Samstag, 24. Januar 2015
Die Degenerationsfrage
Ist schon ein emotionaler Unterschied, ob der Regen auf stupiden Asphalt fällt oder sich Schneisen durch den Wald bricht, ob es einem dumpf auf die Schädeldecke prasselt oder rund um einen die Hölle losbricht, halbe Berghänge abwärts wandern. Dafür sollte man dem Planeten persönlich dankbar sein, dass er alleine alles wieder nach oben bringt.
Es schüttet als ließe jemand das Wasser ein in diesem Tal. Bäche ergießen sich durch die engen Gassen. Wir sind zur Flusslandschaft mutiert.Und mit der Bodenerosion verschwindet auch der ganze Restmüll, der sich in italienischen Dörfern wie von selbst einnistet.

Schlechtes Wetter ist in der Stadt, wo Stahlgürtelreifen sich durch Pfützen schieben und den menschlichen Wildwechsel vor sich hertreiben, noch schlechter als auf den Gipfeln oder in den Tälern, wo sich das Wasser ganz von selbst bewegt.

Scheinbar gefällt es aber vielen unter solchen Umständen zu hausen.


Die Wohneinheiten hochgezogen wie Supermarktregale und jede Freifläche zum schönen Schein von Spielplätzen geradezu überwuchert. Wo früher noch Bäume ihr Dasein fristen durften, stehen nun Klettergerüste und so ist selbst der Spielraum durcharchitekturisiert und jeglichen Erholungswertes beraubt. Man frägt sich, zumindest ich, in welche Nische hier eine Änderungsschneiderei sich überhaupt noch reinzwängen könnte. Stahl, Glas und Hartplastik von der Kindheit bis ins hohe Alter. Statt des Tante Emma Ladens nun drei Supermärkte, die alle die gleichen Produkte hervorbringen. Statt des regionalen Bäckers, der noch selbst bäckt, drei Bäckereien, die alle die gleichen Semmeln und Kuchen vom Großhändler beziehen. Und was man sonst noch so braucht, kann man auch schnell mal im Internet bestellen.



Da Kinder nicht blöde sind und das Strafmaß heutzutage auf ein Minimum reduziert, machen sie es wie die faulen Erwachsenen. Sie machen gerne mal mit, aber picken sich eben nur die Rosinen raus. Pflanzen abschneiden ja, aber zusammenrechen, nein. Holzhacken ja, aber Holscheite tragen und schlichten, nein.

Ein Leben zwischen Wäldern und Bergen, zwischen Holz und Stein, da spielt das Öl eigentlich keine Rolle. Außer natürlich bei den unersetzlichen Cubettis, den Feueranzündern; denn wer benutzt dieser Tage noch Reisig. Selbst in der urtümlichen Welt des Bergtäler ist also Handarbeit aus der Mode gekommen, dass uns rein evolutionär vermutlich bald die Arme abfallen.

Und alle findens toll.
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Mittwoch, 11. September 2013
Rocking Stone
... wo Fehlzündungen noch zum guten Ton gehören

Möchte man meinen, dass in abgelegenen Bergtälern das Leben nicht so hinfindet. Das täuscht, da auch das Wetter und der Steuerbescheid überall hinfinden. So eben auch in meine geliebte Felsspalte.
Zu Sommerende sind es rund 300 Rocker, die sich auf den Weg machen, um hier mit der lieblichen Natur wettzueifern. Ein Rockerfest mit allem was dazugehört. Eben Maschinen, Kutten, Bier und Mucke bis zum Abwinken.

Unter dem Brummen der Zylinder wummert selbst das Erdreich wie bei einem Erdbeben, was das Sexualleben bei Würmern, Maulwürfen und Wühlmäusen an diesem Tag komplett lahmlegt. Selbst die Hornviper, die sich Dank ihres abschreckenden Rufs als letztes verkriechen will, wird schon am frühen Abend vom Breitreifen überrollt.

Wo sonst 364 Tage im Jahr die Grillen um die Wette zirpen, haben diese und andere heute alle zumindest akkustisch verloren. Das Käuzchen findet mit seinem sanftem huhu, huhu heute keine Partnerin. Heute zirpt, huht und quakt das Tierreich vergeblich und sinnlos in die Weite des Tals. Heute müssen im Lärm alle alleine leben, zumindest das sich nachts findende Tier. Denn Rockerbrut und Bräute finden sich auch und besonders bei diesen Anlässen. Die Kutten bieten ausreichend Laschen und Taschen, um sich einzuhaken bei der schweren Beute, die später beide zum Opferaltar dieser Nacht, einer Thermarest-Matte, schleppen wird.

