Was man besser nicht überschreibt
Kaum lässt man mal zwei Wochen ohne eine Idee verstreichen, schon klopfen die Jandl-Schüler an mit ihrem verbildeten Wortwitz. Nee, nee, nee, da saug ich mir mal lieber schnell was aus der Gehirnwindung, ehe ich von noch mehr Kommentaren bedrängt werde.
Agieren, nicht reagieren, sagt da mein Mann. Und meint natürlich sich selbst, nicht mich.

Ich weiß nicht, ob sie das kennen, wenn man Ihnen in den Kopf schießt. Da kann man sich anschließend dann den Kopf darüber zerbrechen, über das Warum. Es sei denn, man kommt aus einem afrikanischem oder us-amerikanischem Krisengebiet - da scheint das ja zum Standardrepertoire zu gehören, so ein Kopfschuss, den man nicht persönlich nehmen muss.

Für mich aber, die ich aus einem waffenarmen Land stamme, ein aufrüttelndes Ereignis und der Tag hat ein Thema: Krieg. Und zwar ein Krieg an der Heimatfront. Ein Krieg der Herzen und Gefühle. Rosenkrieg, verblümt gesagt. Ehekrieg grob gesagt.

Mein Mann ist Drohnenpilot, während mir die Tante Arbeitsamt diese Fortbildung nicht genehmigt hatte. War ich doch Mauerschützin, als die Mauer noch stand, und er nur Pantoffelheld, ein echter Kenner der Funkuhr und bei Serien der Staffelkommandant. Wir hatten uns kennengelernt, wie sich auch schon meine Eltern kennengelernt hatten. Beim Fernsehen. Ist einfach besser, wenn man nicht alleine im siebten Stock im Elend sitzt. "Harsh navigation in featureless terrain" war der Geheimcode für seine Partnerwahl, also mich. Nur am Traualtar hat er mich mal seinen "signature strike" genannt. Nun hat er heute klammheimlich während seiner Arbeitszeit, statt Feindesland unter Beschuss zu nehmen, die Heimaterde mit Gülle beackert. Nämlich unser Eheglück.

Nach Jahren kramt er houdinimäßig eine seltsame To-Do-Liste hervor, die er über die Jahre geschrieben hätte. Mich wundert schon, dass da Blasen am Glory Hole der kapputen Küchentür nicht an oberster Stelle stand.
Wenn Sie Probleme in der Beziehung haben, schreiben Sie (das "mit" will ich standeshalber mal hier einfügen. Er hat es irgendwie vergessen) Ihrem Partner deine To-Liste, will er mal gelesen haben. Und desshalb nenn ich sie Tu-Du-Liste. Warum soll er immer alles alleine machen, wo ich am Ende garnichts von mitbekomme, hat er sich gedacht und mal schnell seine Partnerkritik in der Arbeit auf DIN A5 gebannt. Statt die Drohne über Feindesland zu steuern, hämmert er mit den Tasten auf mein Gemüt. Eine Hinterliste, die mich in die Defensive bringen soll. Hat er wohl irgendwo auf so einer militärischen Schulung aufgeschnappt und heute in den letzten Feierabendstunden auf Druckerpapier gezaubert. Desshalb zaubert er sie auch aus seinem Aktenkoffer, so als hätte unser Ehevertrag schon eine Nato-Kennziffer.

Glück ist eben ein fossiler Brennstoff, der irgendwann ausgeht. Ein begrenzter Energieträger mit dessen zur Neige gehen auch das Pech sein Ende findet, denn ohne Glück auch kein Pech. Des Einen ist dann des Anderen. Das Gemisch von Pech und Schwefel gerät aus den Fugen, ein polartiges Umschlagen und aus Liebe wird Feindschaft. Schliesslich wird es zum weissen Zwerg, wie es die Kosmologen formulieren, und last but not least zur Supernova, wo man gerne noch mal heiratet. Und letztendlich das Endstadium, dem sich auch unsere Ehe nähert, das Schwarze Loch.

Ich habs schon verstanden, was da nicht so gemeint war.

Muss er jetzt nicht so rumtun. Wär ihm wohl lieber, wir würden unsere Differenzen als zwei Drohnen über Niemandsland austragen. Das Machwerk liesse sich auch in einem Satz ausdrücken. Er bemüht sich über Jahre erfolgreich (sic!) weniger zu schnarchen, während ich verlernt hätte, Frau zu sein.
Fun facts about the cold war 2.0, ist ein gnädiger Ausdruck für das machöse Gestammel, das nur so ein gehirnpürierter Weichteilträger, dessen Geschlechtsfaschismus nicht mal mit Unmengen an Östrogenhendeln unterzukriegen ist, aus diesem hervorwürgen kann.

Vielleicht stirbt man selbst an seinen Gefühlen. Das Gefühl selbst stirbt nie. Wer das graue, eigentlich farblose Schwarz, das Grauen der Ehe, gesehen hat, wird es nicht vergessen. Die aufgestossenen Tore zur Hölle kann man nicht einfach wieder hinter sich zumachen. Da kann ich dann schon verstehen, dass er inzwischen D-Cycloserine in sich reinstopft wegen dem posttraumatischem Stress Syndrom. "Whiping away fearful memories" steht da irgendwo im Waschzettel. Eine Partnerberatung halte ich für rausgeschmissenes Geld und für zu riskant, insbesondere für die Therapeuten, diese Scheidungsparasiten, die die Leiche mit Gegengift für möglichst viele Therapiestunden am Leben zu erhalten versuchen.

Woher kommt nur dieser Schmerz? Wenn man den fauligen Teil vom Apfel abschneidet. Von der Neuverdrahtung der Neuronen, wenn das Nervenkostüm in der Änderungsschneiderei ist. Wenn man einsehen muss, dass das Elend im siebten Stock allein nur halb so elend ist.

So wird das auch wieder was mit dem Schreiben muss weh tun, muss weiße Blüten aus dem grenzenlosen Blau schneien lassen. Schreiben treibt die Gicht in die herausstehenden, herrenlosen Knöchel, die wie Emos von Tastatür zu Tastatür huschen hüpfen hurten, wie Leichen sich von Taste zu Taste schleppen. Einen Text raus und runter holen. Ich bin nicht stolz die Hölle gesehen zu haben. Aber lieber die Hölle, als ein Jandl-Gedicht. Desshalb bin ich ja die hartelinie. Eine Linie, die nicht umfallen kann. Leider, wie sich das der belastete Kreislauf oft einredet, und Jandl-Liebhaber hoffen. Eine Linie, ein Strahl, keine Welle wie das unentschiedene Licht und nie wieder ein Kreis. Das kann ich Ihnen Versbrechen.


So viel also zum ersten Bier nach dem Urlaub ... aber unterschreiben möchte ich das so nicht.