Ein Zustand ist das
schon lange nicht mehr. Es ist eine Zumutung. Wer ist nur zuständig für diese Zumutung?
Reichskriegsflaggen auf den Stufen des Reichstags. Nowitschok, das tödlichste Nervengift, das bisher noch niemanden ausser seinen Erfinder umgebracht hat. Ein historischer Wirtschaftseinbruch von altmeierschen 5,8 Prozent.
Ich sage immer, eine Zivilgesellschaft ist grad mal so gut wie ihre öffentlichen Toiletten. Die Zeit wird wie die Telefonzellen, Briefkästen und öffentlichen Toiletten immer weniger, der Ton immer schärfer und das Geld immer mehr - Letzteres leider für immer weniger.
Ich aber darf mich zu den Krisengewinnern zählen. Ich bestreite meinen Lebensunterhalt, indem ich meine ältere Schwägerin bis zu ihrem Lebensende vögle. Ich lebe sozusagen von der Rente meines Schwagers Peter, von all seinen monatlichen Rentenbeiträgen, für die er so hart im Betonwerk geschuftet hat. Ich lebe somit, Frau und Erbe zusammengenommen, vom Lebenswerk meines Schwagers. So falsch kann das nicht sein, denn auf die Art und Weise habe ich zumindest schon mal ihn und seine Zementlunge überlebt. Und es würdigt die Schaffenskraft meines Schwagers nachträglich. Es bauen auch die wenigsten ein Haus, dass dann niemand darin lebt.
Mit all der wenigen Zeit, von der ich als Sekundärerbe nun allzuviel habe, fische ich mir ab und an billige Bücher aus den Gratisbibliotheken der wenigen verbliebenen öffentlichen Plätze. Und da fiel mir "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" von Thomas Kuhn in die Hände. Nun ist es keine große Wissenschaft, die momentanen Umbrüche zu erfühlen. Das Haager Kriegsrecht hat sich in seinem Heimatort verschanzt, weil es anderswo schon lange gemeuchelt und zerbombt worden wäre. Afroamerikaner wollen neuerdings nicht mehr erschossen werden. Viele 'Abhängte' - hätten sie doch nur einen Schwager wie den meinen gehabt, wäre das nicht passiert - entdecken nach einer geisterhaften Bildungsattacke eine Verfassungsleere, die wie ein schwarzes Loch in der Mitte unserer bundesdeutschen Seele schlummert. Und weil Aufklärung in Zeiten wie diesen eben irgendwie fad und unverkäuflich wird, versteift sich die Presse mehr und mehr auf ihr materielles Kerngeschäft, die Information, die sie in Form von Kundendaten und -verhalten dann an Gott und die zahlende Welt verscherbelt.
Und als hätte man es herbeigetet, bietet plötzlich ein dahergelaufenes Virus die Möglichkeit zum Paradigmenwechsel. Wer das nicht nützt, dem hilft aus kein früher Tod eines Schwagers aus dem Betonwerk. Massenentlassungen, die die altmeierschen 5,8 Prozent wie vier Stellen hinter dem Komma wirken lassen. Überwachungsapps und Listen über Restaurantbesuche schnappen da dem Bundestrojaner die besten Plätze weg. Erst der Krieg gegen die Drogen, dann gegen den Terror und jetzt gegen das Virus. Ein Krieg für den Frieden wird das nicht werden.
Da kann ich nur hoffen, dass mein Schwager Peter auf dem Fels seines Hauses auch ähnlich viel Zement verwendet hat wie für seine Lunge.
einemaria am 04. September 20
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