Mittwoch, 13. März 2013
Silvio Papam - der politische Hattrick


Weißer Rauch steigt auf und mir schneits auf die Mütze. Ich denke, denen brennt doch, wenn nicht der Dachstuhl, so doch der Hut bei ihren seltsamen Ritualen, die sich stets in strengen Kontrast zu den Idealen der Moderne stemmen und spreizen wie die Jungfrau am Altar. Die Kamera starrt wie gebannt auf einen rauchenden kleinen Kamin. Immer wieder dringt der Störsender des Spaghettimonsters durch die Frequenzen. Weißer Phophor steigt aus dem Inneren der Gottberauschten und die Maße jubelt frenetisch als stände der FC Bayern schon im Viertelfinale. Nach über einer Stunde starker Gefühle einer Gemeinde tritt er, gehüllt in weißen Rauch und einer Energiesparlampe im Hintergrund, zwischen dem roten Vorhang hervor. Die Glocken eines Landes, das nicht mehr viel zu läuten hat, bimmeln sich den Schlegel aus der Glocke, halb neun abends, wie man es von Wahnsinnigen so gewohnt ist, und rufen einen neuen Winter ins Land. Das Beste vom Letzten, Papst Silvio, der Erste.

Es werden doch nicht die reuigen Tränensäcke gewesen sein, die Herrn Berlusconi kurz nach seiner Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis wegen des Abhörskandals und kurz vor dem Prozeß aufgrund seines sexuellen Umtriebes mit den minderjährigen Prostituierten Ruby in eine Augenklinik trieben. Berlusconi zieht damit auf weltlicher Ebene mit der Konklave zur Papstwahl gleich. Da folgt er kirchlichen Traditionen, sowohl mit seiner Krankenhauskonklave wie mit Ruby. Er zieht sich zurück zur Klausur, die Augen geschlossen, nicht weil er durch muß, sondern weil er sich müht, die von ihm getroffene Entscheidung zu finden. Er allein läßt den weißen Rauch aufsteigen, und überrundet mit diesem politischem Hattrick seinen Vorgänger Licio Gelli, der ihn zum Patriarchen Italiens gemacht hatte. Berlusconi wählt sich in einer Alleinwahl, in der eine Stimme genügt, selbst zum Papst.

Was ist nur los im Lande der Lateiner? Im Vatikan funktionieren die von der Deutschen Bank betriebenen Bankautomaten nicht mehr. Italien hat aufgrund des Verdachts der Geldwäsche die Bankgeschäfte mit dem Vatikan eingestellt. Eine bisher scheinbar unkorrumpierte Partei wie Movimionto 5 Stelle bleibt trotz der eingefahrenen 25% der Stimmen lieber in der Opposition. Das Nichts ist immer noch eine bessere Wahl als eine Koalition mit einer gemäßigten Linken. Italien geht zunehmend in den flüssigen Aggregatszustand über und der Stiefel droht im Mittelmeer unterzugehen. Berlusconi sieht als letzten Ausweg die kirchliche Immunität. Nach Vatileaks und Don Bancomat braucht der Fels den Petrus, jemanden der sich in solchen Offshore-Bereichen auskennt.

Berlusconi wählt sich selbst auf den heiligen Stuhl, auf dem es vom Vorgänger noch so heiß ist, daß er beim Sitzen keinen Unterschied spüren wird. Für ihn ist es der Schleudersitz ins Paradies. Und endlich wieder ein italienischer Papam, der sich in Rom auskennt wie in seiner Westentasche. Eine geistige Herrschaft, die im eher altrömischen Gewande einherschwebt, die die Prostitution wieder entsäkularisiert und die alleinigen Übertragungsrechte für die Zeremonie des Blasiussegen in einer Hand hätte. In Zeiten wie diesen ist die Verbindung zu Gott nicht unbedingt mehr ein Draht, sondern medialisiert. Vermutlich gäbe es auch bald attraktive Frauen im Priesteramt und die Fernbeichte 'on demand' als App.

