Samstag, 19. Juni 2010
FRENZY

Das ganz normale Leben - Weder eine Liga noch ein Hotel, in die und dem man absteigen möchte
Ist doch schon die halbe Miete, wenn man nicht anfangs schon tot ist. Ob man sich nun durchquält wie ein Stück Scheiße durch den Darm, durch dick und dünn sozusagen, oder feengleich mit strahlenden Augen die Raumzeit durchgeistert. In der Schlange oder im Stau stehen wir alle gleich. Auf Bahn oder Bus warten wir gemeinsam. Und wenn die Einkaufswägen mal aus sind, dann wird sich wohl ein Körbchen finden.
Aalglatt und glitschig kann es dahingehen, es kann aber auch anders kommen. Mit Kanten und Ecken, Panzersperren und Tretminen, mit Vollgas und aus dem Nichts.
Das Unvermutete, das Problem, die Herausforderung!

Ich tu mir mal zehn Pariser in den Badeschrank und denke ... ob ich überhaupt noch so oft poppe ? Ich bin vierzig ! ... und wenn ich dann noch das Verfallsdatum in Betracht ziehe ?! Wenn’s hinten raus knapp wird hält das Zeug ja auch zur multimedialen Aufwertung beim Wixen. Mal so das Look-and-Feel des schlechten Partnersex.

Mal so ein aktiver Tag zuhause. Das einkaufen, was man immer vergißt. Zahnpasta in kleinen Tuben für unterwegs … wobei es mich wundert, daß es da noch nichts in Richtung Rasierschaum gibt. Edelstahlreiniger für den Herd, vielleicht auch fürs Fahrrad. Neue Clobürste, die ja schon im gekauften, ungebrauchtem Zustand bei Umstehenden an der Kasse ganz andere Fantasien auslöst. Seit ich vier Kaschmirpullis in meiner Garderobe hege, Wollwaschmittel und Weichspüler mit Tannengeruch. Die Frage ist, was länger hält – die Pullis oder das Waschmittel.
Und dann waschen und putzen, was das Zeug hält. Die Fließen in der Küche – unangenehme Handgelenkshaltung. In den Lücken und Ecken, die den Rücken schrecken. Die Oberkanten der Schubladen, die Unterseite der Drehgriffe am Ofen und die Wasserhahnunterseite, unterm Gummi der Randleisten und den Innenkanten der Lüftungsschlitze. Junge, Junge, kein Spaß und es glänzt auch nicht, weil man’s ja nicht sieht – so wie Magenspülung.

Ich wischewische porentief rein - Dirtbanging.Viren und Bakterien, Pilze und Mikroben, ob viral oder virulent, mit Aktivsauerstoff (Pusten) und Kehricht gehts euch an den Kragen. Ich rubble und kreise mit den brandneuesten Erfindungen der Synthetikindustrie. Und als Schulter, Ellbogen und Handgelenk am rotieren sind, legt sich mein Gedankensturm. Als wenn die Atmung im Gehirn aussetzte muss ich an einen stillen Weiher zwischen Wäldern denken, ein Stilleben. Ufer wie ein Waschbeckenrand, der Wasserfall läßt sauerstoffangereichertes Wasser gletscherblau aus geraumer Höhe herab. Und Pril-Entchen trällern durch den blasenwerfenden Teich in meiner Küche.

 825 klicks
Die Gottespest
Einleiten möchte ich mit Johannes Most - Die Gottespest (1887):

"Unter allen Geisteskrankheiten, welche „der Mensch in seinem dunklen Drange“ sich systematisch in den Schädel impfte, ist die Gottespest die allerscheuslichste. ... Wir wollen übrigens mit den pensionirten oder abgesetzten Göttern überhaupt nicht rechten, denn die richten keinen Schaden mehr an. Die noch amtierenden Wolkenschieber und Höllen-Terroristen des Himmels aber wollen wir dafür desto respectloser kritisiren, blamiren und abführen."

