Sonntag, 3. März 2013

Reiseklassiker: Speed Travelling


Und weils hier in Kota Kinabalu, der Hauptstadt Borneos, gleich mit 100Mbps zur Sache geht, leg ich gleich noch eins drauf zum Thema "Speedtravelling - Reisen mit der Zeit" ... bevor ich mich demnaechst wieder in meine italienischen Felsspalte falle.

Nur allzu bekannt ist die Tatsache, dass Reisen und Urlaub zwei grundverschiedene Dinge sind. Letzteres dient der Erholung und findet vorwiegend an einem Ort oder auf Kreuzfahrten statt.
Reisen hingegen ist nervzehrend und kann einem in den Tropen auch leicht mal voruebergehend die Gesundheit rauben. Erkaeltung, physische Erschoepfung und ein stetes untergruendiges Fieber sind hierfuer die typischen Beispiele. In jedem Fall wird man nach der Rueckkehr erstmal Urlaub beantragen, um sich wieder durch und durch zu kurieren. Wer das vermeiden moechte und trotzdem wie ein Wirbelwind durch die Geographie sausen moechte, dem sei die Methode des "Speedtravelling" ans Herz gelegt.
Hierbei bewegt man sich in einer Geschwindigkeit von Ort zu Ort, dass Viren, Bakterien und andere Einzeller garnicht die Chance bekommen, sich anzuhaften. Auf dem Wellenkamm vor dem Wind segeln, koennte man vielleicht sagen. Selbst in den Datenbanken der diversen Immigrationsbehoerden taucht man nur als Schatten auf, waehrend man selbst schon mit neuen Waehrungen und Online-Buchungen den Fortschritt der Reise beschleunigt. Wie Muenchhausen sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht, stoesst man sich foermlich an sich selbst ab und nuetzt die vielen unbekannten Wurmloecher unseres Planeten. Man benoetigt keine Ticketreservierungen und Hotelbuchungen mehr, da man ja schon vor den anderen ankommt.


Der Einwand, man lebe doch eigentlich fuer den Moment bleibt hier wirkunslos, da wir bekanntlichermassen selbst in der Vergangenheit gefangen sind, wie die Sterne auch nur ein Abbild langeverganger Zeiten sind. Ich wage zu behaupten, dass wir gerade durch "Speedtravelling" dem eigentlichen Moment so sehr auf den Pelz ruecken, dass er keine Zeit mehr hat, sich zu verstecken. Und wenn wir die Relativitaetstheorie noch ernst nehmen duerfen, erlaubt uns dieser raketenartige Vortrieb die Moeglichkeit, mit der Zeit aufzuschliessen ... was heisst, dass wir uns dadurch im Grunde dem Altern entziehen. Ist das nicht wunderbar ;)
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Fuer Asien ist das Individuum keine Option

Die Autobahn hat zwar nur jeweils zwei Spuren, aber dem Tieflanddschungel wurde eine doppelt so breite Seitenstreifenbegruenung aus Orchideen abgekaempft. In Deutschland liesse man sich mit solch einem Begleitgruen die Steuern viel leichter aus der Tasche ziehen, wenngleich man bei unserem Tempolimit, das nur durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt ist, einzig bunte Streifen sehen wuerde.

Der auslaufende Monsun schuettet sich ueber das Land aus, als wolle er es vernichten. Endlich kommen die Spoiler der hiesigen Blechautos wie Proton und Produa zum sinnvollen Einsatz und pressen die fahrbaren Dosen auf den Asphalt, sofern das bei dem herrschendem Aquaplaning ueberhaupt noch moeglich ist. Rein wetter- und stautechnisch fuehle ich mich an den deutschen Herbst erinnert. Als dann noch die Ausfahrt 'Legoland' an uns vorbeizieht, bin ich kurz geneigt, dies auch zu glauben.

Legoland passt irgendwie ganz gut nach Malaysia, denn die Einheimischen verlieren, sobald sie das Auto verlassen, jede Individualitaet und bewegen sich als Gleicher und noch Gleicheren ganz wie die Legomaennchen - beide Arme schwingen steif wie die Pendel einer Aufziehuhr beim Gehen hin und her. Der Marsch ist hier fuer das Zivilleben geschaffen und hat, nicht wie bei uns, nicht militaerischen Charakter.

