Scheiss auf Weihnachtsgeschichten ... Wiesngeschichten, da glaubt noch jeder dran


Update: die Wiesn 2014 ist endlich vorbei und ich war garnicht da. Der Biergott ist wieder besänftigt und manche müssen nun buckeln, dass sie die verbratene und versoffene Kohle wieder reinarbeiten. Und 414 hat bis heute seine Hose nicht gefunden.

Update: die Wiesn 2014 hat begonnen. Deus volt, wie die Kreuzzügler schon damals zu sagen pflegten. Gott will es so.

Man könnte auch sagen: Der erste Tag und es fängt schon auf dem Weg zum Ziel an.


Die Bodentruppen der hartenlinie sind wieder im vollen Einsatz. Mobile, oder auch weniger mobile Einsatzkommandos wie die der Truppenteile

Sucher

und Schläfer.
Ich bin Der BREZENSALZER, der der das Bierdesaster 2014 wiesentlich erst so richtig schmackhaft macht, der Oberkommandeur der Bodentruppen, der Biergärtner und in dieser Geschichte Ihr Reisebegleiter durch das wilde Absurdistan im Voralpenland. Und wer sind Sie?


Bald heisst es wieder: Das Mass ist voll. Die Geduld zu Ende vom langen Warten, die Mägen leer vom Darben in der trockenen Sonne.

Es schmeckt eben kein Bier so gut wie eine Wiesnmaß. Und so warten sie bereits in den Krugschränken,

um von den Schränken zu den Tränken wieder gefüllt und gelehrt zu werden. Der Euromasskrug 2014, Motiv Bussi

Ein sich küssendes Heteropärchen. 'Das Hirn ist abgeschnitten', wie der Kabarettist Andreas Giebel zur Vorstellung der diesjährigen Sammlerausgabe bemerkt. Obwohl sie das Bier hält, ist er blau und hält eine Breze, beide auffällig die Geschlechtszone bedeckend. Vermutlich hat sie ihm grade das Bier weggenommen, dass es später dann auch noch klappt mit dem Abschleppdienst. Ein Pärchen also, das vorreserviert hat. Er trägt grünes Hemd mit rosa Kragen, sie das Dirndl klassisch in grün-orange-rot, irgendwie fehlt da nur noch die lila Milkakuh. Die Botschaft ist klar und deutlich: fucking drink.

Die Vorwiesnzeit, das sind die ersten Septemberwochen, die Zeit, in der sich nun jeder schön langsam auf die Wiesn vorbereitet. Warmsaufen und durch häufigeres Onanieren auch das Glied wieder in Reih zu bringen, dass er dann auch gut durchsteht, sollte es sich so denn ergeben. Hemmungslose australische Nymphen, hormonell aufgepumpt wie ein warmer Brüter, und die hochgelobten Koreanerinnen, bei denen man weder durch ihre Sprache noch ihren Gestus weiss, woran man ist. Spannend, dafür gibt's dann auch doppelte Punktzahl beim diesjährigen Six-Nations-Cup. Sechs Nationen flachlegen ist bei den vielen neuen Staaten, die so entstehen, einfacher geworden. Früher waren 5 Yugoslawinnen nur ein Punkt, heute könnten es schon 5 Nationen sein. Also, ran an die Buletten.
Jetzt schon entscheidet sich, wer das Rennen machen wird. Denn Bummsbuden in Wiesnnähe gibt es in den Wochen davor schon keine mehr zu mieten. Auch die Tische und Boxen sind schon wegreserviert, die man doch so sehr benötigt zum, Anbandeln wäre wohl nicht mehr zeitgerecht, also zum Anmaßeln.

Zeig mir deine Brüste und ich sag dir, wer ich bin. Heiteres Busenraten, also Nachsommerzeit und damit Wiesnbiergartenzeit. Was da nicht alles kreucht und fleucht. Im Gewürmland unter der Erde könnte es nicht widerlicher aussehen. Auch die restlichen Sinne werden malträtiert von passierenden Gerüchen. Als stünde die Pufftür offen oder als läge das Hackbrät schon zu lange in der Sonne, hängt das sehnenlose Fleisch in den Seilen und Fetzen, quillt aus den zu klein gekauften Schuhen mit einer Aderlandschaft so bunt wie google.maps. Bei über 30 Grad wirkt der mitteleuropäische Körper irgendwie reizlos, matt, einfach falsch plaziert.
Vermutlich entsprang diesem Ekel der Wiesnmasskrug 2010 mit seinem bedenklichem Motiv: einer Wiesn ohne Menschen.

Zur Wiesn ist es dann schon etwas zapfiger, kälter und die Körper etwas knackiger, heisser. Der Nippelständer ist dann eher aus der Kälte geboren als der sinnesfrohen, heissen Lust entsprungen.

So mancher denkt, dass er eigentlich Ganzjahreswiesn feiert, so dass sie nie zu Ende geht. Wir wohnen ja praktisch zwischen Braukesseln. Aber so einfach geht das nicht. Denn schließlich geht es darum, mit möglichst vielen Nationen um die Wette zu saufen. "Oane geht scho no." Und schwupps sind wieder Dutzende von Euros verbraten. Die der Einheimischen sind eine gefühlte Reinvestition, die der Fremden ein Lächeln wert.

