Sonntag, 12. April 2020
Die Welt, die nach nichts riecht
Während ich die halbtote Fliege an ihren Flügeln packe, reibt sie in ihren letzten Zügen noch ihr heraushängendes Gedärme an meine Fingerspitzen. Die Natur ist da nicht zimperlich.

Für uns Kulturschaffende ist das schon ein wenig delikater. Mit einem Otto Dix und Breugel umhängt man sich nicht ungern, wenn auch nicht unbedingt ins Speisezimmer, aber die Macher der Kriege und des Elends sind aussen vor, wenn es um die Bewunderung des schöpferischen Aktes geht. Ein umgedrehtes Pissoir von Duchamp gerne, aber bitte keinen Blick in ein Männcerclo am Hauptbahnhof.

In meiner Kühlturtasche ist alles gefroren. Tote Kunst, Eiskristalle vielleicht, aber eben kein Leben mehr. Hackfleisch statt Lebendiges. Tiefgefrorenes statt Frisches vom Markt. Für Videokunst und TikTok-Artisten muss keiner mehr zum Markt oder ins Museum. Auf Märkte, die sich verschanzen und in Museen, die sich auf eine Insel jenseits des Kulturkanals arte.de gerettet haben.

Man darf die Ostereier dieser Tage aus einem Scherbenhaufen fischen.

Aus einem Scherbenhaufen oder aus Kalkwasser. Man darf sich glücklich schätzen, wenn man seine Eier über den Winter sicher in Kalkwasser gelagert nun zum Ende der Fastenzeit aus dem Keller holt. Eier, die nach nichts schmecken, in Zeiten, die nach nichts riechen.

Unbeirrt von solcherlei Sentimenten und Gefühlslagen erhebt sich ein Frühling, ganz verwundert über so wenig Störgeräusche und Dreck.

La primavera, das wahrhaftig Erste, als hätte es vorher nichts gegeben. Das erste Leibhaftige sprießt und gedeiht. Primeln und Hopfen

Spargel und Rhabarber

Traubenhyazinthen und Gänseblümchen

Und die vom winterlichen Kältereiz zur vollen Blüte getriebene Schönheit der Vorgärten des Paradieses auf Erden, die Tulpine

Oh, Alma BenGutsi,

Du allativ gezirkte Bedonin,

Sernerer Klamotuken.

Ich umarme Deine Worte,

Sieben Wochen nach Drei.
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