Sonntag, 29. November 2020
Ein Reichbürger meldet sich zu Wort
Ich persönlich fahre keinen SUV, obwohl ich mich zur Schicht der Reichbürger zähle. Goldene Sonne auf goldenem Grund heißt unser Banner. Ich gehöre zu jenen, die nicht mit Parkplatzsuche kämpfen, sondern ihre Transportmittel im eigenen Garten, oder sagen wir lieber Park, abstellen. Ehrlich gesagt bekomme ich schon Höhenangst, wenn ich an einen solchen City-Panzer nur denke. Ich bewege mich lieber tiefergelegt. So muss ich mich zumindest visuell nicht der gierigen Münder erwehren, die hoch oben aus den Fenstern des öffentlichen Verkehrs starren. Nur weil ich sie verstehe, muss ich mich ihnen ja nicht aussetzen.

Ich hätte mich fast an meinem argentinischem Bio-Steak verschluckt, als die Verlautbarung von einem Aufmarsch der Reichsbürger über den Äther kam. Doch das kleine s macht den Unterschied. Es handelte sich nicht um ein kulturelles Großereignis meiner Klasse, das ich versäumt haben könnte, sondern um Wutbürger. Kein goldener Banner, sondern ein althergebrachtes Fähnchen in den Farben karierter Hemden, wie man sie auf Stammtischen trägt. Es waren Menschen, die im alten Griechenland nicht einmal den Status eines Vollbürgers gehabt hätten.

Im Grunde verhält es sich wie bei der Massentierhaltung. Nicht umsonst beschäftigt sich auch die Bundeswehr mit der Schweinepest, die sich an der Oberlausitz in Granatwerferweite vom polnischen Seuchengeschehen befindet. Für Bio-Schweine in Freilandhaltung sind das keine guten Zeiten. Bewegungsaktiv und wühlfreudig wie sie sind wird der Schutzverordnung nicht anders nachzukommen sein, als sie in Quarantäne zu schicken. Vielleicht findet sich bei einer vorgeschriebenen Stallfläche zwischen einem und einem halben Quadratmeter (weniger Fläche als im Kofferraum meines Spider „Coda Tronca“) noch ein Plätzchen in den Ställen mit 20.000 bis 40.000 Mastschweinen Mecklenburgs. Quarantänefleisch für Quarantänebürger. Du bist, was du ißt.

Wenn man beim Scheißen die Hosen nicht runterläßt, führt das zur Enkopresis, also zum Einkoten. Bei der in westlichen Hochkulturen üblichen Mastzucht ist das Absetzen von Kot an dafür im soziokulturellen Milieu der jeweiligen Person nicht vorgesehenen Orten die logische Konsequenz. Die bundesrepublikanische Käfighaltung mag für Inhaber von großen Käfigen wie mich mit Auslauffläche, Pool und Sauna akzeptabel sein. Auch mein Karibikurlaub über Neujahr ist nicht in Gefahr. Für jene Käfigbewohner aber ohne Garten, Balkon oder ähnlichem wird der Umschluss nach dem Wochenende, wenn sie endlich wieder in den Hafträumen des Arbeitgebers gesellig arbeiten und Eier legen dürfen, zum Highlight der Woche.

Ich muss ehrlich sagen: Wer keine Reichskriegsflagge auf seinen Treppen sehen möchte, sollte sich keinen Reichstag halten. Da darf man sich nicht wundern. Und ähnlich verhält es sich mit der Enkopresis, die bei Massentierhaltung zwangsläufig zu Tage tritt. Du wirst, was du ißt. Deshalb esse ich ja Bio-Rindersteak aus Urwaldhaltung. Das auf- und abgespritze Puten- und Schweinefleisch, das wir an unsere Lohnabhängigenklasse verfüttern, wird keine Soldaten der Arbeit schaffen. Bei diesem Lohngefüge würde ich mir als Lohnabhängiger noch nicht mal den Wecker stellen. Wenn wir sie wochentags nun in Massentransporten mit Mindestabständen von weniger als einer Handbreit zum Arbeitsplatz befördern,

ihnen aber Stadionaufenthalte und jegliche Freizeitmaßnahmen nehmen und verbieten, dann führt das im besten Fall zu einer Art mentaler Enkopresis. In zunehmendem Maße wird es sich, wie im Fall des Sturms auf die Reichstagstreppen, zu einer viel schlimmeren Form des Scheißens steigern, der Peritonitis, dem fäkalen Erbrechen. So bleiben uns die aufmerksamkeitsheischenden Worte eines Attila Hildmann ebensowenig erspart wie der heuchlerische Aufruf zur Solidarität seitens der politischen Klasse, die sich stets einen Tönnies mit auf Auslandsreisen zu nehmen pflegt. Ich fühle mich nicht etwa wie Sophie Scholl, sondern eher wie Hannah Arendt.