Ein Meer von Schall, ein Bikertsunami, eine akkustische Flutwelle rollt durch das Tal wie die Horden der Mongolen, oder wie um 1940 in diesem Teil der Erde, der Kosaken. Wenn ich die Brille abnehme hören sich die rasselnden Motoren wie trampelnde Hufe an und sehen die Kuttenträger aus wie moderne Ritter, mit Benzin statt Hafer, Stahl statt Eisen und Kunstleder statt Gegerbtem.

Man trinkt sich ein und bestaunt, was sich an motorisierten Einzigartigkeiten so eingefunden hat. Gesichter aus einem Dutzend Länder, Altbekannte und Neugierige. Das Schlachross des Stalls, Harley-Chassis plattgefedert mit einem Norton-Flathead-Motor. Wenn ich das richtig verstanden hab.

Und weil Burn-Out eben Programm ist, auch dafür eine passende Maschine.

Was hier ausbrennt sind Motoren und Reifen, aber keine Seelen. Hier wird ganz gesund mal richtig durchgeblasen. Man pumpt sich voll mit Gerstensaft und anderen aromatischen Gewürzen, glotzt auf die Band und später, weil auch der Blick schwer wird, auf den Arsch, in Land für einen Abend, wo Fehlzündungen noch zum guten Ton gehören.

Die zweizylinder Dieselmaschine Marke Eigenbau gibt dann auch einen schönen Vordergrund für das Schlussfoto vom Höhepunkt der reizenden Veranstaltung, der Tanzeinlage.

Statt Highway to hell eben Kiesweg to Rocker'S heaven. Und zwei drei Tage später klappts dann auch bei den Würmern und Käuzchen wieder.
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Dienstag, 2. Juli 2013
Alle Wege führen nach Uscita
Viele Lieben beginnen mit einer Tunneleinfahrt. Begleitet von magnetischen Lichtstreifen, manchmal auch unbeleuchtet, rast der Personenraum entlang der monologen Strecke im festen Glauben an das Licht am Ende des Tunnels. Doch nicht selten handelt es sich hierbei um die Höhle eines Raubtiers, an dessen hinterster Wand die Liebe zerschellt.

Ich aber muss mich Hundeflöhen trösten. Bepfotet und bekrallt werde ich von einer versotteten, räudigen Hundeliebe. Rundum Orgie. Käfer, Fliegen, Eidechsen, Schmetterlinge sich begattend als wäre es der letzte Tag. Das Vögeln in der Luft und der dunkle Sex der Regenwürmer. Allen sei es gegönnt, ausser den Plagegeistern in meinem Dach, die aus Liebe zu Höhlen die Stollen immer weiter in meine Isolierung treiben.

Keine Schockmenstruation, sondern das falsche Kaliber
Fünf Minuten nur möcht ich mit Dir in einem Meer aus Küssen schwimmen, möcht ich mit Dir im Gliedergerenk versinken.

Wie ein rohes Ei will ich Dich behandeln. Deine Schale knacken, in siedendes Öl Dich werfen, mit Gewürzen bewerfen und bestreuen, Dich wenden und schaben und letztendlich verzehren. Am Eigelb lecken und Eiweiß schlabbern. Dich m-Ei-n.

Nur ich darbe in unseliger Singularität - besprungen und bestiegen zwar von Heuschrecken und Ameisen, doch in einer unschmeichelhaften Art und Weise.

