Good Governance!
Good Governance! Das erinnert mich an Gerhard Polts Democracy. Ich hab sie getroffen, die good-governance-people verschiedenster NGOs aus Europa und den USA, wie sie auf den Dachterassen von Mopti/Mali den einheimischen Seminarteilnehmern erzählen wie es läuft.

Schade, daß die Konzepte so viel mit Mali zu tun haben wie die Dachterasse, die nur den europäischen Hotelbesitzer reicht macht, der sich so bald noch mehr Hotels für noch mehr good-governance kaufen kann. Schade, daß es die einheimische Regierung einen Scheiß interessiert, was auf Dachterassen in Mopti verlautbart. Schade, daß Dinge wie staatliche und private Entwickungshilfe vorwiegend ein Wirtschaften in die eigene Tasche sind. Eigentlich noch schlimmer. Sie hängt sich wie ein Parasit an den Feinstaub, zu den der landeseigene Militärkomplex ein Dritt-Welt-Land nach dem anderen verwandelt. Schade, daß wir es im Urlaub nicht weiter als von der Küste bis zum Hotel schaffen, was bei Gambia weit weniger als ein Prozent ausmacht.

Ich sehe Berichte über harte Arbeitsbedingungen und lese Artikel über Bettler aus den Slums Kalkuttas. Ob Mittelamerika, Westafrika oder Asien habe ich westlichen Standard in den Metropolen und die Ameisenstrassen des Backpackerstroms gesehen, aber links und rechts vom lonley-planet-trail gab es nur noch wenige. Und dann noch mal abgebogen und es gibt keine weisse Haut und keine Presse mehr. Die Menschen dieser Orte können garnicht verstehen, wie sich das Wörtchen Arbeit da einschmuggeln konnte in die harten Bedingungen, denn Arbeit, das wär ja schon mal was. Vielleicht ein Turnaround vor dem Kickback, aber doch ein third way neben Kriminalität und sich selbst verkaufen.

Alle Menschen, die Sie in Ihrem Urlaub sehen, arbeiten in der Tourismusbranche. Ihnen geht es gut. Der Polizist vom Schmiergeld, der chinesische Ladenbesitzer, seltsamerweise wieder ein europäischer Hotelbesitzer und seine nepalesischen Angestellten, die Botschaftsangestellte des Nachbarlandes von den Visagebühren, die Airline von der Umbuchung. Es gibt allerdings ganze Landstriche und Erdflecken, die vom der geldspendenden Ersten Welt bestenfalls im Blindflug durchkreuzt oder gegoogelt werden. Hier herrscht die Bedingungslosigkeit.

Während sich in Janjanbureh durchaus noch mit ein kleinwenig Tourismus und Schmuggel überleben läßt, war so manch landloses Gesicht in Bamako einer Bedingungslosigkeit ausgesetzt, einer Chancenlosigkeit, die den Tod als Vorstufe hat.

Ich bin nicht diese Menschen, aber mir dreht sich der Magen um, wenn sich jene Parasiten der Entwicklungshilfe für tausende von Euro einfliegen lassen, um Brunnen, Schulen und Hospitäler zu errichten. Bezahlt von jenem Staatshaushalt, der sich auch für die Erhaltung menschenverachtender Diktaturen verantwortlich zeichnet. Immer das gleiche Prinzip. Wir machen uns den Junkie, wir versorgen den Sündenbock und unser Gewissen und lassen uns das von ihm auch noch bezahlen, indem wir jedes Ein-Euro-Joule aus ihm vorher noch herauspressen.

Und weil wir hierzulande einfach nicht viel genug Junkies machen können, weil es entropiegemäß eben nur zehn Prozent Sündenböcke gibt, so waren Columbus und Magellan zwei große Vorbiler der exportorientierten Verelendung.
Da gilt dann auch die Zehn-Prozent-Klausel nicht mehr, weil wir das System nicht erhalten müssen. Im Gegenteil, wir müssen es zerstören. Je kapputer ein Land, desto besser läßt es sich aussaugen - im Falle des Iran wortwörtlich, im Falle des Kongo ausschaufeln.

