Eine Welt ohne Antworten
Klar, könnte man auch mal über mehr Freiheiten reden. Ganz unabhängig von Corona und seinen Folgen. Man könnte mal den Rentnersprüchen von notwendigen Arbeitslagern etwas entgegensetzen und fragen, wer denn dann ihre Rente bezahlen soll. Einfach mal drüber nachdenken, wo wir Regelungen lockern könnten, oder wo, wie man das bei Autofirmen in Deutschland gerne macht, freiwillige Selbstkontrolle statt staatlicher Regulierung möglich wäre. Man könnte die Cancel-Culture mal mit dem Prinzip des Nullsummenspiels bekannt machen. Einfach wieder mit den Händen essen und dem Sozialisationsprozeß eines Norbert Elias ein Schnippchen schlagen.
Genau jetzt wäre die Zeit für solche Überlegungen.

Man könnte sich überlegen, ob man sich Buchhandlungen und Tante-Emma-Läden nicht einfach leistet, weil man sie möchte. Und sie nicht dem 'freien' Markt zum Fraß vorwerfen. Einem freien Markt, der diesen Namen nicht im Ansatz verdient.

Genau jetzt wäre es an der Zeit, das Zusammenleben wieder lebenswert zu machen, indem man Kriege verbietet, indem man Kapitalerträge so versteuert, dass Handwerk und andere tatsächlich geleistete Arbeit wieder einträglich werden. Warum nicht auch das Strafgesetzbuch vereinfachen und Steuerhinterziehung einfach in den Paragrafen packen, wo es hingehört, nämlich in §242 (Betrug) und §263 (Unterschlagung, Diebstahl), und nicht §"Hälfte zurückzahlen, dann passt schon". Man könnte überlegen, ob ein Parlament mit der Hälfte der Abgeordneten nicht genauso gut, wenn nicht sogar besser funktioniert.

Es ist überfällig, sich die Idee vom ewigen Wachstum mal genauer erklären zu lassen, um zu verstehen, wie sich das rechnerisch ausgehen soll. Und viele Leser von Zeitungen wären sicherlich daran interessiert zu wissen, warum der DAX in Zeiten wie diesen seinen Höhenflug erlebt - vertrauenserweckend ist diese Tatsache in Hinblick auf die Zukunft nicht wirklich. Ich vermute, die Analyse wäre zu komplex für Medien, die vom Drama leben. Wenn es richtig blutig und dreckig wird, berichtet man sinnigerweise lieber über dramatische Schicksaale, denn über Gewinner. Wer will schon hören, dass sich Dick Cheney während des Irak-Kriegs mit dem zivilen Ausstatter des Militärs, Halliburton, eine goldene Nase verdient. Aber Geld verdient sich da, wo das Blut auf der Strasse fließt. Bei jedem Feuergefecht, das sich die ISIS mit wem auch immer liefert, ist jeder Schuß ein satter Gewinn auf irgendjemandems Konto.

Es sind die kleine Dinge, die einen verwirren. Warum in Corona-Zeiten Krankenschwestern in Kurzarbeit gehen und Kliniken geschlossen werden. Warum bemüht sich die westliche Wertegemeinschaft um den russischen Oppositionspolitiker, nein, den Führer der russischen Opposition, Nawalny (welche Partei war das gleich wieder? Russland der Zukunft, mit wievielen Mitgliedern? Wer ist dann nur diese Jabloko-Partei unter Jawlinski? Und warum stuft Amnesty diesen youtubigsten Bekämpfer Putins plötzlich nicht mehr als politischen Gefangenen ein? Also die Nawalny-Geschichte hat schon mehr Spin als die Skripal-Affäre. Ein echter Nowitschok-Krimi 007 Teil 2, diesmal mit einem fotogenem James-Bond-Gesicht. Bei Nawalny, so juristisch zweifelhaft seine Verurteilungen sein mögen, kann ich mich garnicht mehr einkriegen, weil ein Whistleblower Assange vermutlich für die 'gleiche' Straftat (Verstoß gegen Bewährungsauflagen, nein, stimmt nicht. Assange hatte ja garkeine Bewährung, weil keine Verurteilung im Gegensatz zu Nawalny) gleich nebenan in London seit Monaten in Einzelhaft sitzt und dort vielleicht den Rest seines Lebens verbringen wird. Warum ist der große Sieger des Kapitalismus die größte kommunistische Partei. Und war mit ewigem Wachstum und Fortschritt auch die Rückverfettung auf eine 40-Stunden-Woche gemeint, oder sollte uns die Automatisierung nicht alle von der halben Wochenarbeitszeit befreien. Man frägt sich. Aber die Antwort, werden wir uns wohl selbst geben müssen.