Seien wir uns doch ehrlich: der Sex ist eigentlich nur das Vorpiel zur Fütterung, der erste Gang des unbezahlbaren Gelages, das, weil so zeitintensiv, nicht unbedingt kostengünstig ist, das zwischen dem Füttern und Hegen, zwischen pflegen und betüteln nur wenig Zeit für Zärtlichkeit lässt. In der Höhle des Raubtiers wird vorwiegend gefressen und gestorben, und nicht gefickt.
So ist es kein Fehler, sich frühzeitig mit Begrifflichkeiten wie Einfahrt und Ausfahrt, Vorfahrt und Vorsicht, mit 'auf Glück' und 'Glück auf' vertraut zu machen. Denn die Naschereien der Liebe sind kein Zuckerschlecken.
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Sonntag, 21. April 2013
Bergidylle - un sogno o bisogno
Zurück in der Bergspalte. Bergidylle?! Soviel wie man davon in einer Talsenke eben verspüren kann. Nachts ist davon nichts zu sehen, außer daß man nicht sieht, daß man eben nicht mehr in einer lichtverschmutzten Stadt ist. Also eher eine gefühlte nächtliche Talidylle.
Die Wald- und Flußgeister, verkrochen unter Stein, Moos und Laub, aus Angst vor den Dorfbewohnern. Wir kennen uns gut, die Geister, sprich die weiße Frau, und ich, doch wirkt sie nun etwas entmystifiziert, seit ich weiß, daß es sich um ein altes Straßenschild auf der anderen Flußseite handelt. Die (einzigen) Geister wohnen in uns selbst. Denn wenn man ganz genau hinhört, ist es eigentlich nur dies eigene Blut, das wallt. Einzig durchbrochen vom Knabbern eines Nagetiers, hoffentlich kein Holzwurm.

Nun, da fährt man auf der immer noch weltbekannten Hitler-Autobahn gen Süden und wer fährt auf der Überholspur im Gepäck, der Faschismus. Naturgemäß kam er ja aus dem Süden, aus Rom, aus der ehemaligen Zentrale Europas, dem Brüssel des Mittelalters (ich scherze), die sich auch Quell der katholischen Geißel schimpft. So weit soll es mich nicht treiben, in die Hände der Mafiosi, die ähnlich dem Faschismus auch wieder aus dem Süden kamen, nur diesmal etwas südlicher. Ob man da von einem Abschmelzen der Moralpole sprechen kann, gar einer amoralischen Polschmelze, die uns diese drei Monster ins Haus gebracht hat?

Der einzige Dorfbewohner hier im Niemandsland zwischen Süd und Nord, mein Nachbar, hat irgendwie einen Hänger: die deutsche Wehrmacht.
Ach, wie toll, haben ja alle studiert, der Göring und der Göbbels. Und so makellos, denn die bösen Aktionen kommmen ja alle von der SS. Ich mag ihn und will es deßhalb mal bei eindimensional belassen, als Malerei so schwarz-weiß wie die Naziuniformen selbst. Ich äußere mich lieber nicht über Stauffenberg, der es fast geschafft hätte, das deutsche Heldentum hinüber zu retten und den Nationalismus gleich mit, der es fast um ein Haar und ein Auge (eins mehr wär vielleicht nicht schlecht gewesen, oder eben auch nicht) geschafft hätte, das dritte Reich zu wahren Höhen zu erheben; während sie den Krieg weiterbetrieben hätten wie eh und je, nur vorübergehend gemeinsam mit den Amis gegen die Russen, und anschließend die ganze Welt. Diese räudigen Schwarzhemden, die sich auf ihrem Transport über die Alpen gen Norden braun zu färben pflegen. Das heilge römische Reich deutscher Nation hat nie aufgehört. Eine stabile Nord-Süd-Achse, nur unterbrochen von Verwerfungen durch die nordwärts drängende afrikanische Scholle.

Und die hiesigen Partisanen? Alles Faschisten! zumindest meinem Nachbarn zu folge. Na, wie soll das denn gehen? Die italienische resistance als faschistische Kontrabande gegen Hitler? Rotes Halsband, grünes Halsband, Hauptsache Waffe in der Hand und wie die Jäger im Wald rumhuschen. Das hat sich bis heute nicht groß geändert. Wollen wir mal hoffen, daß sie demnächst nicht wieder zu den Halstüchern greifen.
Da wär er wohl gewesen, der Humus für die Träume Stauffenbergs. Das mit dem Faschismus Mussolinis ging ihnen wohl zu weit, den Norditalienern, diesen Überläufern. Lieber mal die Wehrmacht in ihrem blütenweißen Hemden bewundern. Wer weiß, ob die SS nicht auch die Schamhaarrasur erfunden hat, ganz im Gegensatz zu den stark behaarten Schlägerbanden der Fascisti - mich würds nicht wundern.