Da dreht sich mir der Magen um. Der Enddarm wird zur Speiseröhre und ich bekomme das Gefühl, daß mir hier bereits Verdautes wiederverfüttert wird. Good governance, wie spricht man das denn auf amerikanisch aus? Daß die Gier so groß wird, daß sie sich nur noch virtuell befriedigen läßt, weil der Planet zu klein ist. Selbst das alte Rom wird finanzhistorisch ausgehebelt, indem man heute den Bürgern die Grundrechte verwehrt und ihnen Demos statt Spiele und Analogkäse statt Brot verkauft. Ich sage das aus sprachlichen Gründen nur ungern, aber es gehört hierher: PFUI.

Good governance aus den gleichen schmallippigen, speckig glänzenden Gesichtern, die an allen Früchten dieser Welt sich bedienen als wäre es ihr eigener Garten. Die gleichen weißen Fratzen und Pummelgesichter, die den Kolonialismus inzwischen zu einem perfiden System aus Moral und Lüge gemacht haben. Jene aufklärerische Brut an Demokraten schickt nun auch noch die helfende Hand. Eine helfende Hand, die im Kongo schon keine Hand mehr findet, die nach ihr greifen könnte.

Was wir seit dem ersten Satz ahnen ist, daß wir es vorwiegend selbst verursachen, weil uns der grauenvolle Fairtrade-Kaffee eben nicht schmeckt und wer ist den überhaupt Eigentümer von Fairtrade?! Weil wir nur das eine Wurstende von Gambia besuchen und dort auch keinen Brunnen bauen. Weil wir monatlich über Los ziehen und 4000 kassieren (heute 2000). Die Schuldhaftigkeit, diese Armee von weißen Fruchtfliegen - inzwischen in jeder Coleur - hat aber auch Namen. Vor-, Nach-, Mittel- und Mutternamen.

Wir haben es in Tunesien und Ägypten gesehen. Das alte Regime stürzt, aber ein neues ist noch nicht bereit. Wir brauchen eine Übergangsregierung, ein vorläufiges Schattenparlament - im Grunde sollten wir einen kompletten Organwechsel durchführen.

Ich schlage vor, die angebliche Realität als irreal zu deklarieren. Wir besetzen unsere eigenen Posten. Für jede staatliche Stelle schicken wir unseren eigenen Vertreter. Ob Streifenpolizist in Unteroberammergau oder Europaabgeordneter, ob Amtsarzt oder Amtsfrau. Wir bestimmen unsere eigenen Leute und ... am Montag gehen alle in die neue Arbeit. Dann werden auf jedem Stuhl erstmal zwei sitzen. Das wird für Verwirrung sorgen, auf die unser Personal durch entsprechende Schulungen vorbereitet sein wird.

Und dann könnte es eigentlich auch gleich losgehen um 8 Uhr morgens mit neuen Gesetzesinitiativen und deren Umsetzung, mit der schon immer erträumten Reduzierung der Wochenarbeitszeit, der Einführung des Grundeinkommens, der Abschaffung von Lebensrente für Parlamentarier. Ich schlage vor, wir beginnen mit einem neuen Feiertag.

Wenn man sich etwas wüncht, ist es mehr als hilfreich, davon auszugehen, daß der Wunsch bereits in Erfüllung gegangen ist. Wir definieren die Realität durch unseren Glauben. Wir leben zunehmend unter dem Damoklesschwert der Staatsmacht, die jeden Augenblick in mein Wohnzimmer treten kann, mit laminierten Ausweisen, ob in Uniform oder zivil. Warum nicht mal selbst laminieren und bei der Staatsmacht ins Wohnzimmer treten?

Nun habe ich mir den verfassungsgemäßen Aspekt des Textes sehr wohl und ausführlich überlegt und komme zu dem Ergebnis, daß es sich hier um ein rein sprachwissenschaftliches Konstrukt handelt mit dem Fehler, daß es sich einer praktischen Umsetzung nicht stellen muss.

In einer mehr futuristisch gefärbten Erzählvariante, die sich durch jüngste Vorfälle wie Gladio auch historisch hinterlegen läßt, und somit auch zeigt wie praktisch in Kreisen des Militärs gedacht wird, sähe es anders aus. Giftgas in der U-Bahn, Seriensprengungen auf allen Ausfahrtsstraßen, Bombenanschlag auf den Castor, umgeben von tausenden Demonstranten. Für einen Geheimdienstmitarbeiter die Gelegenheit für einen Orden, für einen Blogger das Ende einer Seite. Terror gegen jene, deren Unterstützung man möchte. Angst schaffen, um dann als Retter zu erscheinen. Das scheint der Königsweg zu sein. Wie schrecklich. Da fände ich ein Schattenparlamtent poetischer.