Winterreifen im Regen - Wetter ist ein Menschenrecht
Die Himmelspianisten starten ein Gewitter, Donner rollen aus dem Rangierbahnhof der Geräusche. Gravitätisch bewegen sie ihren fetten Arsch und das Gewölbe fibriert ehrerbietig. Grollen ohne Punkt und Komma. Unvermittelt wirft sich das Kampfgeschrei der Kugelblitze auf uns, hinterrücks, weil wir zu laufen beginnen. Die Strassen einer Grosstadt bieten alle Nachteile einer Wohnung ohne Fenster und ohne Dach, du siehst keinen Himmel, aber es regnet dir auf den Kopf.

Mein Leben prügelt gerade auf mich ein. Ich bin auf dem Weg zu meiner Hinrichtung. Wie Kneissl in diesem Falle, dem Falle der eigenen Hinrichtung: "De Woch fangt ja schon guad an." Ich bin auf dem Weg zur obersten Anspruchsabwehr, der bundesdeutschen Sozialversicherung, auf dem Weg zum Arbeitsamt - nicht aus Geldnot, sondern aus Anspruch eben. Etwas scheint im ARGEn zu liegen, denn seit dieser Woche bin ich in die unterste, die Paria-Klasse der Arbeitslosen geraten. Deutsche Soldateska ohne Zusatzausbildung, unvermittelbar bis unser neues Prunkstück von der Leyen endlich zündet. Afghanistan ist befriedet und kein wirklich guter neuer Konflikt in Sicht. Ich will jetzt hier nicht die von-der-Leyer spielen, aber ob das wirklich gut ist, Weichziele wie uns, die Trantüten und Schnapsleichen der Republik, an den Hindukush zu schicken, fast schon in der Hoffnung, dass wir da bis zum Lebensende gut aufgeräumt wären. Die eigentliche Landesverteidigung leistet inzwischen die GEMA - Sperren und verbieten, dass das Dritte Reich nur noch als blasser Schatten erscheint.

Es heisst, ich säße selbst im obersten Management meiner Arbeitslosigkeit. 'Ach, selbstständiger Mauerschütze, das wär doch was für Sie, Frau Becker.' Ich soll mal in die Puschen kommen.

Der nächtliche Schienenersatzverkehr wechselt seine Gefährte, um diese Uhrzeit geben sich erschöpfte Taxis und aufgeweckte Privatwägen die Hand. Und ich inmitten, mit einem hässlichem Ziel.
Jedes Auto klingt als schüttete man einen Eimer nach dem anderen auf mein Gemüt. Keine gelben Engel mehr in dieser flirrenden Nacht. Aber es regnet doch, was soll da flirren? ... In dieser flirrenden-nassen Endnacht, Schätzchen, denn ich war besoffen und die Geräuschkulisse breitgestreut wie Mega-Dübel. Da kann es dann schon mal flirren, während es herabnässt, als würde sich all das Wasser des Universums heute noch auf dieses Fleckchen Erde ergießen. Was red ich? Wen interessiert denn schon das Wetter?

Ich bin nicht Facility Manager im Hause Apollo, sondern die Hölle ist mein natürlicher Lebensraum. Haltewunschtaste können Sie mal lange suchen bei mir. Mit verminter Visage muss ich mir morgens den Cognac anwärmen, dass ich ihn runterkrieg. In die Wunde muss man reintrinken, sag ich immer. Und samt Tretminengesicht bin ich dann unterwegs mit den Bodentruppen, also nicht oben, sondern unter dem Weg, unterwegs unter den Teppich, unter dem Kiesbett sich versteckend vor den Flussgeistern, subterrestrische Bodentruppen eben. Unterwegs mit den Truppen in den Unterputzkriegen. Subkutane Planetenforschung. Ein tektonisches Vorkommando, das mal richtig auf den Putz haut, das mal richtig wegputzt, was das Zeug hält.

Saufen ist der größte Widerstand, den ich aufbringen kann, zumindest im vaterländischen Sinne. Und so ging ich dann ... Sie kennen den Witz, dass Sie keine Witze über den Schiessbefehl an der Mauer hören können, weil ihr Opa dort gestorben ist. Ich muss in meinem vorigen Leben Maurer gewesen sein, der besoffen vom Gerüst fiel, so tödlich wie mancher an der Mauer. Ich hab die Aufnahme in die Hundeschule nicht geschafft, desshalb bin ich vermutlich hier gelandet. Ich wurde Soldat, Fachrichtung Mauerschütze.

Wo die trulla (lat.für Mörtelkelle), da gibts auch was zu trinken, hat mal einer in der Grundausbildung gesagt. So auch beim Massbandsaufen, einem weiterem Gerät des Maurers. Devise: Wir saufen den Feind unter den Tisch ehe er an Angriff denkt. Wir waren die Gladiatoren des estrichnahen Trinkens während der Unterputzkriege, dem sogenannen kalten Krieg. Mauerschützengelage, C2-Abusus, tagtäglich.

Wo werden Sie mich diesmal hinschicken? Auf Heimaturlaub oder an die Schanktresenfront? Ich glaub, bei mir stimmt was nicht, weil ich mich auf der Behindertentoilette am wohlsten fühle. Kann man sich überall festhalten und anlehnen, Notschalter betätigen und Reissleinen ziehen. Lichtschalter findet man auch wenn man besoffen am Boden kriecht, also das einzig stille Örtchen, wo Bodentruppen sich noch wohlfühlen können. Und im Gegensatz zum Schlachtfeld gibt es auch eine Tür, die man zumachen kann, bevor man sich in die Hosen scheisst. Hier schreibe ich. Literatur für ein Bier+.


prieditis am 22.Feb 14  |  Permalink
Ein Bild für ein Bier, das habe ich auch schon praktiziert.
Da gibbet auch gar nix dran zu kritisiern.
Aus Empathie werde ich demnächst am Tresen keinen Wacholder, sondern Einemaria Kron ordern.

einemaria am 24.Feb 14  |  Permalink
Das erleichtert mich erheblich,
wenn mir da jmd mal hilft mit Einemaria Kron. Ich war schon dran und drauf und wollt ihn selber schlucken. Danke ...
Es war etwas verworren getextet, ein Discounter-Text aus der Ramschkiste sozusagen. Einfach reingreifen und mitnehmen ... Vorraussetzung: man hat schon ein Bier oder mehr, also ein Bier+, getrunken. Das Bier muss man aber schon selbst trinken, der Text ist dafür gratis.

mark793 am 22.Feb 14  |  Permalink
Ach, manchmal beneide ich Sie schon um Ihre Wortgewalt - aber nicht unbedingt um die Umstände, welche sie hervorrufen.

einemaria am 24.Feb 14  |  Permalink
Man könnte das auch umgekehrt sehen. Denn die Wortgewalt, so sehr ich sie immer wollte, erscheint mir inzwischen fast gewalttätiger als die Umstände selbst, die sie evozieren. Vermutlich ist es aber die diabolische Wechselwirkung zwischen Umstand und Wortgewalt, die das Leiden schafft.