Den Augenblick, den man nie vergessen und immer leben sollte, also jeden Augenblick, stets im Auge, fahre ich dahin, wo Beppo Grillo mit der Fünf-Sterne-Partei auf Anhieb 25% macht, und komme daher, wo die NSU, die man hier im Süden augenblicklick als schwarzen Terrorismus bezeichnenen würde, geboren wurde. Die NSU, eine Zelle, die mit Sicherheit nicht alleine lebt, wie Zellen eben gerne im Verbund arbeiten. Hier im Süden erinnert man sich wohl noch besser an jene Strategie der Spannung, die sich jener Zellen bedient hat, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken und die Politik nach rechts zu versetzen. Bei so manchem kommt bei Namen wie Mussolini Action Squads, Nuclei Armate Revoluzionare, Ordine Nuovo, Avanguardia Nazionale und Terza Positizione noch der Rauch der Explosionen aus den Ohren. Der eine oder die andere legen vereinzelt noch Blumen an die Gedenkstätten der Opfer der Bomben an der Piazza Fontana oder dem Bahnhof von Bologna, dem Terrorhöhepunkt der 80er mit 85 Toten.

Die Züge 904 von Neapel nach Mailand und der Italicus-Express haben immer noch diesen metallischen Klang als sie aus den Gleisen springen.
"Italy, like South America, presents the physical and social conditions suitable for the development of revolutionary guerrilla warfare," the document began. "The national territory is crossed longitudinally by an uninterrupted chain of mountains . . . . It is easy to look to the interruption of rail communications through the two crossings of the Apennines by way of sabotage of bridges, viaducts and tunnels, thus achieving the economic paralysis of the state . . . . " Italy Troubled by the Twilight World of Terrorism on the Right, LA Times vom January 21, 1985

Der Rechtsterrorismus richtet sich bekanntlich ja niemals gegen den Staat, sondern stets gegen die Bevölkerung, der er die Verantwortung für die laxe Regierungsform anlastet, und deren große Teile eben zu minderwertig und falsch ge-gen-t, als daß sie ein friedliches Leben verdient hätten.

"To strike in a crowd has always been a characteristic of black terrorism, as opposed to the left-wing terrorism which has always chosen as its targets discrete symbols," they said. Italy Troubled by the Twilight World of Terrorism on the Right, LA Times vom January 21, 1985

Nicht so im Sehfeld segelt die Tatsache ein wenig um unsere Aufmerksamkeit herum, daß hier im Land der Orangen und der Polenta der so gepriesene Wahlsieg von Bersanis Linker um ein Haar, genauer gesagt, um ein 1%, fast ins Auge gegangen wäre und Berlusconi frivoliert hätte. Dies wird sich ändern, sobald Herr BungaBunga nach vermutlichen Neuwahlen dann doch italienischer Großmeister der politischen Kontinuität wird, worin sich wieder mal zeigt, daß man es in einem kriminellem System um so weiter nach oben schafft, um so blackmail-fähiger, um so erpressbarer man ist. Was will man aber auch erwarten von einem Patria in dem sich nicht einmal die Großbanken wie Uni Credit oder die Postbank Übersetzer leisten können. Im Land, das die Banken erfunden hat, nur eine Autostunde vom deutschsprachigen Raum entfernt, möchte man nicht vermuten, daß sich das deutschsprachige Menü wie folgt ließt:

"Wollen Sie folgenden Betrag beheben"
"Willst Du Dich zurückziehen"
"Willst Du Quittung"
"Nehmen Sie und die Geld in 8 Sekunden"

Merkt man dann doch wieder, daß man sich hier eben bei Ausländern befindet. Als terroni des Nordens bei den polentoni des Südens.
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Donnerstag, 7. Februar 2013
Auf der Suche nach der Krise
Sie lebt von sich selbst - die Krise. Wer da mitmacht, ist schon irgendwie bescheuert und mehr als selber schuld. Die Garten- und Waldbewirtschaftung jedenfalls hat keine Krise. Man tut und macht und denkt eigentlich weniger daran wie es dem BIP oder sonstigen Zahlen geht.

Krise? Bei mir jedenfalls nicht. Seit ich mich aus dem aktiven Arbeitsleben, zumindest vorübergehend, verabschiedet habe, erwischt es mich noch nicht einmal am Rockzipfel. Soll sie doch kriseln die Krise. Bei mir bekommt sie keinen Fuß auf den Boden.

Nachdem wir die Krisenerprobung der Krise bereits weltweit getestet haben - in Chile, Argentinien und inzwischen auch in Spanien, Griechenland etc - glauben wir auch zu wissen, wie die Bevölkerung darauf reagiert und wir haben Mittel und Wege an der Hand, das aufzufangen oder abzuwehren. Ich meine den Ärger, der bei den Gekriselten so aufkommen mag. Was aber abseits von Straße und Blogs so passiert, das entgeht den aufmerksamen Neokapitalisten nur zu gerne.

