Donnerstag, 1. März 2012
Der Zug nach Nirgendwo - Wir bauen den Generaelen eine Stadt
Noch eine letzter Eindruck vom grossen Change in Burmesien:

Es ist eigentlich Formsache, dass man auch mal in der Hauptstadt eines Landes vorbeischaut - ganz besonders, wenn sie neu und huebsch gebaut wie Nayphydaw - das ist dann den Einheimischen nicht peinlich und man schlaeft vielleicht auch mal ohne Floehe und Bettwanzen ein.
In Myanmar hat das so seine Tuecken. Der Flughafen, von der Groesse dessen in Bangkok, ist fuer Touristen nicht zugaenglich, und aehnliches hat man uns auch vom Bahnhof erzaehlt. So kamen wir auf die grandiose Idee, einfach in den Nachbarort zu fahren, weil die Hostels dort evtl nicht ab 100 Dollar aufwaerts, und dann mal mit dem Pick-Up rueberhuschen.
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Mit grossen Augen mussten wir dann feststellen, dass unser Zug doch in Nayphydaw einfuhr. Aehnlich gross waren die Augen der anwesenden Militaers und Polizeibeamten. Aber selbst die kleinen Zivilhelferlein, die man leicht an ihren Dirigentenstaebchen aus Bambus erkennt, wussten mit uns nichts so recht anzufangen.

Also andersherum, mal mit dem Pick-Up nach Pyin Ma Na ruebergehuscht und nach langer Suche festgestellt, dass es Touristen nicht erlaubt ist in Pyin Ma Na zu uebernachten. Da gibt es dann auch kein Work-around - in Myanmar muss, und das hab ich nicht erfunden, jede einzelne Uebernachtung jedes Touristen taeglich bei neun verschiedenen Behoerden gemeldet werden. Sollte dies - selbst Nachtbusfahrten werden entsprechend dokumentiert - nicht durchgehend belegt sein, kann es bei der Ausreise zu Schwierigkeiten kommen - so war es zumindest in Laos.

Voellig umsonst war unser Marathonausflug nach Nirgendwo dann doch nicht, da uns die Busfahrt zurueck nach Yangoon eine schoene Stadtrundfahrt durch Nayphydaw beschert hat. Es besitzt eine exakte Kopie der massiven Shwedagon-Pagode in Yangoon, nur eben 2600 Jahre juenger, Shopping Malls wie in amerikanischen Vorstaedten, 8-spurige Boulevards auf denen vereinzelt ein vollklimatisierter Jeep duempelt, in sattem Gruen glaenzende Parks mit beleuchteten Springbrunnen, in denen keine Seele wandelt und jeden Kilometer weit eine Villa, in der Herr Wulff eine wuerdigere Unterkunft finden koennte als sonstwo in der BRD. Nur auf den Mittelstreifen dieser Geisterstadt sieht man abgerissene Arbeiterinnen von Strohhueten verdeckt, das Gras mit Nagelscheren auf die richtige Hoehe zu stutzen.
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Dort werden die Herrn Generaele und andere Freunde der Htoo Group also ihren Alterssitz nehmen, um sich am groessten Rubin dieses Planeten zu ergoetzen, und um weiterhin den Pseudorealismus aufrechtzuerhalten, hinter dem sich dieser maximale Menschenverachtung verstecken laesst.

Einen grossen Dank moechte ich Mr.P aussprechen, der mir mit viel Herz und ohne sterile Handschuhe geholfen hat, meinen Kadaver drei Wochen am Leben zu erhalten, ohne in einem der huebschen Umerziehungslager zu landen, sondern im ganzen Stueck wieder nach Bangkok zurueckzukehren.
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A nightmare turns Myanmare - does the Aung Sun really shine over Burma?
Ausflug aus dem Friedhof der Kuscheltiere -


Nachdem sie mir noch wie ueblich die Nagelschere abgenommen hatten - die sie mir dann doch wieder zurueckgeben wollten; was ich entschieden abgelehnt habe (ich steh auf Konsequenz) und das Flaeschchen Myanmar Whiskey, war es mir nicht mehr moeglich, den Flug nach Naypyidaw umzulenken und doch noch mal in der Hauptstadt Myanmars zu landen (was fuer Touristen bisher nicht gestattet ist).
So bin ich raus, zwar immer noch verwanzt, aber ich bezweifle, dass die Sendereichweite von Bettwanzen bis nach Myanmar reicht.