Wer schreit denn da nach Solidarität. Doch hoffentlich nicht etwa Dickleibige, Alte und CDU-Wähler, die sich bei Themen wie Dritte Welt, Klimaerwärmung und Konsumeinschränkung bisher äußerst bedeckt hielten. Ich sage immer: Da muss man sich entscheiden. Ein wenig hier und ein wenig da, führt zu wenig. Entweder man entscheidet sich, die Masse der Impflinge gleich noch mit Antibiotika, Beruhigungs- und Abführmitteln niederzuimpfen, im Zuge dessen die Laubbläser im öffentlich Raum mitzuverbieten, die Höchstgeschwindigkeiten an die Steuerklasse zu knüpfen. Oder man läßt es. Aber händeringend nach Solidarität zu schreien, um sie dann mit Verboten zu erzwingen. Ich weiß nicht :-(

Ich freue mich, dass ich bisher noch meinen arschteuren 'Coda Tronca' auf öffentlichen Straßen fahren kann ohne den Gedanken an Carnapping, dass ich keine Befürchtungen haben muss, abends beim Desert einen rachsüchtigen Mob mit Brandfackeln durch meinen Park stürmen zu sehen, wenn mir selbst mein Prepper-Spray nichts mehr helfen wird. Die bundeseigene Art von Solidarität habe ich schon beim Ost-Soli mitbekommen. Sie landet selten bis nie beim Volk, das uns umgibt. I had a dream! last night. Mein Leben war eine Expedition durch den Dschungel der Gefühle. Wir trugen wie Kinski in Fitzgeraldo, bzw seine Sklaven, meinen Alfa Spider durch den Dschungel, als ich plötzlich in eine Gesellschaftsspalte stürzte. Eingezwängt wie ein Mastschwein ohne Grabbeigaben musste ich harren bis ich morgens wieder tot erwachte.

Man kann heutzutage mehr Angst vor der Überwachung und dem Datensammelwahn der Unternehmen haben als vor einem Terroranschlag. Man muss kein Querdenker sein, um die derzeitigen Corona-Maßnahmen als übertrieben und fehlgeleitet zu empfinden. Und man sollte mehr Angst vor dem Ewigen Leben haben als vor dem Sterben!
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Donnerstag, 5. November 2020
Im Labyrinth der Paywall- und Cookie-Monster

Die Bettelpresse als Notenpresse

Seit das mit den Cookies und dem Abfischen von Informationen nicht mehr so reibungslos läuft, erschrecke ich manchmal, wenn beim Aufruf einer Internetseite kein "Einstellungsfenster" oder eine "Cookie-Control" sich ins Bild drängt und das Weiterlesen erstmal unmöglich macht.

Ist die Internetverbindung zusammengebrochen? Nein, es gibt noch Seiten, die keine Cookies abrufen, Informationen auf unserem Gerät speichern oder abrufen wollen und unser Leseverhalten an hunderte von Trackern und Datensammlern weiterleiten.
Hat man das dann mal geklärt, indem man entweder allem zustimmt oder sich ablehnend durch ellenlange Bestimmungen geklickt hat, erscheint endlich ... die Paywall, der Abo-Block, die Aufforderung doch bitte Geld dafür zu zahlen, um den großartigen oder vielleicht auch grottenschlechten Artikel lesen zu dürfen.

"Wie glauben, jeder hat das Recht, qualitative, unabhängige und faktische Nachrichten zu lesen ... Die Presse war noch nie so vital. Niemand schreibt uns eine Agenda vor oder 'zensiert unsere Zensoren'. Deshalb können wir Sie täglich mit unabhängigen Nachrichten versorgen."

Leider kann ich das nicht im Geringsten so sehen.
Fangen wir doch mal mit 'vital' an. Vital waren die Blogger, lange bevor 'die unabhängige Presse' die Trefferliste unserer Suchen überflutet hat und das Internet mit Artikeln spamt, die oftmals Wort für Wort identisch sind. Ehe man dreissig Artikel mit gleichem Inhalt aufruft, sollte man sich besser auf ein Zentralorgan wie die 'Pravda - Westausgabe' einigen, statt sich dem lausigen Copy&Paste-Journalismus hinzugeben.

