Mumbai - Maerz 09
Guten Morgen Deutschland und der Rest,
es ist kurz vor elf und ich habs schweissgebadet in meinen Internetshop geschafft. Mumbai ! Abgeraten hat mir ja jeder, jetzt bin ich hier und es ist bei weitem nicht so schlimm, wie es beschrieben wird. Es erschreckt mich fast, wie wohl ich mich fuehle.
Entgegen allen Erwartungen ist das Hotelzimmer zentral gelegen und kostet gerade mal 6,5Euro. Selbstverstaendlich ohne Aircondition, ohne Mosquitonetz, ohne Fernseher und ohne Dusche, Toilette am Gang. Die Luft hier ist miserabel, aber dass sie so schlecht ist, dass ich ohne Mosquitostiche aufgewacht bin, haette ich nicht gedacht (Mexico City das gleiche). The Mosquito already dies in the suburbs. Der Schlaf hat sich schon um 6 Uhr verabschiedet, nicht etwa wegen der Totenstille auf den Strassen, sondern weil mich gestern schon abends die ersten Schluck "Knock-Out"-Bier von den Socken gerissen haben. Ich habs nicht freiwillig getrunken. Nur gab es ansonsten einzig das Kingfisher-Bier und das krieg ich nicht runter ohne eine Wuergereflex.
An Kaffe war um die Uhrzeit noch nicht zu denken - das mit der Totenstille ist schon ernst gemeint. Da ist in Puchheim um die Uhrzeit mehr los. Also ein wenig lesen und waschen. Asienreisende werden das System kennen: ein Wasserhahn, ein grosser Eimer und ein Becher zum drueberschuetten. Ich finds sehr effektiv. Auch das Abwisch-system auf den Toiletten find ich jetzt nicht so schlecht. Warum ich aber zum Essen nur die rechte Hand benutzen soll, mit der ich den ganzen Tag Tausende von wurmstichigen, leprakranken, kretzeverseuchten Haenden schuettle, das leuchtet mir nicht wirklich ein.
Endlich halb Acht ordere ich beim Zimmerservice meinen Guten-Morgen-Kaffee (30Cent). Im ganzen Hotel riecht es als haette ein Brandanschlag mit Raeucherstaebchen stattgefunden. So war das wohl vor jahrhunderten auch bei uns so. Nicht waschen, aber einen Haufen Parfum drauf.
Der Hygiene-Aspekt ist hier wohl unter einem anderen Blickwinkel zu sehen. Es wird mehr geklopft, als gewischt. Fensterputzen findet nur im hoeheren Einkommensbereich statt. Noch kein Hotel bisher, das jemals seine Fenster geputzt haette. An Orten, die den Augen nicht augenblicklich zugaenglich sind, wird prinzipiell nicht geputzt, auch nicht geklopft. So kommt es auch, dass die angeblich professionell frisch gewaschene Unterhose, jetzt schwaerzer ist als zuvor.
Der Tag koennte jetzt beginnen ... wenn das nahegelegene Internetcenter nicht erst um 10 aufmachen wuerde. Also wandere ich etwas ziellos durch die Strassen zwischen Colaba und Fort, vorbei an der Boerse, und suche das schier Unmoegliche. Einen Kaffestand neben einem Zigarettenstand, um beides zugleich zu konsumieren. Im Allgemeinen ist unter Strafe nicht gestattet auf der Strasse und in den Kaffees/Restaurants zu rauchen.
Ich lese gerade "The White Tiger" und kann nur bestaetigen, was da geschrieben steht. Es ist ein wenig wie im Mittelalter, jeder verrichtet geduckt das ihm zugeteilte Schicksaal. Die Strassenkehrer, die Wassertraeger und was es sonst noch so an Kasten gibt. Stillschweigend schleppt, buckelt und kriecht jeder wie es ihm zugeteilt ist. Und wenn ich dann die Horden von jungen Maennern an den Strassenraendern sitzen sehe, einige die Stellenanzeigen in der Hand, andere ganz geschaeftig an ihren - ich vermute zumeist fast Fake-Handys, dann wird klar, dass das Heer der Arbeitslosen die eiserne Hand ueber den Unterbezahlten und Ausgebeuteten ist.
Es ist halb neun und schon kriechen die ersten Schweissperlen in meinen Nacken. Zum Glueck schwitzen selbst die Locals hier.
Endlich angekommen an meinem Best Coffehouse - weil man danbensitzen und rauchen kann - sitze ich mehr oder weniger im Wohnzimmer von zwei Grossfamilien, die den von Betelnuss verspuckten Gehsteig ihr zuhause nennen. Aber ich darf sitzen ohne Miete bezahlen zu muessen, werde noch nicht einmal angebettelt. Es lassen mich die meisten ungeschoren ziehen, vielleicht auch weil ich lange Hose und ein Hemd trage, ganz geschaeftig auch noch die India Times unterm Arm.
Fruehstueck waere auch angesagt, aber das Angebot entspricht nicht meinen Vorstellungen von Nahrungsaufnahme. Ueberbackenes Gemuese und undefinierbar beschmierte Broetchen sind fuer mich Ausdruck einer eingestandenen Niederlage des geschmackvollen Lebens. Na, dann mal weiter etwas Sightseeing. Runter zum Gateway of India, der mit dem Arc de Triumph soviel zu tun hat wie der Haupteingang vom Pasinger Bahnhof. Noch dazu ist er eingeruestet (siehe Facebook-Fotos). Ich vermute, dass mit dieser Massnahme verhindert werden soll, dass sich neue Feinde ins Land schmuggeln. Gleich daneben das Taj Mahal Palace Hotel. Auch hier wieder ein anderer Eindruck fuer mich, als ihn die Reisefuehrer vermitteln moechten. Es sieht eher aus wie abgestandenes Lagerhaus aus der Kolonialzeit. Da bin ich schon froh ueber mein kleines 400-Rupee-Zimmer.
Es wird waermer und im Nacken naesser. Rueber in den Internetshop. Siehe da, mein Ticket von Mumbai nach Thailand und zwei Wochen spaeter zurueck nach Kalkutta ist bestaetigt. Na also, liebes Indien, du kannst mich jetzt erstmal mit deinem Essen. Hatte bisher zwar keine Magenprobleme, aber ab jetzt gibts dann Thai-Kueche, so scharf, dass man anschliessende eventuelle Magenverstimmungen garnicht mehr mitbekommt. Freitag nacht gehts los, Samstag morgen dann Bangkok. Soll ich wirklich in die Kao-San-Road ? Das Schicksaal und eure Tips werden mich fuehren.
einemaria am 22. Juni 10
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