Auf den ersten Blick herrscht emsiges Treiben auf den Strassen und Maerkten.
Wie menschliche Insekten wuseln Koerper aller Coleur und Masse scheinbar rastlos zu unbekannten Zielen. Erst wenn man sich selbst in diesen Fleischquirl hineinstuerzt, spuert man, dass man sich eigentlich kaum vorwaertsbewegt.
Es ist ein Dribbeln und Schwanken, der sich mehr nach links und rechts als nach vorne bewegt, ein wiegender Schritt, der es einem unmoeglich macht, die sich im Schneckentempo bewegende Masse zu ueberholen.
Raumdeckung nennt sich das.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob es China im Weltfussball durch das Kopieren der italiensichen Defensivkicker an die Weltspitze schaffen wird.

Erst wenn der Koerper wieder die Autotuer hinter sich schiesst, gewinnt er an Individualitaet. Besser gesagt: nicht der eigene Koerper, sondern das durch diesen gesteuerte Fahrzeug. Das Auto bietet hier die einzig zulaessige soziale Individualisierung. In einem Land, wo man gerne Gummi gibt.
Nicht ohne Grund hat sich die Formel Eins in Malaysia, insbesondere mit dem Nachtrennen in Singapore, niedergelassen.
Und so fliegen sie wie Gluehwuermchen auf einer Modenschau durch die Nacht, die hinter den verdunkelten Scheiben verborgenen Gesichter, in ihren, mit von gruenen LEDs gespickten Alufelgen und blauer Unterbodenbeleuchtung Protons und Produas, die blechernen Orchideen der Nacht.
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Laerm heisst Leben, Ruhe heisst sterben

Reiseklassiker: Ruhig ist es nur unter der Erde

Dass in Italien der Fernseher den kompletten Tagesablauf in gehobener Lautstaerke begleitet, mag fuer den deutschen Individualisten zuweilen befremdlich erscheinen. In Asien dies nur eines der Fragmente. Der Begriff der Ruhestoerung hat im asiatischem Sprachraum keine Chance. Laerm ist Leben, weswegen es ja auch Totenstille heisst.

Und totenstill wurde es auch um jenen jungen Mann, dem gestern im Bus das Lichtlein ausging.
Hier stirbt man einfach mal schnell, so Gott es will. Und dann mutet es auch sehr westlich an, dass zwei Bleichhaeute versuchen, Wiederbelebungsmassnahmen einzuleiten.
Sei uns Unglaeubigen verziehen, dass wir den Willen der hoechsten Instanz nicht zu respektieren scheinen. Orang putis, Touris eben.
Am liebsten haetten sie in gleich an Ort und Stelle im Abwasserkanal vergraben, dass ihn der naechste Regenguss in die Hallen Manitous schwemmt.

Weiter gehts im SuperDeluxeBus, mit dem Horrorstreifen 'Saw VI' bei 180 Dezibel und runtergfrorenen 15 Grad - sowie einem freien Sitz mehr. Aus meiner Sicht haetten wir den Verstorbenen unter diesen Umstaenden auch gut noch an den Zielbahnhof mitnehmen koennen.

Wie schon in Afrika gilt auch hier: immer genuegend Klebeband zur Hand zu haben, um die Lueftungsschlitze und Lautsprecher schon zu Fahrtbeginn abkleben zu koennen.

Froh, endlich die Akkustikfolter auf Uncle Changs Inselresort auf Pulau Mabul bei Sipadan hinter mich gebracht zu haben, wo einen die Generatoren in und aus dem Schlaf, sowie durch den Tag singen. Ich koennte mir denken, dass so mancher Gast von einem Tauchgang absichtlich nicht mehr zurueckkehrt, sondern den Tod im Tiefenrausch dieser Hoelle vorzieht.
Ich jedenfalls freue mich, diese Nacht neben einer Karaoke-Bar verbringen zu duerfen, wo ich einige Lieder sogar mitsummen kann. Als ich versuche, meditativ auf meinen Herzschlag einzuwirken, dass er nur bei jedem zweiten Beat dieser dschungelfreien Zone mitschlaegt, schaffe ich es erst 6 Uhr morgens vom Sonntagsmarkt vor meinem Fenster geweckt zu werden.