Was abseits der Hauptstraßen und jenseits der Überwachungskameras so gärt und wächst, das scheint es für jene Überwachungsstaatler nicht zu geben. Was sich jene zivilisationsfernen Dorfbewohner am wärmenden Herd bei einem Gläschen Wein so überlegen, das entgeht jedem RFID-Chip und allen Flughafenscannern. Das scheint es nicht zu geben. Ein Fehler!

In den Brennkammern der Herzen jener entlegenen scheinbar Unbeteiligten braut sich was zusammen. Sie wissen, daß man nicht unter dem Radar bleibt, wenn man plötzlich große Mengen Dünger und Diesel kauft wie der Herr Breivik in Norwegen. Aber Brücken und Dämme fallen und brechen auch wenn man nur den rechten Stein entfernt. Wer glaubt, daß er die Welt beherrscht, nur weil er die politisch Verantwortlichen und Medien in der Tasche hat, der hat sich nicht ausreichend mit den Eckpfeilern und Grundsteinen der eigenen Villa beschäftigt, der will nicht begreifen, daß ihn ein platzender Reifen mal schneller aus der Kurve trägt als es ihm beliebt, daß was aus dem Wasserhahn kommt von Ecken und Enden stammt, die sich der Linse der Überwachungskamera entziehen, und er scheint zu verdrängen, daß sich seine Transaktionen durch ganz gewöhnliche Kupfer- und Glasfaserkabel im überwachungslosen Erdreich bewegen.

Hier jedenfalls hat die Krise keinen Einlaß gefunden. Die Jagdsaison ist vorbei und es gibt frisches Reh. Er wollte bremsen, so sagt man. Wer's glaubt, daß es sich um langsames Reaktionsvermögen handelt und nicht um massive Taschenlampen und jenen Knall vorgestern Nacht. Mir ist's egal, denn die Todesursache schmeckt man nicht wirklich raus. Auch die Schonzeit hat Krise und als Waldbesitzer ist man dem Rehverbiß gegenüber nicht wirklich gut gesonnen.

Wenn sich die Zivilisation in die Krise stürzt, so wendet sich so mancher einem weniger zivilisierten Ecken und Enden zu. Krise - das ist mit uns nicht zu machen.
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Montag, 28. Januar 2013
Geist und Bau - eine Achterbahnfahrt durch das Dasein des Kabelkanals
Wie wir das in ...baustellen.blogger.de... so schön verfolgen können, ist das Lochbohren und Hämmern des avancierten Heimwerkers kein so zweidimensionales Vor-sich-hin-Basteln wie wir das aus unseren Kinderzimmern kennen. Es geht um mehr, es muß am Ende auch irgendwie funktionieren, und manchmal geht es auch um alles, wie im Falle der Glühbirne, die in ihrer dialektischen Erscheinungsform entweder leuchtet oder nicht. So stellt sich mir als Träger des goldenen Schweißtropfens und des kupfernen Schmutzkübels ein scheinbar so einfaches Problem viel komplexer dar als es sich der von Wünschen durchdrungene weibliche Volkskörper vorzustellen in der Lage ist. "Mal schnell eine Steckdose oder ein zusätzlicher Lichtschalter einbauen ...". Das wird nicht drangeklebt, sondern es wächst aus dem Inneren des Hauses durch Zuhilfenahme von Materialien, Werkzeugen und viel Physe und Psyche.
Bei größeren Projekten erleben wir leider nur selten, wie Physik und Psyche eins werden. Die großen Momente des Hausbaus, das Aufgehen der Probleme im Nirvana, wenn sich die Lösung schon vor dem Problem findet, wenn die Verkabelung der Wechselschalter für das Treppenlicht gleich auf Anhieb klappt, wenn die Mörtelmasse diese cremige Konsistenz Sahnetorte erreicht, ein Himmelgrau das schon beim ersten Kellenwurf wie ein Einsiedlerkrebs im Mauerschlitz verschwindet. Aber das tut es eben nur in den seltensten Fällen.
Im ungünstigerem Fall merken wir wie dünn unsere eigenen Nervenleitbahnen sind. Die Hände zerkratzt vom Kupferdraht stopfen wir die letztendlich zu kurz verkabelten ...Vago...klemmen in die Leerdose. Der Gips bricht und wir stehen da, sozusagen mit einer Kabelsalatschüssel in Händen. Ich merke, daß auch wir mindestens zweiphysig sind, ein Gemisch an Gefühlen so bunt wie der Kabelsalat in Gipsdressing. Trauer, Wut und Frust, multipolig und schlecht abgesichert.
Neun abgeklemmte Drähtchen in den Landesfarben Schwarz Blau Gelb, deren spitze Enden die Hände zu einer Kraterlandschaft werden lassen, schauen vielversprechend aus dem Leerdöschen, aber kein einziger führt Strom - selbst nach mehrmaligen Joggingausflügen zum Sicherungskasten zwei Etagen tiefer.
Unglaube, ist auch so ein zentrales Gefühl bei Mißlingen. Gestern war da noch Wechselstrom drauf, heute noch nicht einmal ein wenig Kriechstrom.
Die Hände zerstochen wie Lazarus von den Kupferdrähten Elektrons sind wir nun bereit zum Verputzen der Kanal- und Dosenlandschaft. Für den leidenschaftlichen Mörtler bräuchten die Arbeitshandschuhe keine verstärkten Fingerspitzen, die schon lange taub sind vom Kalk. Keine Fingerabdrücke mehr, sondern das weiße Rauschen einer verätzten Hautoberfläche. Die Handflächen, ebenso angegriffen von Kalk und Zement, jetzt Körnungstyp 120, mutieren zum menschlichen Multischleifer.
Damit läßt sich einiges Schleifpapier sparen und man spürt zumindest mit diesem sensiblen Organ kaum mehr Schmerz. Nach Arbeitsschluß ist es etwas doof, wenn sich die aufgerauten Hände im Ärmel verhaken oder die Bettdecke ständig dran hängenbleibt wie an einem Klettverschluß. Noch aber fingern wir im schon lehmigen Putz - mit diesen blauen Handschuhen, die im Sommer die unangenehme Eigenschaft besitzen, Buttersäure abzusondern. Immer noch besser, als abends in der Badewanne den Kalk, der sich bis dahin schon tief in die Haut gefressen hat, mit dem Glitzi-Schwamm wieder rauszuschürfen.
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Sonntag, 20. Januar 2013
The Knights of malta pronta - Die Ritter des Fertigputzes
Free the beacon - der Repetitor liegt tief unter der Schneedecke vergraben.Ein Dorf versinkt im Schnee. Ein Kommunikationsgrab. Aber wo kein Leben, da auch kein Grab.