Weiters glaube ich, dass jeder das Recht hat, zu lesen was er will und selbst zu entscheiden, ob er es qualitativ hochwertig findet. Ich finde zum Beispiel die "le monde diplomatique" - ganz im Vergleich zur flachbrüstigen Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, um nur eine zu nennen - ein gutes Beispiel von hochwertigem Journalismus, weshalb ich da auch bereit bin die Printausgabe zu abonnieren - obwohl sie (von drei aktuellesten Ausgaben abgesehen) ältere Artikel komplett ohne 'Paywall' oder 'Cookie-Spy-Control' ins Netz zu stellen. Und jeden Artikel kann man sich dann auch noch vorlesen lassen.

Wer mal was tiefgründiges zu Nagorno-Karabah lesen will, dem empfehle ich The Saker. (Auch interessant, obwohl etwas parteiisch: Azerbayjan Today) Hintergründiges zu den USA beim Moon of Alabama. Und wem es nichts ausmacht, dass Information einfach mal Schwarz-auf-Weiß ohne Bilder in reinem HTML rübergebracht wird, der ist bei Fefes Blog gut aufgehoben. Alles immer ohne Paywall oder Cookie-Scheiß.

Aber einfach von den zwei, drei großen Presseagenturen wie Associated Press abkupfern, um schließlich die Nutzerinformationen weiterzuverschachern und schließlich noch um Geld zu betteln, dass Leute die Nachrichten lesen dürfen, die man selbst für die einzige Wahrheit hält, das ist untereste Schublade.

Ich muss sie garnicht aufklicken, die deutsche Presselandschaft von heute, um zu wissen, was drinsteht: Für den Guten Biden wird es knapp, der Anschlag von Wien war feig, die Chinesen sind fies und das Wetter so lala.

Wenn für Nachrichten heute noch gezahlt wird, dann durch Erpressung wie die Gebühren für das öffentlich-rechtliche Staatsfernsehen, durch die eingeblendete Werbung oder durch jene, die wollen, dass diese Nachrichten verbreitet werden oder jene Informationen zurückgehalten werden.
Aber für Artikel, die uns erklären wollen, dass China unsere Turnschuh-Industrie klaut oder die Russen mit Militärausgaben von 446$ pro Kopf pro Jahr an der Ostgrenze lauern (USA 2200$, Frankreich 766$, BRD 587$), der sollte eigentlich Geld dafür zahlen, dass er solche Nachrichten verbreiten darf.

Ganz ohne doppeltes Abkassieren, ohne Associated Press und das ganze PiPaPo, sondern einfach mal Nachrichten aus einer anderen Welt von der Yemen News Agency, aus dem Iran von Tasmin News Agency, sogar auf deutsch die Beijing Rundschau, aus Libyen der Libya Herald. Als Geschenkidee für Weihnachten der wunderschöne Maßkrug aus dem Online Shop der Afghan Online Press und real wild news aus einem Land, das ohne Bürgerkrieg oder Ebola keine Nachrichten wert, wo aber Leute den Diebstahl von Ziegen noch mit dem Leben bezahlen.

Irgendwie gehts also auch ohne. Man muss nur wollen. So einfach wie bei Chinaprodukten wie Nike-Schuhen und Märklin-Eisenbahnen, die dann nur noch ihr Label draufklatschen, geht es bei Presseprodukten aber nicht mehr.

SZ, TZ, BZ, Tagesschau und mit dem Zweiten sieht man besser, oder man wird blind, taub und stumm. Der Begriff 'Lügenpresse' verdeckt den eigentlichen Zustand. Ich nenne diese Art von Journalie Bettelpresse.
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Samstag, 5. September 2020
Täter oben, Täter unten. Jene, die die Fahne tragen, sind selten die, die sich die Sache hinter der Flagge ausdenken. Dazu die Befragung im Auschwitz-Prozess 1965 des SS-Unterscharführers Oswald Kaduk, die äußerst "tief" blicken läßt. „Wenn ich an Herrn Staatssekretär Globke denke, frage ich mich, warum wird mit zweifachem Maß gemessen." Hans Josef Maria Globke, der rechten Hand Konrad Adenauers. Wo sitzen denn nu die neuen rechten Hände?

