Zahncremes und Naziverbrennung
Ist doch immer das Gleiche. Kaum findet man die neue Zahncreme nicht so toll, wird gleich der Nazivergleich aus dem Ärmel gezaubert. Eine Frage der Zeit und nicht der Zahnpasta, so Godwin's Law, das ich im neuen (wieder mal hervorragendem) Beitrag von alternativlos.org aufgeschnappt habe. Dabei bin ich bei weitem nicht so erfolgreich wie die Nazis. Der Vergleich hinkt also.

Ich arbeite in der Buchhaltung, womit ich grosse Erfahrung mit der Eliminierung habe, insbesondere der Auslöschung guter Ideen. Aber so lange mir keiner meine Bilanz stört, bin ich tolerant und friedliebend. Alles ausserhalb meiner Zahlenkolonnen darf so bleiben wie es ist. Klasse statt Rasse und die Null als Klassensprecher. So läßt sich's als Buchhalterin gut leben.

Mag sein, dass meine Affinität zu Bücherverbrennungen dem Nazivergleich zu Grunde liegt. Aber ich bin auch ein leidenschaftlicher Griller und werde trotzdem nicht zu den Hexenverbrennern gerechnet. Wenn man ein Buch erwirbt, darf man das wohl guten Gewissens dem Feuer übergeben. Andere schreiben ihre Wünsche auf Zettel, die sie anschliessend verbrennen. Die Verbrennung ist also nicht immer ein Akt der Ablehnung oder Verteufelung.

Aber was soll schon ein Vergleich mit einer so zweifelhaften Konstruktion wie dem Nationalsozialismus, der doch vorwiegend als eine Fusion zwischen Industrie, Banken und einer Diktatur zu sehen ist. Wo sich da das Volk in diesem Konstrukt gesehen haben will, ist mir schleierhaft. Vielleicht nur als völkischer Beobachter und später als Kanonenfutter.
Sozialisten haben sich die doch nur genannt, um ein paar von der anderen politischen Richtung rüberzuziehen und um während des Westfeldzugs nicht von Stalin hinterrücks überrollt zu werden.
Und national? Na, bitte. Wo man aus dem Österreicher Adolf Schicklgruber erst noch einen deutschen Adolf Hitler machen musste, da ist es um die Nation schlecht bestellt. Insbesondere in einem Land, das erst gut fünfzig Jahre vorher als Nation geboren wurde. Es war noch kein Jahrhundert vergangen, da verkündet man schon das Tausendjährige. Das ist schlechter als jeder Hütchenspielertrick unter weltweitem Stammtischniveau..

Die Nazis von damals sind ja nur die eine Seite der Medallie, die in ihrem Herzen unpolitischen Profiteure die andere. Die wären auch mit den Kommunisten ins Bett gehüpft, solange hinten keine Null rauskommt, sondern eine höherwertige Zahl mit vielen Nullen hinten dran. Der Nationalsozialismus liesst sich wie ein Strategiehandbuch, um die etwaig aufkommenden Skrupel der Handlanger auszuhebeln. Bei denen, die wie die Banken und Industrie schon vom ersten Tag an im Boot sassen, musste man keine Skrupel beseitigen.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, ausser dass man die Symbole und die Phrasen von damals nicht mehr verwenden darf. Aber wenn man Nazis auf Parteimitgliedschaft und jene Symbole und Phrasen reduziert, wenn man Menschen, die Bücher zum Spass verbrennen und verschiedene Zahncremes vehement ablehnen, als Nazis bezeichnet, hat man reichlich wenig aus der Geschichte gelernt, Ihr Schbacken.


txxx666 am 02.Aug 14  |  Permalink
Dass die Profiteure und Kriegsgewinnler "auch mit den Kommunisten ins Bett gehüpft" wären, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, denn während die sogenannten National-"Sozalisten" nur die jüdischen Kapitalisten (zugunsten ihrer arischen Konkurrenten) enteignen wollten, hätte den millionenschweren Industriellen und Spekulanten (= Sozialschmarotzern; in diesem Zusammenhang passt die unschöne Vokabel tatsächlich) im Kommunismus insgesamt die Enteignung und Vergemeinschaftung ihrer zusammengeraubten, ergaunerten und geerbten Vermögen bevorgestanden.

einemaria am 03.Aug 14  |  Permalink
Guter Punkt,
junger Mann. Zum Glück hatte ich erwähnt, dass hinten schon Profit rauskommen müsste und nicht die Enteignung. Hat man ja gesehen, was rausgekommen ist. Ne Nullnummer, dieses Ostblockexperiment.

Aber so eine Novemberrevolution mit oligarchischem Anstrich, wo die hundert Reichsten ihren Scheiss behalten dürften. Das alles finanziert von der europäischen Hochfinanz. Das hätte ein Tausendjähriges Reich werden können.

Wenn man sie nicht bezahlt, hat man sie nicht in der Hand. Und das kann böse enden. Wichtig ist, dass sie das Geld dann auch wieder hergeben in Form von Konsumbereitschaft. Der Umlauf von Geld, das es nicht gibt, für Sachen, die wir nicht brauchen. Je mehr das gelingt, desto weniger Ideologie ist nötig, um das Volk im Zaum zu halten.

Aber so einen Putin-Kommunismus im kapitalistischem Kleide finde ich historisch gesehen sexy. Bei so einer starken Hand da krieg ich als hartelinie Fetisch-Gefühle. Ich glaube, unbewusst, nacht wenn ich schlafe beispielsweise, hab ich da glatt Fantasien über Stiefellecken und so. Das is gruslig.

einemaria am 03.Aug 14  |  Permalink
Ne, mal ehrlich
Sie haben völlig Recht. Voll daneben. Seit Stunden hatte ich überlegt, wie ich mich aus dieser Fehlbehauptung wieder rauswinden könnte ... und dann kam Ihr Kommentar.

Praktisch war er denn doch, Herr Lenin samt seines Kommunismus, zumindest für das Auswärtige Amt des Deutschen Reichs, das Lenins Reise im plombierten Zug durch Deutschland von zwei OHL-Offizieren begleiten ließ.

"Man hat Lenin wie einen Pestbazillus in einem plombierten Waggon von der Schweiz nach Rußland befördert." soll Churchill gesagt haben. Und dass es mehr war als nur die Durchreisegenehmigung, sondern das Implantieren eines voll ausgereiften Virus, zeigt der Spiegel-Artikel Lenin und der Kaiser.

Aber mit wem die deutsche Finanz und Industrie, insbesondere die Waffenindustrie jener Zeit es in allen Positionen getrieben hat, das war die USA. Aus diesen Geschäften gründet auch das Imperium der Bush-Familie, wie es der Artikel Mafia, Geheimdienste und Politik der USA Teil 2 (1939 bis 1948) skizziert.