Denn viel gibt es nicht zu sagen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Handlung. Ich leide an chronischer Winter-Sysiphos. Il corso delle stuffe, der Ofenlauf. Das Denken minimiert sich auf Teilbereiche. Welcher Scheit paßt denn nun am besten? Die ausgefranste Hainbuche zu zünden (Fichte ist hier selten, da sich das Holz nach Gewicht verkauft und nicht nach Volumen), die aalglatte Buche zum Dauerbrand und die sinnlose Kastanie, wenn es um nichts geht. Letztere so taufrisch, dass ich die Eisblumen im Ofenfenster sterben sehe. Sonntags auch mal Hainbuche. Der Holzberg beginnt zu schmelzen, der Schneeberg noch lange nicht. Mit einem Kohlenschaufler als Großvater fühlt man sich, als würde man schon seit Generationen das unersättliche Ofenmaul befüllen. Werd ich es durch den Winter schaffen, ohne daß ich mich bei den Holzlagern der Ferienhäuser bedienen müsste. Unser aktueller Holzeinschlag liegt unberührt, vom Schnnee begraben. Die in den Südalpen unbekannten Kohlebriketts werde ich bei der nächsten Deutschlandtour nachkaufen müssen. Nachts mit Zeitung umwickelt halten sie die Glut, auch wenn ich mal länger schlafe.



Daß sich kein nebensächlicher Gedanke breit macht, dafür sorgt allerdings schon allein der angemischte Putz; malta pronta, Fertigputz. La malta commanda, der Putz schafft an. Darum dreht sich eigentlich der Tagesablauf. Um seine Mischkonsistenz und seinen Härtegrad. Klar lassen sich mit ein paar Spritzern Wasser die Verarbeitungszeiten hinauszögern, aber irgendwo reißt auch seine Geduld. Und so bin ich seinem Diktum unterworfen, dessen Strenge selbst ein Paartherapeut nicht aufzuweichen vermag. Putz hat mit Ehepartnern so einiges gemein, denn selbst wenn er schon weg ist, gilt es abermals zu putzen. Abzukratzen und wegzuschlagen, was überschüssig, die Kellen und Kübel zu waschen, den Zementschleier und jenen Staub zu entfernen, der allgegenwärtiger als jeder göttliche Gedanke sich im gesamten Haus niedergelassen hat.