Wer fände sie nicht gut, die Idee, den ausrangierten Berlusconi auf den ebenso überkommenen heißen Stuhl im Vatikan zu setzen. Ein geläutertes Italien, das den Vatikan als Mülldeponie nutzt. Eine Art neuer Lateranvertrag, der versucht, das Öl vom Wasser zu trennen und eine Gesellschaft zu receyceln. Der Vatikan als ein untergegangenes Atlantis worauf sich, wie der Plastikmüll im Südpazifik, das historische Strandgut sammelt, und Don Silvio, jetzt Santo Silvio, kann nochmals seinen stark immunisierten Hals aus der Schlinge ziehen. Für seine Gegner eine Vergeistigung des Unzerstörbaren, sicher nur ein Kompromiß, aber endlich eine Art auch mit dem politischen Plastikmüll fertig zu werden.


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Mali reloaded - Stau auf dem Highway 10

... warum es bei der erneuten Kolonialisierung Malis tatsaechlich um Menschenrechte geht - allerdings mehr um deren Beseitigung als Erhaltung - und wie sich der Westen hierbei erneut als der Aggressor im Duell mit China hervortut. (eine Fortsetzung von Westafrika - im Kreuzfeuer des Drogenhandels und Afrika muß sterben - heute Mali)




Über Jahre hinweg war der Norden Malis eine der Haupttransitrouten des Drogenhandels auf dem Highway 10. Dazu Antonio L. Mazzitelli in "The New Transatlantic Bonanza: Cocaine on Highway 10": "Unloaded from planes as large as the Malian 727-200 or as small as the Mauritanian Cessna, shipments are loaded onto convoys of 4WD vehicles which, with the help of Tourag guides and the logistical assistance of terrorist and guerrilla groups operating in the region, cross the Sahel-Saharan belt both from South to North (towards the Mediterranean shores of Algeria, Morocco, and Libya), and from West to East (via the trans-Saharan routes crossing the northern parts of Mali, Niger, Chad, Sudan, and Egypt)." Durch die momentane Instabilität lahmgelegt hat sich dieser bereits auf die Umgehungsstrassen verlagert - namentlich den Niger und Mauretanien. ("Drogenschleuse Afrika", le monde diplomatique Februar 2012)

Daß sich die Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQIM) und die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) über die Jahre aus den massiven Einnahmen aus dem Drogenhandel die Geldsäckchen füllen konnten, um sich nun in Libyen mit modernster Waffentechnik einzudecken, scheint den westen, der darüber bestens informiert war, bisher nicht weiter beunruhigt oder gestört zu haben.
So beschieben im Reuters-Artikel "Al Qaeda linked to rogue aviation network": "In early 2008, an official at the U.S. Department of Homeland Security sent a report to his superiors detailing what he called "the most significant development in the criminal exploitation of aircraft since 9/11." ... The report, a copy of which was obtained by Reuters, was ignored, and the problem has since escalated into what security officials in several countries describe as a global security threat. ... The official is a counter-narcotics aviation expert who asked to remain anonymous as he is not authorized to speak on the record. He said he was dismayed by the lack of attention to the matter since he wrote the report. "You've got an established terrorist connection on this side of the Atlantic. Now on the Africa side you have the al Qaeda connection and it's extremely disturbing and a little bit mystifying that it's not one of the top priorities of the government," he said.
Since the September 11 attacks, the security system for passenger air traffic has been ratcheted up in the United States and throughout much of the rest of the world, with the latest measures imposed just weeks ago after a failed bomb attempt on a Detroit-bound plane on December 25.
"The bad guys have responded with their own aviation network that is out there everyday flying loads and moving contraband," said the official, "and the government seems to be oblivious to it."
Using profits from the trade, the smugglers have already bought "automatic weapons, and they are very determined," Haidara said. He added that they "call themselves Al Qaeda," though he believes the group had nothing to do with religion, but used it as "an ideological base."
Local authorities say four-wheel-drive Toyota SUVs outfitted with GPS navigation equipment and satellite telephones are standard issue for smugglers. Residents say traffickers deflate the tires to gain better traction on the loose Saharan sands, and can travel at speeds of up to 70 miles-per-hour in convoys along routes to North Africa. Timbuktu governor, Colonel Mamadou Mangara, said he believes traffickers have air-conditioned tents that enable them to operate in areas of the Sahara where summer temperatures are so fierce that they "scorch your shoes." He added that the army lacked such equipment. A growing number of people in the impoverished region, where transport by donkey cart and camel are still common, are being drawn to the trade. They can earn 4 to 5 million CFA Francs (roughly $9-11,000) on just one coke run."