Geschrieben wurde es nicht in Deutschland, sondern im Exil in Chicago. Hat dem lieben Johannes auch nicht viel genützt. Dort saß er dann für anarchistische Umtriebe auch zwei Jahre im Gefängnis. Und wie der nächste Ausschnitt zeigt, hat sich in den letzten 123 Jahren nicht viel verändert. Johannes Most in "Die Eigentumsbestie" (1887):

"Das Besitztum ist eben nicht nur ein Mittel zu immer weiterer Bereicherung, sondern auch eine politische Macht. Unter dem jetzigen Kapital-System ist die Käuflichkeit fast ein allgemeines Laster. Es handelt sich gewöhnlich nur darum, den richtigen Preis anzusetzen, um Diejenigen zu kaufen, welche geeignet sein können, durch Sprechen oder Schweigen, durch Schrift oder Druck, durch Gewaltakte oder durch was immer der Eigentumsbestie zu dienen. Sie ist vermöge ihrer goldenen Diktate die wahre allmächtige Gottheit.

Da werden in Europa und Amerika mehr als 500.000 Pfaffen unterhalten, um, wie in der Gottespest nachgelesen werden kann, die Volksmassen ihres gesunden Menschenverstandes zu berauben. Daneben strolchen zahlreiche „Missionäre“ von Haus zu Haus, um alberne Traktätchen zu verteilen oder sonstigen „geistigen“ Unfug zu treiben. In den Schulen wird Alles aufgeboten, um das wenige Gute, welches die Lese-, Schreib- und Rechen Dressur allenfalls mit sich bringen könnte, möglichst hinfällig zu machen. Eine blödsinnige Malträtierung der „Geschichte“ erzeugt jenen aufgeblasenen Dünkel, der die Völker verunreinigt und sie nicht erkennen läßt, daß ihre Bedrücker gegen sie längst sich geeinigt haben, und daß Im Grunde genommen die ganze bisherige Politik nur den Zweck hatte, die Macht der Herrschenden zu befestigen und die Ausbeutung der Armen durch die Reichen zu sichern."

„Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auch noch seinen eignen Gott. In ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist, seine Tugenden, – es projicirt seine Lust an sich, sein Machtgefühl in ein Wesen, dem man dafür danken kann. Wer reich ist, will abgeben; ein stolzes Volk braucht einen Gott, um zu opfern … Religion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist eine Form der Dankbarkeit. Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott.“– Friedrich Nietzsche: Der Antichrist, Kapitel 16: KSA 6, S. 182

Diesem Dilemma entgeht der Erfinder des Ichs Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (1844 - ein gutes Stück vor Nietzsche)

"Fassen Wir inzwischen die Sache noch anders. Ich soll das sultanische Recht verehren im Sultanat, das Volksrecht in Republiken, das kanonische Recht in katholischer Gemeinde usw. Diesen Rechten soll Ich Mich unterordnen, soll sie für heilig halten. Ein „Rechtssinn“ und „rechtlicher Sinn“ solcher Art steckt den Leuten so fest im Kopfe, daß die Revolutionärsten unserer Tage Uns einem neuen „heiligen Rechte“ unterwerfen wollen, dem „Rechte der Gesellschaft“, der Sozietät, dem Rechte der Menschheit, dem „Rechte Aller“ u. dergl. Das Recht „Aller“ soll meinem Rechte vorgehen. Als ein Recht Aller wäre es allerdings auch mein Recht, da Ich zu Allen mitgehöre; allein, daß es zugleich ein Recht Anderer oder gar aller Andern ist, das bewegt Mich nicht zur Aufrechterhaltung desselben. Nicht als ein Recht Aller werde Ich es verteidigen, sondern als mein Recht, und jeder Andere mag dann zusehen, wie er sich’s gleichfalls bewahre. ...

Ich hab’ mein’ Sach’ auf Nichts gestellt."

Rothbard schreibt dazu:

„…das zentrale Axiom der libertären Theorie bedeutet, dass jeder Mensch Eigentümer seiner selbst ist, mit absoluter Rechtsausübung über seinen eigenen Körper. Im wesentlichen heißt das, dass niemand berechtigt ist, eines anderen Person anzutasten oder anzugreifen.“ Murray N. Rothbard: Law, Property Rights, and Air Pollution (1982). In: The Logic of Action. Two, Cheltenham, UK: Edward Elgar, Cheltenham 1997, S. 127 (PDF)

 986 klicks