Kalle Bargeld ad urbe conditia xiii kal. okt, anno 2776Vor nicht so langer Zeit war München noch komplett, zumindest, was seine Peristaltik anbelangt. Die Wohnhaften haben gesoffen, gefressen, geschissen und gekotzt. Klar, Wildpiesler („Wuidbiesla“) gab es auch und überhaupt wurde auch viel gepisst. Und einmal im Jahr haben wir uns – ja, wir, der Gastronomieverband, das Referat für Arbeit und Wirtschaft, die ortsansässig-zugelassenen Brauereien –, haben also wir uns eine Großstadt voller Freizeitschluckspechte aus aller Welt eingeladen, uns kräftig mit der Peristaltik zu helfen. Daran halten wir fest. Ein Paar Millionen Trinkbegeisterte haben mit uns wie jedes Jahr die vorgenannten Verdauungsprozesse ausgelebt und würden das noch immer tun, wenn wir sie nicht verlassen hätten. Diesmal wir anderen.
Klar, nicht nur pissen wir – die Letzteren – mehr denn je, auch scheißen wir eifrig und nie konnten wir so befreit über die Vorgänge im Darm reden wie heute, mal abgesehen von den Adeligen unter uns, die ja seit jeher recht viel oder eben überhaupt eine Redefreiheit besitzen. Nur um den Fraß, den Suff und das Rauskotzen ist es schlecht bestellt. Gesoffen wird Wasser – siehe die klugerweise auf der Wiesn installierten Gratistrinkbrunnen –, ab und zu eine Mass Bier, lieber aber das schicke Nulldreier vom Tegernsee. Fressen können wir es, müssen wir es aber nicht mehr nennen. Schließlich steckt mehr Wissenschaft hinter jeder Frostmatte (Anm.: Tiefkühlpizza), als Geilheit. Und auch klar, das Nulldreier ist ähnlich wie die Hightech-TK oft dann doch schlicht aus der Not geboren, morgen früh anständig zu performen, in shape zu bleiben und über das liebe Geld wollen wir garnicht erst reden. Nur ein bisschen. Wer kann sich den Kater noch leisten, wenn sich die morgendliche Fitnessnase, bitter und vom Butterbrot abgespart werden muss. Wieder klar, die Münchner halt. Stimmt aber nicht. Unter „den“ Münchnern leiden die läppischen Paar Hunderttausend, bei denen es halt eng wird oder ist, die den Schotter für die Miete zusammenhalten muss oder für die Finanzierung eines Stückchens Eigentum, zum Beispiel einer Psychose. Manch Jugendliche kotzen noch für ihre Follower, den Rest müssen unsere Wiesntouristen übernehmen. Wir Münchner kotzen woanders.
September 2023 |
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