Die einzige wirklich befriedigende Stabilität gibt mir der Nussschnaps. Der ist und bleibt transparent und schmeckt seit Jahrhunderten gleich. Der Rest ist Ponzi-Masche.


manhartsberg am 19.Feb 21  |  Permalink

einemaria am 19.Feb 21  |  Permalink
S.i.e.
machen's sich einfach. Mir ein schönes Wochenende an den Hals zu wünschen. Same, same, ... but different - wie man in Joseph Conrads Birma Burma so sagt.
Schönes Wochenende auch!

c17h19no3 am 20.Feb 21  |  Permalink
fortschritt definiert sich allein im erhalt von machtstrukturen, wobei sich nachhaltigkeit maximal auf eine legislaturperiode erstreckt.

einemaria am 26.Feb 21  |  Permalink
Ich wollte Ihnen da jetzt nicht einfach so knapp antworten. Geben Sie mir etwas Zeit. Im Prinzip stimme ich Ihnen zu. Aber wer sind diese Machtstrukturen?

c17h19no3 am 27.Feb 21  |  Permalink
die "machtstrukturen" sind natürlich bill gates und die kinderblut-fetischisten. wer sonst?

nein, keine angst. macht ist m.e. sehr komplex und beschränkt sich auch nicht auf die offiziell "machthabenden" wie parteien, politker und lobbyisten.
eine große macht ist u.a. auch das phlegma der masse. der mensch ist ja so konstruiert, dass er mühen scheut, um wenig energie verbrauchen zu müssen. entsprechend ändert er nichts, wenn er sich nicht gegenwärtig und unmittelbar existenzbedroht sieht.

einemaria am 28.Feb 21  |  Permalink
:-)
Danke, schön gesagt. Die ganz persönlichen Legislaturperioden ...

c. fabry am 26.Feb 21  |  Permalink
Danke für diesen wunderbaren Text voller kluger Gedanken. Sollte man sich zum Mantra machen und überall ständig wiederholen, vielleicht bewegt sich dann ja mal was in den Köpfen.

einemaria am 08.Mär 21  |  Permalink
Naja,
der Text kam zu früh. Die Bundesregierung steuert inzwischen bei der COVID-Misere dagegen. Eine Taskforce mit Span und Scheuer. Da muss ich alles noch mal umschreiben. Insbesondere wo man munkelt, dass sie folgerichtig jetzt noch den Dobrindt draufknallen müssten, um die Sache komplett zu machen.

lalol am 08.Mär 21  |  Permalink
Wie freundlich von Ihnen
meinen kleinen Beitrag in Ihren Text einzuweben.

Die Informantin arbeitet übrigens schon längst wieder.
Genau genommen seit dem 05.07.2020.
Ich lass die Frage offen, wieviel ein leerstehendes Bett oder Intensivbett, den/die Steuerzahler*in, kostet.

In meinem nächsten Leben werde ich Gaunerin.

einemaria am 08.Mär 21  |  Permalink
ich danke Ihnen
für diesen Beitrag. Wie erhellend. Mir werden da Geschichten aus der Welt der Welt der Honorarärzte zugetragen, da möchte man, deren Fähigkeiten nicht anzweifelnd, nicht an die falsche Klinik zum falschen Zeitpunkt geraten. Bei dem Satz, "dass die Ärzte eine besonders freundliche Work-Life-Balance haben", wäre ich beinahe in meinem eigenen Tränenstrahl ausgeglitten. Sie werden das kennen. So schiebt man dann gern mal eine 12-Stunden-Schicht im Schockraum und hängt noch eine dran. Dafür kann man sich dann anschließend notfalls schon mal für ne Nacht auf der Intensivstation einmieten.

Wo es um die eigene Gesundheit, das eigene körperliche Wohlbefinden geht, wird schon jeder Preis gezahlt. Wo es aber um Leben oder Tod geht, ist dieser selbst in Bitcoin-Sphären kaum mehr leistbar. Sollte man nicht glauben, dass da nur diverse Abgeordnete mal kräftig zuschlagen.

Beim letzten Satz kann ich Ihnen, zumindest aus meiner Position, nicht beipflichten. Antizyklisches Verhalten (ok, Sie sagen: nächstes Leben) hat sich bei mir bisher stets ausgezahlt.

lalol am 10.Mär 21  |  Permalink
Was das alles beinhaltet, antizyklisches Verhalten
Es ist halt so verlockend, sich in der Hängematte der zyklischen Amnesie auszuruhen.