Samstag, 21. Juni 2014
Die Ersatzstoffgesellschaft - Medusa der Post-Post-Ära
Nach der Postmoderne kommt die Post-Post-Ära, die Post, die einfach weg ist, weil inzwischen auch der Rewe weg ist, wo sie vorübergehend mal drin war. Erst die Briefkästen abschrauben, dann die Postfilialen in den Supermarkt und den schliesslich von Aldi auffressen lassen, bis endlich jeder kapiert, dass Briefschreiben nicht mehr angesagt ist. Lass den Scheiss, weil die Datenkrake nicht Lust hat jeden deiner bekackten Briefe mit Dampf und viel Handarbeit zu öffnen, nur um zu lesen, dass es dir leid tut schon wieder, aber zum letzten mal zu viel getrunken zu haben.

Wir sind im postpostalischen Zeitalter angekommen, mit der Email als Botenstoff. Kommuniziert wird über das Elektron, das kein Arbeitsentgelt und keine menschenwürdigen Pausen braucht. Die Post kommt und kommt und man kann sie selbst nirgendwo mehr hinbringen, geschweige denn der Postbote würde sie abholen. Ja, so war das mal.

Alzheimersche Bullemie, nenne ich das. Fressen, aber das Kotzen vergessen. Viel Input für möglichst wenig Output. Vor den Bildschirm gefesselt, Fernseher, Computer, Tablett, Smartphone und jetzt auch noch die Datenbrille von Google. Mit Infotainment das Gehirn rausblasen.

Es ist das Zeitalter "mit viel ohne". Koffeinfreier Kaffee und alkoholfreies Bier, cholesterinarmes Fett und magere Salami ohne die weissen Fettpünktchen. Sex ohne Empfängnis, süß ohne Zucker. Sie wollen Kaffee ohne Milch. Da wir aber keine Milch haben, könnte ich Ihnen Kaffee ohne Zucker anbieten (Slavoj Zizek).
Hauptsache viel ohne.

Wie Mehmet Scholl sagt. Jeder sollte seinen eigenen Freistoss spielen und schiessen. Er sehe die Jugend auf dem Bolzplatz den Ball fast nur noch per Topspin ins Netz zu kicken. Doch nicht jeder sei Ronaldo. Jeder hat sein eigenes Bein und seinen eigenen Schuss.
Es gibt sie nicht, jene Wahrheit für alle, das Ding mit viel ohne. Abenteuer ohne Risiko ist wie Sterben ohne Tod langweilig bis dorthinaus.

Ich mag fette Zwetschgenrohrnudeln und sauf mir das Fett mit Alkohol weg - wie Fleisch sich auch gut in Cola löst. Paar Chips noch und passt schon. Vielleicht kurz vor dem Schlafen noch eine Handvoll extra saftige Gummibärchen wegen ihrer natürlichen Zahnreinigung. Steht zumindest nichts von kalorienarm drauf. Und träume anschliessend in der entsprechenden Geschmacksrichtung.

Ich meide jede Medie wie den Teufel. Meine maximale Bildung beziehe ich von Bierflaschenetiketten. Davon könnte ich Ihnen das Wetter für die nächsten zwei Wochen ablesen. Bei mir trägt Salat und Gemüse auf. Ich bekomme da Blähungen, die sich selbst mit Underberg nicht aufhalten lassen. Ich wasche meine schwarz-rot-gelben Streifen in den Unterhosen mit 60 Grad. Ich gehe nicht zum Arzt und schon garnicht zu heilpraktischen Profiteuren meiner Einbildungen. Ich bleibe einfach viel gesund, ohne krank. Wenn die Börse A sagt, sage ich B, wenn das Volk nach Dubai will, fahre ich nach Österreich. Und ich kann Ihnen sagen, ich fahre bestens damit. Denn wir leben in einer Welt, wo das Angebot schon vor der Nachfrage geboren wird. Don't believe the hype.
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