(Dazu auch interessant Gaby Webers neueste Doku "Ewig Geheim - Kollateralbelastung Demokratie" ;)
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Donnerstag, 6. August 2020
Die Welt der Möglicheiten
So. Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich seelisch und körperlich auf diesen Artikel vorbereitet hatte. Dem voraus gingen Irrfahrten in die Welt der Nachrichten, eine Odysee durch den digitalen Blätterwald, ein paar Spaziergänge an Bergbächen und ein Ausflug nach Berlin. Harte Fakten sind nicht mehr so leicht zu finden, so durchsetzt wie wir sind von Mikroplastik und Weichmachern.

Berlin, Großdemo gegen Corona oder gegen die Freiheitseinschränkungen ohne Corona oder was auch immer. Ich war da! Gestorben wäre ich allerdings kurz darauf, als ich von der angeblichen Anzahl gelesen hatte und mich fast der Schlag getroffen hätte. Man spricht von 17.000 bis 1.700.000 Teilnehmer*innen. 1.August 2020. Ich seh nochmal nach auf meinem Zugticket, auf meiner Hotelbuchung. 1.8.2020. Meine Koronargefäße kontrahieren sich in einem bedrohllichem Maße. Ich kann bei den entzückenden Bildern des Virus keinerlei Ähnlichkeit zu einer Krone erkennen. Eine Krone, die rundherum Zacken hat? Vielleicht die Dornenkrone? Für mich sieht es aus wie eine Seemine. Und zwar genau wie jene, die auf dem trüben Teich unserer Wertegemeinschaft treibt.

Ich sehe mir nochmal die Fotos von meinem Berlinaufenthalt an und muss feststellen: Da war keiner.
Die angeblichen Fakten und das Abbild der Realität auf meiner Retina stimmen in keiner Weise überein. Wie Joscha Bach in 35c3 - The Ghost in the machine sagt: "Das Vertrauen in einen Glauben muss der Beweislast entsprechen, die diesen Glauben stützt." Sein Versuch, die singuläre Herangehensweise von Individualismus und Materialismus - siehe Kowalski - Der Körper bin ich - aufzulösen, birgt für mich ein wenig Seelenfrieden.

Mit dem funktionalistischen Weltbild eines Joscha Bach ist für mich die aktuelle dissonante Weltpolitik mit des Kaisers neuen Kleidern um einiges erträglicher.
Ein aus den Fugen geratener Weltpolizist beschlagnahmt iranisches Öl in internationalen Gewässern, verbietet eine Nordstream-II-Pipeline und will TikTok verbieten. Wie Elon Musk das in Bezug auf den Putsch gegen Evo Morales sehr treffend bemerkt hat: Wir werden putschen, gegen wen immer wir wollen. Ganz besonders, wenn er dadurch billiger an das bolivianische Lithium rankommt.
Des Kaisers treue Untergebene bewundern die Kleider des Kaisers und verscheuern und verspahnen in exponentieller Geschwindigkeit alles, was ihnen garnicht gehört. (Während sich ein Herr Spahn eine 4-Millionen-€ Villa kauft, um dem Volk nicht so nah zu sein. Es stört ihn, wenn er auf der Straße auf seine Politik angesprochen wird. Das nennt sich heute Volksvertreter.)
Was früher noch unter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde, steht heute auf den Titelseiten. Wo man früher die Banken der Mittel- und Unterschicht leergeräumt hat, wartet man heute garnicht mehr bis das Geld auf der Bank landet, sondern räumt es nun schon unter den Kopfkissen raus.

Nachdem mit der letzten Tonnenleerung Moral und Anstand auf die Müllberge verfrachtet hat, nachdem eventuelle Proteste nicht mehr zu befürchten hat, sondern sich nur noch darum sorgen muss, dass das verschossene Tränengas nicht wie in Portland das Grundwasser verseucht, nachdem die letzten Bürgerrechte so weit verbogen wurden, dass sie gebrochen sind, kann man die Fassaden der Demokratie gleich umgestalten zur Arena der Gladiatoren.

Während wir uns noch Gedanken darüber machen, ob wir nicht besser mehr auf Solar- als auf Windkraft setzen und ob die massive Einführung des Elektroautos vielleicht nicht nur ein Verkaufstrick ist, bereiten sich andere schon auf ein Mad-Max-Szenario vor und sammeln sich mit freiwilliger unfreiwilliger UnterstützungWaffenarsenale zusammen.

