Der Akropolis zu Füßen, stinkenden Füßen mit Rauchpilzen zwischen den Zehen. Das muss man wohl in Kauf nehmen, wenn man der Athene an die Wäsche und mit offenen Augen auch mal unter den Rock möchte.
Die stinkenden Füße sollte ich relativieren, denn rund um den Tempelberg wirkt Athen auf mich eher wie ein Waldgebiet in dem Männer mit Rauschebärten hausen, die sich neuerdings auf der Suche nach dem Sinn des Lebens mit Plastiktüten umringen, in denen sie all ihr Hab und Gut sammeln.
Wie alle Strassen nach Rom, führen alle Worte nach Griechenland. Times Old Greek, sag ich da. Die gleiche Schrift in den Auslagen der modernen Einkauspassagen wie auf den alten Steintafeln, die überall rumliegen. Keiner will Letztere mitnehmen, weil eben das gleiche draufsteht wie heutzutage. Und trotzdem versteht keiner mehr, was sie eigentlich sagen wollen, jene Steintafeln - während Werbetafeln der modernen Markenartikel unser Innerstes bewegen. Athen hat sich in den letzten zweieinhalb Jahrtausend irgendwie verändert. Aus Polis wurde Police.
Und die Graffitis werden inzwischen nicht mehr eingeritzt, sondern gesprüht.
So spricht man davon, dass Delos (die Sichtbare), das einst heimlich von Poseidon 'geschaffen' wurde, um der Titanin Leto, einem der Seitensprünge Zeus, einen Ort zu geben, wo sie unentdeckt (also adelos=unsichtbar) von der ihr zürnenden Hera ihre Kinder Apollo und Artemis zeugen konnte, nun auch wieder A-Delos wäre. Die Geschichte Griechenlands lebt somit omnipräsent fort und doch hat sie keinerlei Verbindung mehr zur Gegenwart.
Diesem Schutzwall des Elends, der die Akropolis schützen soll, schliesst sich ein zweiter an, in dem sich die Angreifer verheddern sollen. Ein undurchdringlicher Ring aus Cafes und Bars. In Athen leben mehr Bistrostühle als Griechen, obwohl es sich um die Hälfte der Bevölkerung handelt. Der eigentliche Schutzwall allerdings sind die Touristenmassen, die sich die Seele aus dem Leib fotografieren. Jedes Erklärungstäfelchen und jeder Stein, der auch nur annähernd auf einem anderen liegt, wird digitalisiert. Selbst das Motto des Orakels von Delphi wurde umgeschrieben von "Know thy self" in "Know thy buttons".
Trotz all dieser Sicherheitsmassnahmen hat sich die Frontex-Linie rund um die Akropolis als scheinbar wirkungslos erwiesen, denn hier hat sich bereits jede monotheistische Religion schon mal eingenistet. Während der Völkerwanderung noch von polytheistischen Horden überrannt, lag sie im Mittelalter sozusagen als Mittelstation auf dem Weg der Christen nach Jerusalem. Byzantiner, Franken und schliesslich die Osmanen, die es sich nicht nehmen liessen ein hübsches Minarett draufzusetzen. Nur den Venzianern unter dem Dogen Morisini kam 1687 die grandiose Idee, die Bude auch mal in die Luft zu jagen. Kein konservatives Gedudel, sondern rein mit der Kanonenkugel in das osmanische Munitionslager, und rumms, durften die Götter nun auch mal ans Licht, durften frische Luft schnappen, solange Athen noch nicht von einer Dunstglocke überkuppelt wurde.
Das einzig Interessante an der Akropolis, die immer kleiner wird, je näher man kommt (das perikleische Wunder der Perspektive), sind vorwiegend ihre Schutzwälle. Wer also auf sinnlose Steinhaufen, Touristenmassen und überteuerte Koffeingetränke in der Bistrostuhl-Zone steht, dem sei ein Besuch wärmstens ans Herz gelegt. Die Zwerghaftigkeit der Agropolis und die Tatsache, dass es sich hinter der Fassade einzig um einen Geröllhaufen über der Stadt handelt, erschliesst sich eigentlich erst kurz nachdem man an der Kasse das sündteure Ticket erstanden hat.
Sehr viel antiker und ganz ohne Menschen wandelt es sich auf dem Hügel nebenan, wo man einen Blick auf die Knastzelle des Sokrates werfen,
oder nachts auch mal ein ausgelassenes Symposium mit den Platiktüten-Philosophen feiern kann.