Ein Dauerlauf also zwischen Holz und Putz ... und schon wieder hat sich der Espresso über den Gasherd ergossen. Kann man nur hoffen, daß sich in diesen engen Zeitplan kein unwillkommener Gast hineinzwängt. Schreiben? Eine Utopie. Wozu auch? Trägt es doch wenig zum Überleben bei.



Und weil es in den Bergen nicht immer einfach ist, nun auch noch diese stille Schneelandschaft. Still auch, weil das Auto, die Verbindung zur Zivilisation, unter dieser neuen Landschaft begraben liegt. Wer weiß schon, wann sich die Kommune bereit findet, auch uns wieder freizuräumen und an das Straßennetz anzubinden. Aber wozu auch, da ein Haus in den Bergen so einnehmend und besitzergreifend, daß sich an Ausflüge garnicht denken läßt.



Sollen doch die Bilder mehr sprechen als die Worte. Der Lage entsprechend mehr Impression als Expression.

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Sonntag, 23. Dezember 2012
Die Plagegeister
Es waren Frauen anwesend. Denn die Putzmaterialen sind an allen strategischen Stellen positioniert. Ein Besen und ein Schäufelchen in jeder Ecke und zentral die Wischmobbaterie - besenrein, versteht sich. An den Wischstreifen läßt sich noch erkennen, daß selbst die Fenster geputzt wurden. Nur eines kommt dieses Jahr schneller zurück als der Staub. Das sind die kleinen und großen Knöllchen Kot der Nagetiere - der Mäuse und Siebenschläfer; diesen vertragslosen Mietnomaden, die sich nicht vertreiben, sondern lediglich dezimieren lassen.

Es soll Menschen geben, die Siebenschläfer süß finden. Das kann man wohl, wenn man sie nur aus Büchern kennt, oder sie zumindest nicht im Dach hat. Wer aber schon mal von in die Enge getriebenen Siebenschläfern angegriffen oder gar gebissen wurde, weiß von welcher Furie ich spreche. Flachgedrückte, heimtückische Rieseneichhörnchen, die erst in der Senkrechten ihr volles Laufpensum erreichen.
Mäuse haben diesen Sympathiebonus glücklicherweise nicht. Und wer schon mal Mäusenester in der Matratze hatte, weiß welches Unheil diese zu veranstalten in der Lage sind. Daher muß auch der Ausdruck "angefressen sein" stammen. Da lob ich mir jede Viper, die nicht scheißt, die sich nicht sehen und hören läßt, und die Mäuse frißt.
Die Viper, ein tolles Tier.


Fight, Giri, fight. Die Topi hatten keine Chance ... gegen den Mäusekleber. Aber der Siebenschläfer als solcher hat mehr Pferdestärken und nimmt die ganze mit Kleber beschmierte Platte komplett hinfort. Ich werde mir Bleiplatten besorgen müssen.
Der Nachbar tut sich da leicht, in seiner unbedarften italo-ländlichen Art. Während des Morgenschwätzchens stupst er leichtfüßig die vergifteten Mäuse und Siebenschläfer von der Terasse - ohne hinzusehen und ohne letzte Worte. Beiläufig erwähnt er erste Zahlen des Infernals: 200 Mäuse und 50 Siebenschläfer. Das sind nun also die Geister der Plage, die glücklicherweise nicht wiederkehren.
Wenn sie denn nur 7 Monate schlafen würden. Das glaub ich nicht. Soviel scheißen kann man nicht in 5 Monaten. Oder sie scheißen im Schlaf.