Wir sind hierzulande in der wunderbaren Superposition, über mehrere Generationen keinen Krieg erlebt zu haben, uns keine Sorgen machen zu müssen, dass abends Essen auf dem Tisch stehen könnte, von Terroristen oder Militärs verschleppt zu werden oder wie Pompeji unter Lavaasche begraben zu werden. Dennoch bemerken wir, dass das untere Lohnniveau sinkt, dass wir immer weniger für immer Mehr zur Verfügung haben, dass die Politik mehr und mehr eine Interessensvertretung der Großkonzerne wird, dass sich unsere Gesellschaft entsolidarisiert und polarisiert.

Aus jeder Bewegung entsteht glücklicherweise eine Gegenbewegung. So kann man hoffen, dass es auch mal wieder solidarischer wird. Sollte aber mal die Wellenfunktion kollabieren, sollten wir uns nicht wundern, wenn wir wie aus dem Alles vor dem Nichts stehen. Noch ist die Fassade intakt, aber vielleicht ist des eben schon die Fassade der Arena.
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Donnerstag, 30. April 2020
Auf den roten Freitag ein blauer Montag
Diese Worte danken allen, die mal das Fließband durch kleine Sabotagen zum Stillstand und mich zum Nachdenken brachten. Sie danken allen, die mich gedeckt haben, mal auf Arbeitszeit was zu Papier zu bringen, oder zeitweise besoffen im Schrank zu liegen.

Ich sehe seit Wochen nur noch "1.Mai", den Weihnachtstag der Arbeiter, der dieses Jahr glücklicherweise auf einen Freitag fällt. Und plötztlich höre ich den Schlachruf der arbeitenden Bevölkerung aus allen Ecken hallen: Kurzarbeit.
Ich denke natürlich erstmal an die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, die mir seit den 90er Jahren immer noch in den Ohren klingelt. Das ist eben meine Art Tinitus.
Schon erschallt es "19,5 Stunden" und ich denk mir ich träume.
Wer hätte das gedacht. Aus der Krise geboren wird der ursprüngliche Gedanke der Sozialdemokratie plötzlich Wirklichkeit. Und das, obwohl der Sozialfaschismus immer noch nicht zu Grabe getragen wurde.

Wie kann das Großkapital nur so etwas erlauben. In all der freien Zeit kommt der Arbeiter ja bekanntlich stets auf dumme Gedanken. Im Moment kann man sein Aufbegehren nicht einmal mit Konsummüll zuschütten. Selbst Billigarbeiter aus EU-Randzonen oder 1-€-Ländern sind derzeit absolute Mangelware.
Wenn es nun nicht das Demonstrationsverbot und die Maulkorbverordnung gäbe. Und der verordnete Aufruf zur Solidarität, die im Grunde keiner wirklich versteht, wenn er mal darüber nachdenken sollte. Denn Solidarität kann man auch gegenüber Grünflächen oder Fischreihern, Schulheften und Politikern empfinden. Solidarität als Singularität hat erstmal wenig Aussage. Wie ein bayrischer Philosoph mal gesagt hat: Kann Solidarität nicht auch heissen, dass man jemandem einfach mal die Daumen drückt.

Wenn ich die pathetischen Worte der Bundesmutti oder die des pseudo-ergrünten CSU-Politikers höre, muss ich immer gleich weinen. Nicht wegen dem Inhalt, der so aussagekräftig ist, wie die ersten dreissig Absätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern wegen der Melodie. Säuselnd mit leichten Sprachfehlern und dialektisch bis zur Unverständlichkeit wird der Begriff der nationalen Solidargemeinschaft herausgemeisselt aus einer Geisterbahnfigur namens Kaputalismus.

Unsere Betriebsklimaschützer versuchen uns einen Heil- und später auch Kostenplan aufzuschwatzen, der uns nicht nur vom Virus früher, auf jeden Fall aber später als China, oder noch viel später befreien wird, sondern gleichzeitg von unseren Klima- und vielleicht sogar Rentenproblemen. Ein neuer Rettungsschirm - diesmal für alle - aber eben auch jene, die sich seit der Wirtschaftskrise 2008 mit Müh, Not und viel Lüge durchgeschwindelt hatten. Der Markt heilt vielleicht so einiges. Auf keinen Fall heilt er den Markt. Und genau hier wird der Kostenplan dann auf den Tisch gepfeffert.

