Im Großen wie im Kleinen
Man sagt ja: im Kleinen wie im Großen. Das stimmt nicht immer. Wir bestehen aus Atomen, aber vom Verhalten her sind wir uns durchaus unähnlich. In unseren Atomen schwirren Teilchen und ähnliches umher als wäre es ein Hühnerstall auf Speed. Die Teilchen halten sich scheinbar auch teilweise auf, aber eben nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, während wir uns wohl bewußt sind, dass wir uns hier an der Bushaltestelle schon über eine Viertelstunde den Arsch abfrieren. Ein längerer Aufenthalt mit mehr als einer Wahrscheinlichkeit. Die Zeit in der Krise.
Alles bewegt sich, alles fließt, nur mein Struller hängt willensschwach vor der Hecke hinter der Haltestelle und tut nichts. Einzig das no-movement-movement und mein Struller sind exekutive Elemente ganz im Sinne von Ende Gelände.

Rien ne va plus. Wir und meine schon frühmorgens bekiffte Bekannte sind die neuen Helden des Stillstands. Und der Bus natürlich. Jetzt schon fast 20 Minuten. Also kein no-movement, sondern ein non-existing, die Urmutter der Bewegungslosigkeit. Die kinetische Energie von etwas nie Dagewesenem.

Als Vielfahrer im öffentlichen Verkehr fände ich die Kampagne "Ich komme wann ich will" untertützenswert.

Kein Fahrplan, sondern mehr Leichtlebigkeit. Ich komme, wann ich will. Da werden keine Hoffnungen zerstört, sondern geweckt. Ein lächelnder Bus und der Tag ist dein Freund, wie das die DB mit ihrem aleatorischem Fahrplan bereits verwirklicht hat. Aber der Öfi am Stadtrand hat von noch nichts mitbekommen. 21 geschlagene Minuten und davon jede einzelne geschlagen und geprügelt.

Ich bin ein auf irgendeinen Bus Wartender, ein Fussgänger oder vielleicht bald Passagier in einer Superposition, der einzig auf den Zusammenbruch der Wellenfunktion wartet ... oder eben auf den Bus. Ich stehe frierend hier, während mich die vorbeischleichende Blechlawine mit KubikxZylinderzahlxUmdrehungen/Minute Kohlenmonoxid und anderen fossilen Reststoffen berauscht. Der Gedanke an Kohlendioxid und Erderwärmung ist für mich in diesem Moment nicht fassbar. Eher das Rauschen von Wellen. Grünen Wellen, roten Wellen. Die vorbeiziehende Herde Autos klingt wie am Meer, aber sie riecht wie Ölteppich. Autos aller Coleur, aber kein Bus, kein Mammut in dieser Herde.
Ob das Gefühl, vor Wut fast zu kotzen, viele Menschen befällt? Vielleicht wären Haltstellen ein sinnvoller Ort zum Aufstellen von Hundescheißetütchenspendern. Im Großen wie im Kleinen. Der große Bus kommt nie, aber immer der kleine Mann bekommt den Ärger dafür in der Arbeit. Ärger von meinem großen, kleingeistigem Chef, der HomeOffice für eine Geisteskrankheit hält und Wetter für etwas, das aufgrund seiner Vorhersagbarkeit nichts mit dem Arbeitsbeginn zu tun hat.
Im Grossen wie im Kleinen? Bei Bussen wie bei Steuerhinterziehung das Gleiche, nämlich genau konträr. Wenn man 20 Personen 10 Minuten sitzen läßt gilt der Haftungsausschluss, aber eine Person 10 Minuten zu spät, fetter Ärger. Und Steuerhinterziehung? Davon kann man als angestellter Nettoempfänger nur träumen.
Wie viele Autos statistisch in der BRD auf einen Bus kommen? Ist wohl streckenabhängig. Auf jeden Fall reguliert nicht nur hier das Angebot den Markt und nicht umgekehrt. Dieses Land benötigt Einsitzer und keine Panzer. Der Beifahrersitz als mobiles Büro - ein von der Pendlerpauschale finanziertes CarOffice. Selbst einige der nie kommenden Busse besitzen hier einen USB-Lade-Port. Das wär mal was: BusOffice - mit dem Großraumbüro in die Arbeit geflitzt. Aber nein, wir produzieren großräumige Geländewagen, wo man nicht mal einen Kühlschrank reinkriegt, und öffentliche Verkehrsmittel mit einer Sitzaufteilung als wäre die Gesamtbevölkerung gliedmaßenamputiert.
Wenn ich bei diesem Plan A an Plan B denke, oh je, dann kann ich mir ungefähr ausrechnen wie es mit dem zweiten Bus kommen oder auch nicht kommen wird. Man wird mich als Arbeitswegelagerer verhaften. Als Corona leugnenden Volkskörperterrorist, der einfach nur rumsteht. Kein Sport, keine Gassiführen, keine Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, kein selbstständiger Handwerker oder Lasterfahrer in der Ruhephase. Die Bewegungsabsicht war nicht zu erkennen, wird es heißen.

Verlegte Haltestelle mit Hinweisschild unter Schneedecke und vormals ich. Noch Abdrücke des Kampfes im Schnee. Blut? Nein. Asche auf mein Haupt. Heim, Coronasymptome an Betriebsstätte gemeldet, Selbstdiagnose R.5G gestellt einmal auf den großen Biergott Ägir Ägir angestossen und ...


manhartsberg am 08.Mär 21  |  Permalink
Schneeschmelze

einemaria am 08.Mär 21  |  Permalink
Danke auch Ihnen
Ich empfehle übrigens, die Youtube-Links über FreeTube anzusehen. Link kopieren und rein damit. Spart das ganze Geplänkel mit 'Stimmen Sie zu' und kein Werbevorspann.