Nicht nur mir widerstrebt zu glauben, daß es Frankreich darum ginge, den von der Destabilisierung Libyens verursachten Kollateralschaden, wieder auszubügeln, wie es der Artikel "Vor und nach Timbuktu" in der Februarausgabe der le monde diplomatique zu beschreiben versucht. Man muss schon ausgesprochen naiv sein, um zu glauben, daß sich unsere Regierungen mit ihrer menschengerechten Art einen Fauxpas nach dem anderen leisten; geblendet vom eigenen Gutmenschentum. Mit so gravierenden Fehleinschätzungen und -handlungen schafft man es wohl kaum in die Top Ten der Rüstungsexporteure.

Aufgrund der vorübergehenden Schwächung Malis durch den Putsch in Bamako ergab sich für die Tuareg in Nordmali, das Azawad National Liberation Movement (MLNA), genau jene Gelegenheit, sich mit der AQIM, MUJAO und der von Algerien unterstützen Ansar Dine, Verteidiger des Glaubens, zusammenzutun und auf Bamako vorzurücken, also genau jenes Szenario, das der Putsch Sanogos und der niederen Militärs eigentlich verhindern wollte. Genau jenes Szenario auch, auf das auch die Franzosen und andere westliche Staaten nur gewartet hatten, um eine militärische Invasion zu starten (siehe Philippe Leymarie: The Sahel falls apart), auf die sie im Vorfeld schon bestens vorbereitet waren. Die scheinbare Sprunghaftigkeit Frankreichs, das Tage vor der Invasion noch davon sprach, daß es keinesfalls Bodentruppen schicken werde, die zu diesem Zeitpunkt bereits in und um Mali stationiert waren), hatte rein rethorischen Charakter. Der Handlungsverlauf des folgendschweren Dramas, das es für die Zivilbevölkerung immer ist, folgt einem schon vor Jahren geschriebenem Drehbuch.

"In der Regel zuverlässige ehemalige US-Militär-Experten, die mit der Region unmittelbar vertraut sind, sprechen unter der Bedingung, anonym zu bleiben, davon, dass die USA und die NATO Special Forces einst tatsächlich die gleichen “terroristischen” Gruppen trainierten, gegen die sie jetzt die neokoloniale US-unterstützte Invasion von Mali durch Frankreich rechtfertigen."

Marginal geht es den Invasoren wohl auch um Menschenrechte, doch vorwiegend um deren Bekämpfung, so sich die Rohstoffe wie Uran, Gold und Öl, aus Ländern mit einer unterdrückten Bevölkerung wesentlich kostenreduzierter herausschaffen lassen.



Wie Finian Cunningham in seinem Artikel "West's 'Scramble for Africa' terror pretext in Mali" schreibt, hat der Westen die Handlung bestens im Griff und versucht seinen wirtschaftlichen Einfluß auf Afrika militärisch auszubauen. Hierbei dürfte Nordafrika und Mali erst der Prolog sein. Man wird weitere Krisengebiete schaffen und low-intensity-conflicts schaffen müssen, um sich Chinas Teil vom Kuchen wieder zurückzuholen. So titelt auch der Land Destroyer Report: NATO löst afrikanische Terrorwelle aus.

William Engdahl: "... frankly, I think al-Qaeda in northern Maghreb is a very suspicious operation and the timing of its activities coming over the border suggests that perhaps some NATO countries might be helping the al-Qaeda group to get military weapons and create the Chaucer’s belly that justifies NATO intervention. I think we’re seeing a very cynical game being played out here in Mali and it’s a very dangerous one when Africa is suddenly becoming a continent that’s been discovered by China, by the US and Europe and the rest of the world as the next place where untold wealth and resources can be captured."

Der Westen wird sich mit dieser erneuten agressiven Kolonialpolitik wieder mal keine Freunde machen. Und die Reaktionen Chinas, das sich solcher Methoden bisher verwehrt, werden uns vermutlich nicht viel Freude machen. Nur sollten wir nicht wieder den Fehler machen, zu glauben, daß es abermals eine Dummheit unserer Regierungen sei. Die scheinbare Kurzsichtigkeit solcher Aktionen hält für die beteiligten Unternehmen und Institutionen enorme Gewinnsummen bereit, deren Schaden wir als nicht gewinnbeteiligte Bevölkerung erst Jahre später zu bezahlen haben. Aber darin haben wir ja mit den Banken über die Jahre ausreichend Erfahrungen gesammelt.

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