Nun wissen wir, daß das Gerücht, die Grünen hätten Labormäuse aus Hubschraubern abgeworfen, nicht der Grund für die diesjährige Mäuseplage ist. Alle x Jahre bilden die Buchen besonders viele Früchte, die Bucheckern, aus. Und im Jahr darauf gibt es - seit Jahrhunderten - eine Mäuseplage, gefolgt von einer Schlangenplage, wenn man das so nennen darf. Da darf sich dann jeder wappnen wie er will. Ob nun mit Gift oder mit Mäusekleber, oder mit einem leerem Regal in der Speis.
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Die Sendung aus der Felsspalte
Oh je, der Satellit ist weg. Jetzt dauert es Stunden bis ich wieder Signale empfange. Der alte Knochen hängt nun völlig sinnlos in der Taschentuchpackung am Fenster und wartet vergeblich auf mögliche Sender.
So ist das in einem Tal, so eng wie es sich andere wünschen. Zwei Smsen die Woche nennt sich hier schon ausufernde Kommunikation/Kommunikationsschwemme. Davon geht die Hälfte auf das Konto meines Telefonanbieters, der mich zu Gewinnspielen und anderen Fabulösitäten zu überreden versucht. So groß die Versuchung zu antworten sein mag, so klein sind die Chancen eine Verbindung zu bekommen. Bisher kam von Anbieterseite leider keine Einladung in der nächstgelegenen Pizzeria und auch keine kostenlose Holzlieferung. So muß ich mich mehr schlecht als recht selbst bekochen und die Axt schwingen.

Als ich Richtung Küche zurückkehre, höre ich den Kaffee schon blubbern. Die Luft ist geschwängert vom Geruch nach schwarzem Gold, denn der Mensch läuft mit Kaffee und nicht mit Benzin. Ähnlich geschwängert vom schwarzen Gold ist der Herd. Schwarze Soße spritzt quicklebendig aus dem Schnabel der Espressokanne und schwimmt rund um die Gasflamme. Dieses tägliche Zerimoniell hat einen festen Platz im morgendlichen Ablauf gefunden. Gasherd vom Kaffee befreien. Nur noch eingedampfte Reste finden ihren Weg in meine überdimensionierte Tasse. Jetzt wird auch klar, warum Espresso nur in kleinen Tassen serviert wird. Glücklicherweise ist noch nicht vorgekommen, daß der Kaffee die Flamme zum Erlischen gebracht hätte, was bei ungesicherten Gasherden zu allererst zu Geruchsveränderungen im Küchenareal führt, ehe sich das richtige Gemisch bildet und das Haus zum Bersten brächte.

In Erdbebengebieten wie diesem hier sieht man die Existenz, nicht nur des eigenen Hauses, von Haus aus aus einem eher temporärem Blickwinkel. Ein kleiner Schuß Haselnußschnaps der das schwarze Gesöff zum Coretto macht und auf gehts in den Wald. Holz muß geschlagen werden.
Mit der Motorsäge wüten ist allerdings nur der erste von rund einem Dutzend schweißtreibenden Akten bis es seine Platz im Ofen findet.


Erst will es noch hinab zum Ladeplatz rauschen -
möglichst ohne passierende Fahrzeuge von der Straße zu fegen. Warnschilder bewirken in dieser Hinsicht eher den gegenteiligen Effekt. An einem aktuellem Holzeinschlag fährt man besser mit erhöhter Geschwindigkeit. Im Grunde bewegt man sich auf den örtlichen Bergstraßen im Winter immer ein wenig am Abgrund der Existenz. Schnee und Eis, Sonne und Regen brechen meistens kleinere, oftmals aber auch massivere Teile aus den Hängen - seien es Bäume, Steine oder Muren - die sich stets talwärts bewegen. Die Straße talabwärts hat es gleich komplett in den Abgrund gerissen - bereits zum zweiten mal in fünf Jahren. Beliebt sind hierbei die Zeiten des Temperaturwechsels, aber auch starker Regen oder Tiefsttemperaturen, wenn das gefrierende Wasser ganze Felspartien absprengt. Auf blöd ist es aber auch mal ein Reh, das um die Kurve wartet.






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Montag, 3. Dezember 2012
Das Leben
aus dem Handgelenk schütteln, Holzhacken, nach Faserung, nach Astansätzen, nach Art und nach Alter. Durch so manches Holz schmilzt die Axt so butterweich als wäre es ein Abstrich. Vor anderen Hölzern weicht sie zurück, hüpft und springt sie dir ... eckt an und knallt, wohin sie will, zurück auf die Stirn. Die Hände schlagen Wunden in sich selbst und die Finger schwellen auf wie Kochwürste im heissen Wasser, so dass die Schrammen viel größer erscheinen.

In Europa und doch so weit weg. Möcht man nicht glauben, wo auf unserem Kontinent das Internet noch keinen Zugang gefunden hat.

... daß hier nichts steht, heißt nicht, daß es nicht schon geschrieben wäre.


Es kommt in großen Stiefeln von weit weit her ...
Verbleiben Sie also freundlichst und wundern sich nicht, daß es von den Beiträgen her etwas mau wirkt. Denn ...
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