Final Destination Ghana Nov 09
ihr habt es also geschaftt in die Endrunde: Final destination Ghana.
21.11.09 Kumasi, Sanbar Hotel, vor dem Zimmer flattert die deutsche und die EU-Flagge. Leichter Durchfall, der rote Staub des Harmattan klebt wie ein Koss im Hals, das Schienbein schmerzt vom Fehltritt in einen der Abwasserkanaele und ein Teil vom Schneidezahn ist abgebrochen. An ausreichend Schlaf ist nicht zu denken, was mich zum ersten der drei Kulturtypen Kumasis bringt.
Der Tag beginnt morgens um 7 Uhr mit dem 180-Dezibel-Kulturtyp, 2 anglikanische Strassenprediger, weisses Hemd in der Hose, Mikro in der Hand, die uns Schlafenden die Liebe Gottes in einer Sprache erklaeren, die eher dem Aufruf zum Genozid gleichkommt. Aggressives Bellen und mit einer Gestik, um die ihn Herr Hitler nur beneiden koennte, schreien sie sich gegenseitig nieder. Wo man hinsieht die Formeln einer missgeleiteten Gehirnfunktion "God Savior", the Church of Holy Awakening, Presbytianer, Seminare zum Umgang mit Verfluchungen. Die Waende zugekleistert mit Todesanzeigen unter Titeln wie "Call of Glory" "Call Home" - sollte es mich hier erwischen will ich auch ein paar Poster mit dem Titel "Call of Duty 3b". Und weil es mit dem evangelischem Wahn noch nicht genug ist, packt sich in den ganzen Wahn auch noch ein fetter Klecks Naturreligion. Salif Keita (Albino-Musiker aus Mali) hat eine Vereinigung zur Hilfe von Albinos gegruendet, deren Gliedmassen+Ohren+Zunge in Tansania und Burundi derzeit fuer 50.000 Euro an den Mann (witch doctor) gehen.
Der ganze Wahn legt sich so Richtung Mittag und Kulturtyp II rueckt mehr in den Vordergrund. Die Ashanti-Kultur. Eher ruhig, weil auch nicht mehr viel davon uebrig ist, mit vielleicht 5 Dezibel, fluestert mir der Shopbesitzer seine Kaufangebote ins Ohr. Ein Museum und ein paar Holzmasken rund um die Touri-Bars, sowie die grosse Goldmine in Oubasi.
Das eigentlich Aequivalent der Gegenwart ist wohl der Markt in Kumasi - wieder mal einer der groessten in Westafrika. Ganze Gassen mit ausschliesslich Raeucherfisch und Obama-Keksen, Kasava wurzeln und Obama-Schlappen, chinesische IPods und kilometerweise Staende mit deutschen Kleiderspenden, erkennbar an ihrer Verpackung, deutschen Zeitungen der Jahrgaenge 2005-2008. Im Vergleich zu den massiven Stroemen in den engen Gaesschen ist Indien eigentlich menschenleer. Eine Richtungsaenderung oder gar ein Anhalten muss mit Bedacht und grosser Vorraussicht geplant werden, um nicht ueberrollt zu werden. Soviel zu der Frage nach den Zitronen: ich konnte sie bisher nur aus dem Augenwinkel beaeugen, die Chance sie zu beruehren war mir bisher nicht gegeben - sie sind auf jeden Fall schon geschaelt.
So verlaeuft der Nachmittag sich im Gewusel bis sich der Hunger zwangsweise durchringt und ich betone: zwangsweise. Mit dem Essen verhaellt es sich wie schon in Indien. Gutes indisches Essen in Deutschland, sprich gutes afrikansiches Essen in Deutschland. Die Standardantwort auf die Frage: Whats the best food you got? kann ich mir inzwischen selbst beantworten: rice and fried chips. Mit etwas Glueck laesst sich dann noch ein trockengebratener Huehnerschenkel oder ein todfrittierter Fisch ergattern. Wir essen inziwischen mit Vorliebe im Dunklen. Weniger sehen, mehr schmecken. Erwaehnt sei hier allerdings das "FanChoco"-Eis, eine der ganz grossen Erfindungen Ghanas - das allerdings die meiste Zeit "short" ist. Fanta cocktail gibts seit Mali schon nicht mehr. Das Bier hat inzwischen von Gazelle ueber Flag bis zum Star-Bier bewechselt, grosse Geschmacksunterschiede sind auch hier nicht zu verbuchen.
So neigt sich der Tag - hier in Ghana wieder mit einer Sonne die sich im roetlichen Dunst des Harmattan bis zur Unkenntlichkeit dezimiert. Und zu spaeterer Stunde tritt nun Kulturtyp III in Erscheinung - fuer Eingeweihte "Kulturtyp FarCry II". Ein eiskaltes Star-Bier unter der angeschimmelten Veranda - aufgrund des morgendlich zugefuegten Gehoerschadens wieder begleitet von 180-Dezibel-Gangsterrap. Auf den Strassen gleiten nun neue Jeeps und brandneue Mercedes (alle mit Stern - warum auch nicht). Die Musik kommt viel aus der Elfenbeinkueste und Kongo. Persoenliche Empfehlungen sind: DJ Arafat, DJ Zidane, Josip et Flanzy, die Sabar-Taenze aus Senegal, "Dimanche a Bamako" von Amadou & Maria - check on youtube. Dass das ganze nicht nur Jugendgangster-Charakter hat unterstreichen die Zeitungsphotos von abgehackten Armen und Strassenschlachten mit Schnellfeuergewehren und Schrotflinten hier in Kumasi. Oder die Tatsache, dass im November in bei Gao/Mali ein Transportflugzeug aus Suedamerika abgestuerzt ist, dessen Ladung 10 Tonnen Kokain dann auch schnell wieder weg waren. Ab 22 Uhr sind ganze Stadtteile hier wie in Bamako oder Ouagadougou eher ein Open-Air-Puff als eine Abendveranstaltung.
Sind nun in Cape Coast angekommen und schon sieht die Sache wieder anders aus. Meer und Sonne, Hummer und Kolonialbauten. Life is good again.
einemaria am 22. Juni 10
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