Mission Control - Einführung in des Leben als Bauarbeiter
Im Alter wird man grau wie man an der Betonkarre alt wird, und somit auch grau, umhüllt von Zementstaub im Frühlingswind. Vermutlich wieder einer dieser wärmsten Jahrhunderttage Anfang April. Der Schweiss brütet wie Klebstoff auf der Haut. Er wirft Blasen bis er als Tropfen in der staubgeschwängerten, durstigen Luft verdunstet, ehe er in den noch viel staubigeren Boden fällt.

"Wenn ich schaufle, dann bin ich Schaufel," hat einmal ein weiser Mensch gesagt. Ich schaufle und mische, mehr weiss als weise. Das Rundherum wird bestrahlt von der Sonne, die durch den Staubnebel bricht, den Blick trüb vom Zementschleier, stehe ich an der Betonkarre.

Die Baustelle braucht meine Mischungen. Weil wir nicht vom verbrecherischem Baugewerbe sind, mischen wir, also ich, noch im Schubkarren, zum Rühren die Kreuzhacke, von der man bis heute nicht weiß, wessen Kreuz sie zerhackt. Zement und jetzt gerade Quarzsand im Verhältnis 4:1 und heute mehr Wasser, weil der Sand zundertrocken ist, um es anschließend mit der Kreuzhacke durchzustochern bis es "druckert" oder "lind", saftig grau, so richtig fett oder pudeltrocken ist.

Noch zwei Karren Fertigbeton werden gewünscht, wie es mir die Steinklopfer in ihrer zarten Sprechweise zu verstehen geben, und ich schaufle, schütte und hacke das Zeugs mit dem schwarzem Kreuz auf rotem Dreieck. Mission Control! Jedem das Seine, in jeder Körnung von 0 bis 3200, von Schotter bis Brechsand, mit den leckersten Zutaten wie Zement und Kalk, vom Putz bis ins Schotterbett. The human Mischer.

Und dass sich an all den Zementstaub auch wirklich was anhaften kann, gehts zwischendurch zum Steineschneiden. Mit diamantbesetztem Stahl gegen Beton und Granit. Und weil die Flex eben ein Winkelschleifer ist, nimmt sie beim Schliff Material mit. Gesteinsmassen, die sich förmlich in Luft auflösen. Unter Kennern: Fog - Nebel des Grauens. Mir unerklärlich, warum da neben Gehörschutz und Schutzbrille laut Katalog eine Atemschutzmaske der Klasse 1 ausreichen soll.

Der Todesstaub

Von der Wohnungstür bis ins Wohnzimmer und zurück ins Bad führt eine graue Spur, ein Gehweg, sozusagen der zementierte Feierabend. Wenn ich mal Glück habe und vor Sonnenuntergang nachhause komme, sehe ich die leuchtenden Kleiderberge am Horizont meiner Wohnung, sortiert nach schmutzig, geht noch und divers. Und dazwischen wirkt der ehemalige Schmutz nun wie handverlegtes Betonpflaster. Ich würde sagen, mein Wohnzimmerbelag ist inzwischen frostsicher, nur vereinzelt scheint hie und da noch der der alte Flokati-Teppich durch.

Das war nicht immer so. Erst seit ich meiner Frau gekündigt habe, ehe mich die Firma wegen meiner Frau kündigt.

Ob ich das Unkrautvlies bei Aldi im Angebot schon gesehen hätte, oder ob vielleicht die Kollegen auch eines wollten. Sie könnte es gleich mit reinpacken.
So was geht nicht. Auch wollen meine Kollegen nicht zu uns zum Grillen kommen. "Bring doch mal paar mit." "Paar gleich?" sag ich noch, "wenn du wüsstest, was die den lieben langen Tag so von sich geben." Wie: Deine Alte ist so fett, die fällt auf beiden Seiten gleichzeitig aus dem Bett. "Willst du das mal nen Abend lang beim Grillen dir reinziehen. Witze, dass Tiefbau noch hochgestapelt wäre. Neee, an dem Abend unternehm ich dann was mit Freunden."

Und zwischen den Witzen wird der Geith to the Universe durchgearbeitet, Tool Talk, die Lithurgie des Kleinhandwerkers im Münchner Osten, der Geith-Baustoffhandel-Katalog. Listenpreise werden wie Körbchengrössen gehandelt.

Und nachdem man sich dem erschreckenden Ende der Bierkästen nähert und alle Arbeitsunfälle schon runtergeleiert, kommen die Heldengeschichten auf den Tisch. Leicht veränderte Gerhard-Polt-Versionen wie die von den acht Metzgern auf der Wiesn und dem Zwetschgenmanderl, deren Sorte man in unserem Berufsfeld Baustelle auch öfter mal am Bauzaun trifft. Niederes Volk, das einen T20-Schraubenzieher nicht von einem Kreuzschlitz unterscheiden kann. Vermutlich Volk in Lohnarbeit, am Schreibtisch. Rein waffentechnisch sind wir Handwerker da meistens in der besseren Position als diese Stempelkissenpfurzer hinterm Bauzaun. Wir haben die größeren Hämmer und Bagger, das rostigeren Autos, zumeist weniger Hirn und seit Neuestem auch eine Berufshaftpflicht.

Auf jeden Fall hatte meine Arbeit irgendwann die Schnauze voll von den ständigen Anrufen und Annäherungsversuchen meiner Frau. Und so habe ich ihr jetzt gekündigt. Warum man da mit Trennungsjahren anfängt, ist mir unerklärlich. So ein Trennungsjahr wär mal interessant in der Berufswelt - im Privaten eher störend.

Von der Kohle, die ich jetzt mehr (und sie weniger) habe, kauf ich mir als allererstes, als Ehefrau-Ersatz einen Geschirrspüler. Wir sehen und staunen, DER Geschirrspüler. Weil DIE Waschmaschine hab ich ja schon.
Ich find das schon dramatisch und in der Steuererklärung entsprechend erwähnenswert, dass es noch keine Bauduschen gibt, die die Kleidung gleich mitwaschen. Mit diesem Problem hatten wir doch seit eh und je zu kämpfen. Zurück von der Jagd, blutig wie das erbeutete Schwein von oben bis über den Lendenschurz runter. So will man doch nicht beim Abendessen erscheinen, da wird man am Ende noch mitgegessen. Doch in meinem Staubfang, in meiner Höhle wohne ich nun alleine, ohne Frau, und da dies auch die maximale Form der Verhütung darstellt, auch ohne Kinder.
Und wenn ich einsam bin, leg ich mir den Stiehl-Akku-Bläser mit in die Heier.

Mit meiner Hilti könnte ich mir sogar nochmal Kinder vorstellen ;)