Fuer Asien ist das Individuum keine Option

Die Autobahn hat zwar nur jeweils zwei Spuren, aber dem Tieflanddschungel wurde eine doppelt so breite Seitenstreifenbegruenung aus Orchideen abgekaempft. In Deutschland liesse man sich mit solch einem Begleitgruen die Steuern viel leichter aus der Tasche ziehen, wenngleich man bei unserem Tempolimit, das nur durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt ist, einzig bunte Streifen sehen wuerde.

Der auslaufende Monsun schuettet sich ueber das Land aus, als wolle er es vernichten. Endlich kommen die Spoiler der hiesigen Blechautos wie Proton und Produa zum sinnvollen Einsatz und pressen die fahrbaren Dosen auf den Asphalt, sofern das bei dem herrschendem Aquaplaning ueberhaupt noch moeglich ist. Rein wetter- und stautechnisch fuehle ich mich an den deutschen Herbst erinnert. Als dann noch die Ausfahrt 'Legoland' an uns vorbeizieht, bin ich kurz geneigt, dies auch zu glauben.

Legoland passt irgendwie ganz gut nach Malaysia, denn die Einheimischen verlieren, sobald sie das Auto verlassen, jede Individualitaet und bewegen sich als Gleicher und noch Gleicheren ganz wie die Legomaennchen - beide Arme schwingen steif wie die Pendel einer Aufziehuhr beim Gehen hin und her. Der Marsch ist hier fuer das Zivilleben geschaffen und hat, nicht wie bei uns, nicht militaerischen Charakter.

Auf den ersten Blick herrscht emsiges Treiben auf den Strassen und Maerkten.
Wie menschliche Insekten wuseln Koerper aller Coleur und Masse scheinbar rastlos zu unbekannten Zielen. Erst wenn man sich selbst in diesen Fleischquirl hineinstuerzt, spuert man, dass man sich eigentlich kaum vorwaertsbewegt.
Es ist ein Dribbeln und Schwanken, der sich mehr nach links und rechts als nach vorne bewegt, ein wiegender Schritt, der es einem unmoeglich macht, die sich im Schneckentempo bewegende Masse zu ueberholen.
Raumdeckung nennt sich das.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob es China im Weltfussball durch das Kopieren der italiensichen Defensivkicker an die Weltspitze schaffen wird.

Erst wenn der Koerper wieder die Autotuer hinter sich schiesst, gewinnt er an Individualitaet. Besser gesagt: nicht der eigene Koerper, sondern das durch diesen gesteuerte Fahrzeug. Das Auto bietet hier die einzig zulaessige soziale Individualisierung. In einem Land, wo man gerne Gummi gibt.
Nicht ohne Grund hat sich die Formel Eins in Malaysia, insbesondere mit dem Nachtrennen in Singapore, niedergelassen.
Und so fliegen sie wie Gluehwuermchen auf einer Modenschau durch die Nacht, die hinter den verdunkelten Scheiben verborgenen Gesichter, in ihren, mit von gruenen LEDs gespickten Alufelgen und blauer Unterbodenbeleuchtung Protons und Produas, die blechernen Orchideen der Nacht.