Ach, alle sind so lieb hier :) und die Sonne scheint den ganzen Tag. Wo ich hinsehe, Poster und T-Shirts der Hoffnung - jetzt wird alles besser. Und je spaeter und besoffener der Gespraechspartner, desto oefter faellt das so missverstandene Woertchen Demokratie. Nur weil so mancher Regimegegner nicht mehr hinter Gittern oder unter Hausarrest, ist es doch ein wenig verfrueht, die Hosen der Vorsicht runterzulassen, also wollte man die Zukunft gesundbeten.

Im April wird es den ersten Versuch einer kleinen Vorwahl geben, aber alle sehen Aung San Suu Kyi, die friedensnobelgepreiste (mit der ruehmlichen Ahnentafel: Kissinger, Netanjahu, Gore) Oppositionsfuehrerin, bereits als Gewinnerin. Mit welchen Infratestumfragen wird in so einem Land gearbeitet? Frau Kyi in allen Ehren ... wenn das jetzt schon klar ist, dann lassen wir doch die Wahlen und nennen es einfach mal einen Regimewechsel. Hoffnung ist ein Motor, doch auf was zielt diese Hoffnung ab?
Freiheit - das wissen wir inzwischen - kann auch heissen, frei von Besitz zu sein, oder frei von Rechten und aehnlichem. Freiheit kleidet sich in verschiedenste Gewaender, wie wir das in Aegypten beobachten koennen.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Gesamtmasse der burmesischen Bevoelkerung das gleiche wollen wird. Und ein Auto, einen Fernseher und ein Handy wird es eben nicht fuer jeden geben. Ein Land voller Militaers, Rebellen und Drogenhaendlern wird es sehr, sehr schwer haben, einen friedlichen Prozess einzuleiten und beizubehalten.

Viele sprechen dem neuen Praesidenten Thein Sein viel Lob zu, dass er die momentane Entwicklung so weit zulaesst. Zum einen ist er nachwievor nur Nummer 3 in der Entscheiderliste, zum anderen scheint das Militaer einfach nicht so recht zufrieden zu sein, mit der bisherigen Zusammenarbeit mit China. Und weil westliche Multis aufgrund der aufgesetzten Menschenrechtsdebatte eben nur dann investieren, wenn wir westlichen Konsumenten uns dabei auch wohl fuehlen, weisselt man derzeit mal schnell die schwarze Fassade Burmesien mit abwaschbarer Farbe.

Die Hakenkreuz-T-Shirts scheinen die angepinselten Rucksacktouris nicht wirklich sehen zu wollen oder sich mit dem indischen Swastikasymbol zu erklaeren. Der auf den Shirts ueber dem Hakenkreuz tronende Reichsadler war allerdings nie ein hinduistisches Symbol. Und auch die Gruppe "Iron Cross" bezieht sich da eindeutig auf germansiche Wurzeln.

Man moege bei aller Liebe zu Burmesien auch nicht vergessen, dass es kulturell festverankert ist, dass Frauen maximal die Haelfte von Maennern verdienen, dass das maennliche Familienoberhaupt festlegt, wer hier wen heiratet, und dass sich der Wert eines Menschen vorwiegend in der Hautfarbe aeussert - versuchen Sie mal eine Hautcreme oder andere Pflegeprodukte in Burma zu finden, die keinen "skin-whitener" enthalten.
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Good luck, my friends im Friedhof der Kuscheltiere, moege die Zukunft die Erfahrungen der Vergangenheit widerlegen. Drauf geb ich dann eine Runde feines Myanmar-Bier aus.
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