Montag, 10. Februar 2014
Wetternachhersage und Vorrichten

- a news style of reporting -

In einem Land, wo Bürger nicht mehr der Staat sind, sondern der Staat sich jetzt seine Bürger hält, muss auch die Form der Nachrichten ein neue Gussform bekommen. Nicht mehr drei Meldungen, davon eine unwichtiger als die andere. Eigentlich nur die Wiederholung des täglichen Paradigmas - Syrien böse, Olympische Spiele dieses Jahr Scheisse. Und wen interesierts schon wirklich, was ein dahergelaufener Minister so sagt, der es eigentlich nur auf die lebenslange Rente mit 45 abgesehen hat. Zeit, sich ein Bier aufzumachen. Und dann das Wetter. Gleich noch eins.

Was wir brauchen ist:


Gleich zu Nachrichtenbeginn die Wetternachhersage. Das Wetter der letzten Woche, nochmals zum Resümieren, auch für die Senioren "Ach, stimmt, Dienstag wars vormittags so extrem bewölkt und wir hatten abends Ferigpizza". Wo man sich doch immer schlechter an alles erinnert, gibt das Wetter mehr Halt als die exponential beschleunigten Weltgeschehnisse. Das Wetter der letzten Woche stimmt immer und man kann gleich zu Beginn des Programms mitreden.

Im Anschluss die Vorrichten. Was wird morgen passieren. Wir können das heute schon sagen. Im Grunde ist das Land der korrupten Herzen so leicht zu durchschauen, in seiner abscheulichen Transparenz als Bandwurm. Wer sich das Gehirn noch nicht komplett mit Tageszeitungen und besagten Abendnachrichten rausgefräst hat, kann sich das Weltgeschehen an fünf Fingern abzählen. Mal schnell den nächsten deutschen Aussenminister aus der Bilderbergerteilnehmerliste gefischt, eine ansteigende Terrorgefahr, zumindest in unseren Herzen, prognostiziert und vor dem Wetter nochmal an die Winterreifenpflicht erinnert - so unter Freunden.

Warum also nicht die Realität selbst erschaffen - mit den Vorrichten der hartenlinie. Knallharte Facts, die dann morgen vermutlich auch so passieren. Ein wahres Las Vegas für Wettbüros. "Ob die von den hartelinie-Vorrichten wieder Recht haben?" "Oder werden die Abendnachrichten des nächsten Tages mit ihrer Propagandamaschine dagegensteuern können?"

Morgen wird Nintendo bekanntgeben, dass es mit der neuen Konsole noch ein wenig dauert, weil man eben nur das Beste auf den Markt bringen möchte, während die Börse vorzeitig ein neues Zwischenhoch verkündet. Die Aussenministerin wird in der neuen Ausgabe von "Bild für die Frau" erklären, dass sie zukünftig nur noch mit Verteidigungsministerinnen verhandeln möchte. Wir werden kritisch bemerken, dass sich die Kosten für die hierzu nötigen Kinderbetreuungsplätze aus EU-Geldern ins Unermessliche bewegen dürften. Wir werden noch heute in unserer Ausstrahlung den Begriff der stubenreinen Fortpflanzung ins Wortgefecht schicken.

Mit den Vorrichten sind wir immer vorne dran. Die Abendnachrichten reagieren nur, sind in der Defensive. Wir bestimmen somit den Kurs der Geschehnisse. Unser Nachrichtenbild kommt in einer Art Superposition, im Wahrscheinlichkeitsraum des Konsum- und Terrortempels. Himmel und Hölle, shop or die. Wir kennen das, wir leben das und im Grunde lieben wir es auch. Und weil das gut schief gehen kann, senden wir gleich nach den Lottozahlen unsere grosse Mega-Show "Deutschland sucht dein Superführer/in".
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Aber jetzt erstmal als Sahnehäubchen die Lottozahlen von morgen - wie immer, ohne Gewähr.
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