Geld wird geboren und es versickert in Kanälen. Es wird gedruckt und eingestampft, verbrannt, zerschnitten. Es flackert kurz auf als digitale Ziffer, rot und grün, weiß auf schwarz. Erst ist es nicht da und dann schon weg, meistens am Monatsanfang, oft aber auch schon am Montagmorgen. Es ist immer gut, über zu wenig Geld zu schreiben, weil das alle nachempfinden können, reich wie arm. Und es ist ein dankbares Wort, weil es dank seiner Aussagekraft und Implikationen kein Synonym benötigt. Aber im Grunde ist es nur eine Idee. Und vielleicht eine schlechte.

Was wir jetzt dringender bräuchten als eine CoVid-Impfung und die Refinanzierung der Krise wären mündige Bürger, Volksvertreter, die das Volk und nicht Steuerflüchtige vertreten, mehr Freizeit als Konsum, ein lautstarker Abschied vom Fortschrittsgedanken des ewigen Wachstums, eine Volkswirtschaft, die nicht auf einem Pyramidensystem beruht und eher an das Oktoberfest erinnert als an nüchterne Zukunftsplanung. Wir bräuchten eine Aussenpolitik, die sich einer Wertegemeinschaft ziemt und nicht von den wenigen Arbeitsplätzen der Rüstungsindustrie dominiert wird. Ein Europa der Regionen und nicht eines rückbesinnenden Nationalismus.

Dann gings vielleicht auch mit einem Bruchteil dessen, was wir zu brauchen glauben, ganz gut weiter.
Ich finde, man könnte, man sollte, man müsste auf den 1.Mai gleich noch einen blauen Montag folgen lassen. Das wäre endlich mal richtungsweisend.
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Dienstag, 17. März 2020
Plan C
Ich wollte mich eigentlich nicht zur akuten Virenlast des Landes äußern - aber jetzt geht mir die Hutschnur über. So sehr ich der sozialistischen Planwirtschaft anhänge, muss ich zugeben: das Notstandsprogramm hätte privatisiert nicht schlechter laufen können. Und weil manche italienischen Ärzte von einem Kriegszustand sprechen - vielleicht sollte man Privatisierung auch bei der Bundeswehr mal durchdenken.

Pest, Ebola, Marburg, spanische Grippe, aber kaum kommt ein SARS-Ableger mal rübermigriert, ganz ohne Einreiseerlaubnis, hat keiner einen Plan. Von einem europäischem Plan mal abgesehen auch keinen nationalen. Seuchenbekämpfung scheint regionalisiert worden zu sein.
Ich vermute, dass die Meinungsumfragen noch nicht abgeschlossen sind. Da traut man sich lieber nichts zu entscheiden, sondern verhält sich wie beim Giro di Italia. Abwartend, zögernd, lauernd. Die Entscheidungen passt man der Situation an. Die Ämter schließt man dann schon mal heimlich und gibt möglichst wenig Info raus. Hände waschen und keine Nachbarn treffen. Die Neue Solidarität. Na, dann viel Glück.

Mir solls recht sein, ich bin nicht die Risikogruppe. Bei einer Triage werde ich nicht in die blaue oder schwarze Gruppe reinrutschen. Die Rente wird sicherer, die Krankenkassen, nach einer kurzen Belastungsprobe deutlich entlastet. Selbst der Wohnungsmarkt wird bei einer kompletten Durchseuchung wieder bezahlbarer. Für alle Neueinsteiger bei Aktien, Rohstoffen und Kryptowährungen könnte es nicht besser laufen. Für die "Volksparteien", die sich mit der willkommenen Unsicherheitslage diesmal noch gut über die Runden retten konnten, wird es weniger schön, wenn ihnen die greisen Stammwähler absterben. Aber insgesamt könnte man von einer Chemotherapie des Volkskörpers sprechen.

