Urlaubsarbeit statt Arbeitsurlaub
Sehr geehrter Herr Stubenzweig,
wir können Ihrem Antrag auf ein Praktikum leider nicht stattgeben ... und sei es noch so umsonst. Denn nach meinem Erstkontakt mit dem Arbeitsamt, ist jetzt erstmal Urlaub angesagt, sprich all mein Geld im Ausland ausgeben, auf dass es hier keiner in seine klebrigen Hände bekommt.

Schon blöd, daß man trotzdem Steuern zahlt, obwohl man eigentlich nicht arbeitet. Aber man bekommt ja auch Geld in dieser wohligen Zeit. Und obwohl man eigentlich schon fast nichts mehr bekommt, bräuchte ich nicht mal das. Mir gehört schon alles. Mein Haus, mein Garten mit seinen vielfältigen Früchten, die Einweckgläser und überhaupt die gesamte Einrichtung. Alles gehört mir, kein Vertrag. Ich arbeite eigentlich nur noch für die Steuer ... vorwiegend. Sonst heißt es nur wieder, ah, die Becker zahlt also keine Steuern. Doch, tu ich. Schlecht, daß man hierfür kein Diplom bekommt, oder jährlich eine Medallie für positive Steuerlast. Die könnte man dann auch mal ans Revers haften beim nächsten Amtsbesuch und den Nachbarn zeigen ... und nicht einen dämlichen Steuerbescheid mit den Quittungen von der Apotheke. Ein Steuerfähnchen fürs Fahrrad oder eine jährliche Tätowierung der Steuerlast auf den Handrücken.
Bei den Arbeitern sind die Extremisten wie in der Politik verpöhnt. Wer mal einen 80-Stunden-Vertrag möchte, wirds schwer haben, und auch wir Urlauber sind nicht gern gesehen. Arbeitsplatzblockierer und Dauerurlauber, das sind Begriffe, die meine Neider mir gegenüber in einem eizigen Satz verwenden.

Nun gut, ich hab mich jetzt für Letzteres entschieden. Ein Leben im Urlaub, ohne Steuern zu zahlen. Ist irgendwie gemütlicher, so lange man den Selbstzweck im schlichten Dasein sehen kann. Für jemanden, der weder arbeitet, noch arbeitssuchend gemeldet ist, gibt es keinen richtigen Begriff im Deutschen. Denn ein Leben ohne (Lohn-)arbeit ist für Nicht-Firmenchefs hier nicht vorgesehen, und auch keinem begreiflich zu machen.

Rein spasseshalber hab ich mich aber nun mal arbeitssuchend gemeldet und gleich mal die 21 Kalendertage Urlaub, die einem während der Arbeitslosigkeit zustehen, beantragt. Wie seit Monaten - natürlich rein unverbindlich - mit dem Service-Center besprochen, bin ich dann mit meinem Plan am ersten Tag meines krankheitsbedingten Ausscheidens aus der Lohnarbeit im Amt erschienen: erst Resturlaub, während dem mir keine Leistungen zustehen, und anschließend 21 Tage. Ganz so wie unverbindlich besprochen. Aber Service-Center ist eben nicht Arbeitsamt, oder heissen die jetzt Arge. Wen interessierts auch wirklich?

Unverbindlich heisst eben nichtssagend. Und um so mehr Sachbearbeiter haben dann mit Worten wie "Das steht alles in dieser Broschüre!" und "Hat der überhaupt schon mal was an uns eingezahlt?" auf mich eingeprügelt. Dass ich mich eigentlich nur kundig machen möchte und sie es doch bitte nicht persönlich nehmen sollten, schien in der allgemeinen Aufregung nicht durchzudringen. Erst auf die Aufforderung, mir die Auskünfte gegenzuzeichnen, auf dass ich sie prüfen lassen könnte, wurde dann doch ein wenig Gehirnmasse aus der Leistungsabteilung hinzugerufen.

Zum einen steht es nämlich nicht einfach in dieser Broschüre, sondern im Sozialgesetzbuch (ich habe Jahrzehnte in dieser Branche gearbeitet), und zweitens habe bisher eigentlich nur ich an "sie" gezahlt, aber von "ihnen" noch nie etwas erhalten. Dennoch scheint die verblüffende Gesetzeslage vorzuliegen, dass ich während meines Resturlaubs dem Arbeitsamt (bleiben wir bei diesem Begriff) dem Amt zur Verfügung zu stehen habe, ohne Anspruch auf Leistungen. Also arbeiten ohne Lohn - würde ich das mal sagen. Deshalb heisst es ja auch Arbeitsamt. Im Umkehrschluss würde das allerdings heissen, dass mir während der ganzen Jahre davor eigentlich das Arbeitsamt zur Verfügung stehen hätte müssen, ohne dafür Arbeitslosengeld abzudrücken. Ein seltsames Land und ein absurder Gedanke zu glauben, dass ich eingezahlt hätte, um nun die Leistungen des Arbeitsamtes in Anspruch zu nehmen.

Liebe Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen, liebe Frontschweine der Arbeitsabwehr, für wen arbeitet ihr denn? Wer soll denn all das Geld bekommen, dass ihr mit solchen Methoden am letzten Arbeiter vorbeimauert? Wer sich da nicht schnell genug die Gehirnzellen abtötet, der verliert spätestens hier das letzte Fünkchen Respekt vor diesem Schbackenland. Wieviel Anstand kann da wohl noch übrigbleiben?

Mir soll's egal sein, ich nenn mich jetzt Privatiers und schau mal bei Stubenzweig vorbei auf ein Gläschen Bordeaux, um gemeisam den Tränen hinterherzuweinen, die dieses Land der Arbeitslager nicht verdient hat.


jean stubenzweig am 03.Feb 12  |  Permalink
Ach, überlegen Sie sich
das bitte nochmal, das mit meinem Praktikum bei Ihnen. Gerne kann ich's auch gemeinsam mit Ihnen bei mir absolvieren, bei mehreren Fäßchen, meinetwegen auch Bordeaux (darf's auch welcher aus dem tiefen Südwesten oder dem Bergerac oder der Bourgogne sein?). Ich garantiere Ihnen, daß ich nicht nur beim Weinen nicht arbeiten werde. Wir bleiben als Privatiers einfach nur sitzen und ärgern uns nicht so heftig über die Arbeitssamen in den Arbeitsämtern.

einemaria am 04.Feb 12  |  Permalink
Nein, denn was nichts kostet, ist scheinbar auch nichts wert. So fühlt es sich zumindest an ... Praktikum also auf garkeinen Fall.