Und genügend Mittrinker lassen sich nur mit einem saftigen Bierpreis aus aller Welt heranlocken. Erst was was kostet, is auch was wert. Das Opfer für die Götter ist nichts, wo man zu sparen anfangen sollte.

Kommen Sie mir nicht mit der Idee, dass es ja gerade die Ausnahme und jährliche Einmaligkeit ist, die den Reiz ausmacht. Bei Regen spricht man auch nicht davon, dass er den Sonnenschein erst so richtig sonnig macht. Oder wie Heinz Strunk in seinem erwähnenswerten Buch "Fleisch ist mein Gemüse" sehr ausdrucksstark argumentiert, dass die Steinzeit auch nicht desshalb zu Ende ging, weil die Steine ausgingen. Nur zahlt man nicht gerne das ganze Jahr über zehn Euro für die Mass, dazu braucht es dann schon den ganzen Klamauk und die stark erhöhte Wahrscheinlichkeit, bei so vielen besoffenen Geschlechtern auch mal zum Stich zu kommen.

Ich kipp mir die Biersuppe eh täglich fett rein, weil ich erst in der Masse wie einem überfülltem Biergarten oder Wirtshaus die bierselige Anonymität finde, wo die Gespräche zu einem rauschendem Gebirgbach und das Klappern der Teller und des Bestecks zu Vogelgezwitscher und Mühlengeratter mutieren, wo ich die Raum und Ruhe fnde, das Nichts zu denken.

Meine Rauschpersönlichkeit kann sich erst in diesem Meer der Gemütlichkeit voll entfalten. Bei jedem Prost am Nachbartisch reisst es mich aus meiner Verträumtheit und ich nehme erneut einen saftigen Schluck aus der immer frisch eingeschenkten Mass. Immer auf dem Weg zu neuen meditativen Sphären.

Das grosse Jahr hiess 1925, wo der Bierpreis bei 1 Mark lag. Ein schöner überschaubarer Preis. Vor zwanzig Jahren, 1994, waren es zehn Mark und dieses Jahr liegt der Füllpreis endlich bei 10 schicken Euronen. Genauso überschaubar wie 1925 und genauso unhandlich mit dem Trinkgeld. 20 mal teurer in fast 90 Jahren, also fast alle 5 Jahre doppelt so teuer. So möchte man verdienen, aber nicht wachsen.
10 Euro sind allerdings in Hinblick auf die zu erwartende Inflation im Grunde nichts. So kostete die Mass 1923 rund 21 Millionen Mark.

Bei den Essenspreisen ist das Hofbräuzelt insgesamt am billigsten, das Weinzelt am teuersten.

Im Weinzelt gibt es neben Wein nur Weissbier, den Liter für über 15 Euro. Aber wer auf einem Bierfest ins Wein- oder Kaffeezelt geht, was soll ich da noch sagen, ohne mit dem Strafgesetz in Konflikt zu geraten. Wovor sollte man solche Menschen wirklich warnen?
Sonst lohnt sich das Sparen von rund 5 Prozent pro Mass wohl eher nicht, in Anbetracht all dessen, dass man den Geldbeutel besser ausgibt, als ihn später im Saurausch zu verlieren.

Und obwohl es noch garnicht losgegangen ist, dürfen wir schon das erste diesjährige Wiesnopfer beklagen. Die Deadline einer Kuh .

the cowline is dead
Um der Schlachtung zu entrinnen, läuft man auch nicht unbedingt Richtung Ochsenbraterei. Auch als Kuh nicht. Denn genau hier wurde sie von der bayrischen Polizei niedergestreckt, dieser unerwünschte Wiesnbesucher, denn auch ihr Protest gegen den Milchpreis hat auf der Wiesn nichts zu suchen. Verpassen Sie bei Ihrem ersten Wiesnbesuch nicht ihren Opferaltar, Nähe Bavaria.
Und wie mir anwesende Passanten versicherten, verabschiedete sich die namenlose Kuh mit folgenden Worten.

Nicht längre Sitzung prüfe meine Schande;
Statt des Verhörs nehmt mein Geständnis an;
Unmittelbarer Spruch und schneller Tod
Ist alles, was ich flehe.

Angelo gesteht in Shakespeares "Maass für Maass"

Ich denke da eher an T.W.Adorno, als er Ferndinand Kürnberger mit "Das Leben lebt nicht mehr" zitiert. Naja, jeder siehts anders.

Das Schlusswort möchte ich der Masslosigkeit widmen. Das Mass, das zu halten so mancher nicht gewollt oder gekonnt, ist eine spätmittelhochdeutsche Mischform aus maze, dem Zu- oder Angemessenem, der Mässigung, und mez, dem Ausgemessenem, der Richtung, dem Ziel.
Angemessen weil ausgemessen, eben auch Mäßigung und dennoch ein Ziel. Weil man sich nicht mehr unters Fassl legt, sondern aus Humpen trinkt, die zu allem Unglück auch noch genormt und abzählbar sind. Nur in Bayern weiss man zur Nichtwiesnzeit nie so recht, ob es bei 6 Bier nun 6 Halbe oder 6 Ganze waren.

