja doch aus einfacheren Verhältnissen stammt.

Ich wollte meine Frau nicht verletzen, aber ich seh wirklich nicht gut aus in meinem Vorrentenalter. Wie soll ich da eine scheinbare Affäre herzaubern. Also hat sie mich als Wixer bezeichnet, vor meinem Sohn. Wie soll ich dem jetzt beim Sexualkundeunterricht behilflich sein. Meine Frau versteht einfach garnichts von Pädagogik.
Und dann hat sie meine Hand ins Spiel gebracht. "Günther, für die Schweisserhände verlässt du mich. Das ist widerlich." Hätt ich dann in meiner männlichen Zweidimensionalität noch drauflegen sollen:"Mit denen spür ich wenigstens noch was." Am Ende denkt dann mein anwesender Sohn noch, er wäre schuld, dass der Verhornte die Ausgeleierte nicht mehr mag.

Es ging mir ums Geld. Um den nahenden Reichtum, indem ich als Künstler entdeckt werde. In meinen Träumen lag ich bei Joseph Beuys in der Wanne und nicht das Fett. Nur noch den Ruhm überleben.

Je mehr ich mich meinem finalem Ziel, dem künstlerischem Endsieg, näherte, machte mir mein näheres Umfeld Probleme. Je mehr ich trank und versuchte, mein Leben zu ruinieren, kam mir meine Frau, diese genetische Schnapsdrossel, in die Quere. Und da habe ich gemerkt, so was geht nur alleine. Sohn mal gerne zu Besuch. Aber sonst ... Kunst. Schwarz-Weiß-Aufnahmen von masturbierenden Schweisserhänden, die vollgesabbert einer Verlassenen zuwinken. Goodbye, Maria.
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