Samstag, 10. März 2012
Angstschweiss in Nordafrika - aus Frühling wird Sommer
Der Frühling ist eine Jahreszeit, der nach einer gewissen Zeit der Winter folgt.
Ob das beim arabischem Frühling auch so sein wird? Und wer findet Sommer in der Wüste schon wirklich so erhoffenswert? Der Begriff riecht nicht nur nach westlichen Denkmustern, sondern es ist ein ganz modriger Geruch, den wir aus dem Kolonialismus und vom modernem Gutmenschentum her kennen. Arabischer Frühling - wer anderes als die westliche Kapitalpresse könnte diesen Begriff wohl geprägt haben? Der Aufbruch in die Demokratie - so könnte es eine liberale italienische Zeitung titeln und darunter das demokratische Abbild eines Herrn Monti. Uns selbst entgleitet diese Demokratie wie ein glitschiger Fisch, den noch vor kurzem europäische Schiffangflotten dem arabischem Fischer vor der Nase weggeangelt hatten. In der Psychologie nennt sich das klassisch Übertragung. Die Mär vom tunesischem Gemüsehändler, der durch seine Selbstverbrennung die arabische Freiheitsbewegung in Gang gesetzt hat. Das hat Bildzeitungsniveau und gerade deshalb wurzelt es tief in den Hoffnungen jener Menschen, die sich Freiheit wünschen. Wenn sie diese Freiheit dennoch in Ansätzen bekommen, wählen sie schließlich die Moslembrüderschaft. Den Rest der scheinbaren neuen Freiheit konterkariert die westliche Politik und Industrie, deren Interesse es ist, daß nicht nur der Rohstoff Fisch für uns weiterhin billig zu haben ist.
Wir könnten die Freiheit kennen. Für eine repräsentative Demokratie konnten wir allerdings selbst noch kein Gefühl entwickeln in den wenigen Jahrzehnten, in denen sie hier um Einlaß gebeten hatte - ohne diesen jemals gewährt bekommen zu haben.
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Wenn man sich der Borniertheit hierzulande nicht total verwehrt, könnte man meinen, wir hier im Westen befänden uns in einem ausuferndem Zeitalter der Vernunft, wir wären die Schöpfungsgeschichte der Menschenrechte und die Soldateska der Freiheit. Den halben Planeten in kürzester Zeit vernichtet, preisen wir Werte, die wir selbst nie so recht zu Gesicht bekommen haben. Wir verweihräuchern unseren verfressenen Geist so sehr, daß die Theorie zur Praxis wird. Wir bauen uns eine Phantasiewelt, in der wir jene Guten sind, die den anderen das Lebensrecht verweigern, so daß wir es später als Hilfslieferungen wieder zurückschippern können. Wir kapern das arabische Öl, indem wir nicht nur dem saudischem Volk die Freiheit verweigern, und schicken den Restmüll in Plastiksäcken zurück. Das ist raffiniert, aber mit Ethik und ähnlichem Anstandsgemurmel hat es so wenig zu tun wie das derzeitige Arabien mit dem Frühling.

Der sogenannte arabische Frühling ist kein Marshallplan für Nordafrika, sondern deren fortwährende Ausbeutung unter einem anderen Vorzeichen. Vielleicht soll es verhindern, daß weiterhin Schiffsladungen von Verzweifelten über das Mittelmeer schippern, vielleicht allerdings soll es uns auch helfen, daß uns hierzulande nicht die Billigarbeiter ausgehen, jene Illegalen, deren Traumberuf ein prekäres Arbeitsverhältnis in Europa ist. Wenn derzeit die korrupte Elite der Dritten Welt nicht nur in Nordafrika vom Thron gefegt wird, so muss das nicht zwangsläufig bedeuten, daß es dem restlichen Volk zugute kommt. Ganz und garnicht. Ohne Ali Baba, nach dem arabischen Zapfenstreich, sind es immer noch 40, heutzutage multinationale Räuber.
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