Die Mittelmass, die sogenannte auflaufbegremste Mass 2014 und als Bremsmodul der Bierpreis. Damit schaffen wir dieses Jahr weit über 7 Millionen Mass ohne dass auch nur einer ernstlich besoffen sein müsste.

Während man beim Bierpreis von Masslosigkeit sprechen kann, bleibt der Konsument vielleicht auch desshalb in seinen Schranken. Die Wiesn wäre also ein massgeregeltes Rauschedikt der bayrischen Staatsregierung.
Und dafür hat sie auch alles wieder ganz ordentlich an den Start gebracht.

"Die erste Maß auf dem Oktoberfest fließt am 20. September, wenn es in München wieder heißt "O'zapft is". Bis zum 5. Oktober werden zum größten Volksfest der Welt 6 Millionen Besucher erwartet. Im vergangenen Jahr tranken die Gäste mehr als 6,9 Millionen Maß Bier, soviel wie noch nie in den vergangenen Jahrzehnten." Münchner Merkur

Das wären dann, die Einheimischen dazugerechnet, genau eine Mass pro Besucher. Das nenne ich Mass halten. Hier sollten besonders nicht jene, die sich dieser Pflichtmass verweigern, mahnend den Finger auf jene richten, die dadurch so einige Mass mehr trinken müssen, die Bodentruppen der hartenlinie, die Pressbiertrinker und all jene, die sich dafür drei Wochen frei nehmen, die Schritt halten, um den Schnitt zu halten. Ich meine, nicht nur frei nehmen von Arbeit, sondern frei von Gehirn und anderen lästigen Hemmungen wie Sparen. Denn Letztere, die durch ihre 8 Mass erst das Mittelmass auf eine volle, ganze, bezahlte Wiesnmass hochtrinken und damit die minimal kaufbare Einheit von einem Liter pro Besucher ermöglichen, sind ohne Furcht und Tadel, wenn es um das Bier geht, doch voller Ehr am Tag danach.

Die eigentlichen Verursacher der Masslosigkeit sind die Nichttrinker.

Bodentruppen


prieditis am 19.Sep 14  |  Permalink
Ich bin schon ganz gespannt auf neue Impressionen bei "München spuckt"!!!

Sehr gerne würde ich mal eines dieser Fotos für ein Bild verwerten...

einemaria am 19.Sep 14  |  Permalink
Es ist ja der Moment und die Perspektive, Raum und Zeit, die man treffen muss, weniger das Spektakel insgesamt. Das wird nämlich ganz bitterlich dem letzjährigen gleichen.

Und dass die Fotos sich nicht im Grunde doch alle gleichen, würde ich Sie bitte bitten, Herr Prieditis, aber immer doch. Wenn der Dreck noch zu irgendwas gut ist. Nur zu.
Leider dürfen wir ja die Gesichtausdrücke nicht abbilden. Das eigentlich Interessante bleibt aussen vor. Wie viel diese Gesichter uns sagen, in ihrer Enthemmung. Die Ehrlichkeit, die plötzlich zur Wirkung kommt, wenn man sich auf so physo-psychologische Extremleistungen wie Kotzen oder Scheissen konzentriert. Vielleicht könnten Sie das etwas Licht ins Dunkel bringen. Das wär schön.

Denn Ihre politische Plakatserie ist mehr als beneidenswert. Wenn die KPD in ihrer gesamten Geschichte auch nur Annäherndes erreicht hätte, wir wäre heute freie Menschen.

einemaria am 20.Sep 14  |  Permalink
Wie bei medienethik.wordpress.com nachzulesen ist, bleibt uns im Grunde nichts anderes übrig, als all die Fotos in Bilder zu verwandeln.

Mit meinen Fotos dürfen Sie das auf jeden Fall.

prieditis am 21.Sep 14  |  Permalink
Aller
herzlichsten Dank!

Sie haben nun aber auch schon sehr schön illustriert. Grandios, wenn ich das mal so salopp sagen darf.

prieditis am 08.Okt 14  |  Permalink
Ui
Soeben sehe ich Ihren Nachtrag. Vielen herzlichen Dank für das Lob!

Hier der Link zu den politischen Plakaten:
http://prieditis.blogger.de/topics/Exkurs%3A+Politisches+Plakat/?start=10

und hier noch mehr
http://prieditis.blogger.de/topics/Exkurs%3A+Politisches+Plakat/?start=0

Die Bearbeitung der Fotos behalte ich im Hinterstübchen. Das Atelier ist zur Zeit eine Baustelle. Da geht grad nix.

einemaria am 08.Okt 14  |  Permalink
Vielleicht wärs eine nette Idee für die nächste Wiesn. Wir sind ja schliesslich ein Kunstprojekt und nicht einfach nur Paparazzis, die sich ne goldene Nase damit verdienen, wie die taz sich das so vorstellt.