Freitag, 6. August 2010
Müller Tor Dock
Bei uns im Haus wandert der Müll durch die Müllschlucker auf jedem Stockwerk in die Tonne. Das macht die Sache etwas privater. Vielleicht weil es so sehr an die Toilette erinnert, sehen die meisten dabei so aus, als ob sie gerade auf einer solchen säßen. Vielleicht sind es aber auch die Brucker Mülltrennungsgesetze, die das Blut in den Kopf schiessen lassen und die Augen mit Atropin aufpumpen. Scharf wie die Rassengesetze und diffiziler als die Zivilprozessordnung. Spätestens bei der ersten Initiation auf dem Wertstoffhof wird klar worum es geht: um die Zersplitterung des Geistes und die Begreifbarmachung des Unbegreiflichen. Mit offenem Mund lauscht das einheimische Ohr dem Leitstellenvorsitzenden, zumeist einem Stammesbruder aus den fünf neuen Ländern. Und wir erfahren die geheimsten Details aus der Welt der Hart- und Weichplastik. Warum das nach Farbe getrennte Glas dann wieder zusammengeschüttet wird und diverse Gerüchte über den mafiösen Müllhandel mit der Dritten Welt werden leider erst in einem der späteren Aufbaukurse vermittelt. So begnügen wir uns an unseren ersten Besuchstagen mit den Grundbaustoffen unserer Welt: Plastik, Glas, Metall und Misch. Wir bemerken voller Erstaunen, daß noch viele Ecken und ganze Containerstrassen von uns unbeliefert bleiben, während sich diverse Materialen wie altes Fleisch (nicht Biotonne) schwerlich zuordnen lassen. Und so wandert die Kalbsleber von letzter Woche tief begraben unter Hausmüll in geheimer Mission über die Gänge unserer Wohnstätten in die Klappe des Müllschluckers und wir sterben an Kreislauferkrankungen ohne auch nur einen Bissen davon abbekommen zu haben. Das macht es den Demographen nicht gerade leicht.
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