Die Überwacher werden mehr Überwachung bekommen und mit der Wirtschaftshilfe, die den Virus ersticken soll, wird auch die Wirtschaft erfrischt und kräftig wie Phönix aus der Asche wieder auferstehen. Und mit ihr auch die entsprechende Gesinnung: keiner schüttelt sich mehr die Hände in der zunehmenden Ellbogengesellschaft. Warum die Busfahrer mit sporadischen rot-weißen Bänder abtrennen, wo wir gerade in die Ära des panzergläsernen Menschen eintreten

Für die nächste Bioattacke wird man wieder keinen Plan in der Schublade finden, für die nächste Wirtschaftskrise in nächster Zukunft werden wir wieder einen Verursacher finden. Ich tippe da mal ganz laienhaft auf einen Meteoriten. Auf die automatisierten Montagebänderwird das Virus nicht einwirken können, aber die 35-Stunden-Woche wird bald in den Wust der Verschwörungstheorien eingehen. So gesehen läuft alles perfekt. Ja, fast geplant.
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Sonntag, 29. Dezember 2019
Richtgeschwindigkeit - ein Wort ohne Inhalt
Ich sehe im Rückspiegel immer nur Lichtgeschwindigkeit, sobald ich die Reichsgrenze bei meiner Heimkehr aus dem zivilisierten Umland überschritten habe. Aber gemeint ist wohl eher die Richtgeschwindigkeit. Ein Begriff, der mir in meiner fast schon jahrhundertelangen Autobahnerfahrung noch nie untergekommen ist. Da hätten wir gute Erfahrungen mit gemacht ... mit der Richtgeschwindigkeit? Vermutlich ähnliche gute Erfahrungen wie mit dem Rechtsfahrgebot. Mir dünkt, dass bei den großartigen Könnte-Gesetzen auf deutschen Autobahnen das fliegende Spaghettimonster seine Tentakel im Spiel hatte. Unter Tempolimit versteht man in Deutschland, dass man nicht mehr als eine Packung Taschentücher dabei hat.

Nach dem Angriff auf die deutsche Leidkultur, die Autoindustrie, wird nun also auch noch auf die freie Fahrt für freie Bürger scharf geschossen. Kaum hat man sich aus den 30-Zonen der betuchten Vororte irgendwie herausgequält, will man das Ding auch mal durchblasen, dass es nicht versottet. Man wäre ja wahrlich bescheuert, wenn man sich da an allen anderen Ländern dieser Welt orientieren würde. Selbst in Saudi Arabien nur 120 km/h max! Wie kulturfeindlich ist das denn?

Wer zahlt, schafft an, sagt der Volksmund, und plötzlich erscheint die erneute Ablehung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen durch Union, SPD, AfD und FDP in einem anderen Licht. Ich frag mich heimlich, ob meine Steuerzahlungen nicht eigentlich auch als Lobbyismus zu werten seien. Ihrer Wirkkraft nach zu urteilen scheinbar nicht.

Ist ja nicht so, dass das immer so gewesen wäre. Alle Geschwindigkeitsbeschränkungen der Weimarer Republik wurden mit Beginn des Dritten Reichs im Rahmen der ersten Reichs-Straßenverkehrsordnung komplett aufgehoben. Mann wollte ja schnell an die Grenzen des zu klein geratenen Lebensraums. Nach Kriegsbeginn, als man die Truppen bereits an die Front verlegt hatte, wurde die Reisegeschwindigkeit auf Autobahnen schnell wieder auf 80 km/h beschränkt, wohlwissend dass die Grenzenlosigkeit auch mal schnell nach hinten losgehen könnte.
Kaum war die Besatzungsmacht nach dem Krieg wieder einigermaßen ausgedünnt, wurden 1953 erneut alle Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgehoben. Kein Ding also, mal auf dem Kurfürstendamm mit 170 Sachen dahinzubrettern, so man am Steuer eines 1,5 litrigen Porsche 356 saß, da ein innerörtliches Tempolimit erst 1957 wieder eingeführt wurde.

Man muss die Dromologie Paul Virilios gelesen haben, um zu verstehen, warum die Gewalt der Geschwindigkeit nichts ist als die Auslöschung. "Der Passagier, der sein Pferd bestiegen hat, ... ist nur ein reitender Tod." (S.85 "Fahren, fahren, fahren") In der Geschwindigkeit setzt sich Reichtum, Macht und Herrschaft fort. So versteht man den 'road rage', die Persönlichkeitsveränderung, sobald sich der Körper in einer hochmotorisierten Karosserie in ein fatales und beinahe bösartiges Geschoss verwandelt. Der berittene Krieger und der Streitwagen waren es, die die Blitzkriege der Bronzezeit und damit Großreiche wie Babylon und Ägypten schufen und auch wieder begruben.