Selbst im hiesigen Dschungel ist der Schallpegel keineswegs mit dem deutschen Wald zu vergleichen.
Wo bei uns Blaetter im Wind rascheln, brechen hier vor der vom Schrei des Hornvogels durchbrochenen Orchesterkulisse der Grillen Urwaldriesen zu Boden.
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Der Sultan von Sulu will mehr Rente



Treue Leser, die wissen das. Ich will hier keinen beleidigen oder durch Vermutungen ans Bein pinkeln, obwohl man in Bayern gerne sagt: 'Ein Hund is er schon.'

Doch nach dem Scharmuetzel von letztem Freitag in Lahad Datu, im Osten Borneos, muss man sich doch fragen, was hier gespielt wird. Die Menschen in Ost-Sabah, insbesondere die weniger gebildete Schicht hat Angst, dass eine Armee von Sulu-Kaempfern uebersetzen koennte, um Sabah zu erobern. Die Geschaefte in Semporna, rund zwei Stunden von Lahad Datu, waren, sehr zu meinem Missvergnuegen, schon mittags geschlossen.
Im letzten Artikel hatte ich den Koenig von Sulu erwaehnt. Das ist er natuerlich keineswegs. Er ist allenfalls Sultan und selbst das ist umstritten.
Ganz im Gegensatz zum Sultan von Brunei, mit einem 1800-Zimmer-Palast, besitzt der selbsternannte Sultan von Sulu, Jamalul Kiram III, ein bescheidenes zweistoeckiges Haeuschen in Maharlika und eine bekommt von Malaysia eine monatliche 'Rente' von gut 1000 Euro.
Seit Mitte Februar 2013 haben sich in seinem Doerfchen nun die Royal Security Forces of the Sultanate of Sulu and North Borneo mit gut 100 Kaempfern festgesetzt, um NordOstBorneo zurueckzuerobern. Vermutlich moechte er die staatliche Erdoelfirma Petronas gleich noch miteinsacken, womit er mit Cristina Fernandez de Kirchners Engagement in Argentinien gleichziehen koennte.

Nach Ablauf des Ultimatums von zwei Wochen wurden sie nun letzten Freitag von der malayischen Armee, oder war es nur Polizei, im sogenannten Lahad Datu Standoff niedergekaempft.
Im Grunde wirkt es wie eine Werbemassnahme, die durch vielen Strassensperren plakatiert wird. So entspannte Gesichter wie bei hiesigen Polizei und den Militaers wuerde man sich in Deutschland selbst bei dem kleinsten Taschendiebstahl nur wuenschen.

Um die Sache einfach zu halten, darf man von Glueck fuer die malaysische Regierung sprechen, dass sich die ernsthafteren Ungestalten wie
die auf den Phillipinen operierende Moro National Liberation Front, sowie die mit ihr verfeindete Abu Sayyaf Group nicht auch noch an den Straenden Borneos blicken liess.

Auffaellig ist der Zeitpunkt so kurz vor den Wahlen. Denn fuer den fremden Sultan ist es mit Sicherheit kein oeffentlichkeitswirksamer Gewinn. Historisch gesehen treten ausserparlamentarische Gewaltaktionen nur zu gerne kurz vor den Wahlen zu Tage ... stets mit dem Ergebnis, dass es die regierende Gewalt in eine neue Amtsperiode hievt. Daran wird nun auch die parlamentarische Oppostion, die, zum Ende der Regenzeit, selbstverstaendlich das Blaue vom Himmel verspricht, nicht viel aendern koennen. Und so wird Malaysia das gleiche Schicksaal ereilen, das auch Bayern seit ueber 50 Jahren stets die gleiche Partei beschert.
Oekonomisch ist das scheinbar ja auch nicht so verkehrt ;) Monopol kostet eben rein rechnerisch weniger.
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