Wirklich gute Erfahrung haben wir mit der Lichtgeschwindigkeit gemacht. Die ist nämlich begrenzt, womit sich das Argument, auf deutschen Autobahnen gäbe es keine Höchstgeschwindigkeit locker widerlegen läßt. Und wer sich ein wenig in die Fachliteratur einließt, wird sehen, dass es da ganz pragmatische Lösungen gäbe für alle Gemüter gäbe ... um den Bewegungsdrang der Deutschen auf die Autobahnen zu reduzieren.
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Samstag, 22. Juni 2019
Abspaltung der Kernunion

"eine volkspartei ist nur so gut wie ihr volk und ihr fussvolk so viel hirn wie ihr fuss" (Transkription aus dem Alt-Mongolischen)
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Sonntag, 17. Februar 2019
Frühlingsausgabe
Wir machen die Zukunft möglich und die Vergangenheit besser. Wir ziehen der Zeit den Zahn und machen mehr aus ihrem Leben. Wir sind der Kleber für eine Welt in Scherben.
Wir decken morgens auf und abends ab - ein Magazin mit dem man gut über den Tag kommt und abends auch rechtzeitig ins Bett. In Reih und Glied marschieren die 80er Revue.

Demokratisierung der Gesellschaft - Arbeitsplatzsicherung - mad in Germany - Friedenssicherung - Terrorbekämpfung - der Schutz geistigen Eigentums - ein Herz für die Familie - ganz neue Herausforderungen und viel Liebe. Ein halbes Jahrhundert, der Plan bleibt der gleiche. Wir schaffen das.

Rote Karten, gelbe Westen, grüne Zukunft, eine Welt so rosig als hätte man zu lange heiß gebadet. Es lebt sich nicht so schlecht im Grab der Jugend der 80er. Alles ist gut.
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Mittwoch, 26. Dezember 2018
Ein Wunder .
Das Friedenslicht, die in der Geburtsgrotte zu Jerusalem am brennenden Herzen Jesu entzündete Flamme, wurde auch dieses Jahr wieder unter dem Motto "Eine Welt, eine Hoffnung: Frieden" in alle Welt hinaus getragen.
Die Rüstungsindustrie wird diese Botschaft natürlich nicht beglücken. Doch bei der Bahn scheint der Funken zumindest am Weihnachtsabend gezündet zu haben.
Wie die Saarbrücker Zeitung es titelt: "Heilige Nacht, pünktliche Nacht. Alle Züge sind schon da." Und zurecht bemerkt diese auch, daß die geplante Einstellung des Automatenverkaufs von Fahrkarten durchaus zielweisend sein kann.
Vielleicht käme man mit der kompletten Einstellung des Fahrkartenverkaufs auch aus dem Sackbahnhof der Kernkompetenz Unzuverlässigkeit heraus. Ganz nach dem vergessenem Beamtenmodus "Wer nichts tut, macht auch keine Fehler" hieße das, was nicht fährt, kommt auch nicht zu spät.

Die Bahn bleibt ein Wunder ... Punkt. Das strahlende Zukunftsmodell Deutschland ist beschmutzt, obwohl sogar der Kohlebergbau - zumindest unter dem Hambacher Forst - eingestellt wurde. Dieselwolken, der Zusammenbruch des Schienenverkehrs und vergessengeglaubte Gossenrethorik von der AFD.

Ohne Verkehrswende kommt die S-Bahn auch nie wieder von der Endstation zurück. Nein, ewiges Wachstum und endloser Fortschritt scheint das einzige Modell zu sein, das unseren Konsum am Laufen halten und die AFD von der Regierungsverantwortung abhalten könnte. Mit der U-Bahn bis nach Peking und weiter bis an den Strand von Karatchi, wo sie ihre Lebensleistung dann auch erbracht hat und von pakistanischen Schweissern gleich zum Containerschiff umgebaut tonnagenweise billige Winterstiefel wieder zu uns zurückschippert. Kein stupides Hin und Her, sondern ein Kreislauf um die ganze Welt. Italiensicher Yoghurt aus bayrischer Milch in Bechern aus England mit Deckeln aus Bulgarien verkauft von Amis. Und das Friedenslicht aus dem Nahen Osten. Wie sonst sollten Arbeitsplätze entstehen, wenn ich mir die Kartoffeln vom Acker nebenan hole.

Was wir in solchen Zeiten brauchen, ist ein Wunder ohne Punkt und Amen, eine Hostie-to-go zum Nachsalzen, lithiumfreie Autos mit humanisiertem Verdauungstrakt, einen Digitator und mehr Zeit zum Arbeiten. Das ist doch klar.

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