Samstag, 5. September 2020
Täter oben, Täter unten. Jene, die die Fahne tragen, sind selten die, die sich die Sache hinter der Flagge ausdenken. Dazu die Befragung im Auschwitz-Prozess 1965 des SS-Unterscharführers Oswald Kaduk, die äußerst "tief" blicken läßt. „Wenn ich an Herrn Staatssekretär Globke denke, frage ich mich, warum wird mit zweifachem Maß gemessen." Hans Josef Maria Globke, der rechten Hand Konrad Adenauers. Wo sitzen denn nu die neuen rechten Hände?

(Dazu auch interessant Gaby Webers neueste Doku "Ewig Geheim - Kollateralbelastung Demokratie" ;)
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Freitag, 4. September 2020
Ein Zustand ist das
schon lange nicht mehr. Es ist eine Zumutung. Wer ist nur zuständig für diese Zumutung?

Reichskriegsflaggen auf den Stufen des Reichstags. Nowitschok, das tödlichste Nervengift, das bisher noch niemanden ausser seinen Erfinder umgebracht hat. Ein historischer Wirtschaftseinbruch von altmeierschen 5,8 Prozent.
Ich sage immer, eine Zivilgesellschaft ist grad mal so gut wie ihre öffentlichen Toiletten. Die Zeit wird wie die Telefonzellen, Briefkästen und öffentlichen Toiletten immer weniger, der Ton immer schärfer und das Geld immer mehr - Letzteres leider für immer weniger.

Ich aber darf mich zu den Krisengewinnern zählen. Ich bestreite meinen Lebensunterhalt, indem ich meine ältere Schwägerin bis zu ihrem Lebensende vögle. Ich lebe sozusagen von der Rente meines Schwagers Peter, von all seinen monatlichen Rentenbeiträgen, für die er so hart im Betonwerk geschuftet hat. Ich lebe somit, Frau und Erbe zusammengenommen, vom Lebenswerk meines Schwagers. So falsch kann das nicht sein, denn auf die Art und Weise habe ich zumindest schon mal ihn und seine Zementlunge überlebt. Und es würdigt die Schaffenskraft meines Schwagers nachträglich. Es bauen auch die wenigsten ein Haus, dass dann niemand darin lebt.

Mit all der wenigen Zeit, von der ich als Sekundärerbe nun allzuviel habe, fische ich mir ab und an billige Bücher aus den Gratisbibliotheken der wenigen verbliebenen öffentlichen Plätze. Und da fiel mir "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" von Thomas Kuhn in die Hände. Nun ist es keine große Wissenschaft, die momentanen Umbrüche zu erfühlen. Das Haager Kriegsrecht hat sich in seinem Heimatort verschanzt, weil es anderswo schon lange gemeuchelt und zerbombt worden wäre. Afroamerikaner wollen neuerdings nicht mehr erschossen werden. Viele 'Abhängte' - hätten sie doch nur einen Schwager wie den meinen gehabt, wäre das nicht passiert - entdecken nach einer geisterhaften Bildungsattacke eine Verfassungsleere, die wie ein schwarzes Loch in der Mitte unserer bundesdeutschen Seele schlummert. Und weil Aufklärung in Zeiten wie diesen eben irgendwie fad und unverkäuflich wird, versteift sich die Presse mehr und mehr auf ihr materielles Kerngeschäft, die Information, die sie in Form von Kundendaten und -verhalten dann an Gott und die zahlende Welt verscherbelt.

Und als hätte man es herbeigetet, bietet plötzlich ein dahergelaufenes Virus die Möglichkeit zum Paradigmenwechsel. Wer das nicht nützt, dem hilft aus kein früher Tod eines Schwagers aus dem Betonwerk. Massenentlassungen, die die altmeierschen 5,8 Prozent wie vier Stellen hinter dem Komma wirken lassen. Überwachungsapps und Listen über Restaurantbesuche schnappen da dem Bundestrojaner die besten Plätze weg. Erst der Krieg gegen die Drogen, dann gegen den Terror und jetzt gegen das Virus. Ein Krieg für den Frieden wird das nicht werden.

Da kann ich nur hoffen, dass mein Schwager Peter auf dem Fels seines Hauses auch ähnlich viel Zement verwendet hat wie für seine Lunge.
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Sonntag, 23. August 2020
Das Kapital schlägt durch
Diesmal auf den Bereich der Legislative.

Ein Interview mit dem Politkwissenschaftler Ulf Mauser über die Umwälzungen auf dem Politikmarkt.

Es war nicht anders zu erwarten. Früher oder später würden die Sparmaßnahmen auch in der Politik Einzug halten. Dass auch der Bürger als Privataktionär des Staates sein Stimmrecht einklagen würde, wurde von vielen Experten bereits lange erwartet.

"Wer zahlt, schafft an," fasst es Polikwissenschaftler Ulf Mauser zusammen. "Der unwesentliche Beitrag zum Einkommen von Politikern durch Kickbacks, Bargeldzahlungen und die Versprechen von Posten im Vorstand nimmt sich neben den Steuerabgaben im Grunde winzig aus. Seit nun auch Unternehmen vor dem Gesetz nicht mehr als natürliche Personen erachtet werden, hat das Stimmgewicht der Bürger erheblich zugenommen."

Dass die Wirtschaft zusammenbricht, wie ursprünglich von Medien und Betroffenen prophezeit, hat nicht stattgefunden. "Solange es gute Ideen gibt, wird sich der Markt immer wieder füllen. Für Leute, die sich auf Kosten anderer Fantasiegehälter zahlen oder durch Marktspekulation und - manipulation Millionen einstreichen, ist es natürlich mehr als unangenehm geworden. Dem Markt aber macht das nicht nur nichts aus, es belebt ihn vielmehr," so Mauser.

"Die versprochenen blühenden Landschaften kamen mit etwas Verspätung, doch seitdem die Beschäftigten Anteilseigner ihrer Unternehmen geworden sind, ist sich die Wirtschaft hierzulande aus einer billigen, muffigen Kaschemme zu einer geselligen Volkswirtschaft gemausert," witzelt Mauser und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Ein konsequentes Nebenprodukt dieser Entwicklung sind die neuen Arbeits- und Werkverträge auf dem Feld der Politik. Probezeit und Zeitverträge, sowie die Auflösung des herkömmlichen Parteienfilzes und seiner nicht mehr zu übersehenden Verschmelzung mit Konzernmultis und Großkapital waren mehr als überfällig. "Im Spätkapitalismus bekam man ja auch keine Arbeitsstelle nur weil man bei der Gewerkschaft war."

"Dass wir heute Experten, Minister und Abgeordnete aus aller Welt einkaufen, hat nicht nur den Vorteil, dass man sie morgen wieder heimschickt, wenn sie sich wie schlechte Hausbedienstete aus der Speisekammer oder dem Geräteschuppen bedienen als wäre es ihr eigener. Ich frage mich, wie wir nur so lange die Steuergelder Leuten in die Tasche schieben konnten, die nicht für ihren Geldgeber, den Bürger, sondern für ein Clique von dunklen Hintermännern und sich selbst gearbeitet haben. Abgeordnetenrente mit 45, einen Vorstandsposten und ein dickes Sümmchen bei einer Stiftung in Lichtenstein. Wie soll man das jemandem erzählen, der 39 Stunden lang für weniger als 1500,-€ die Drecksarbeit erledigt."

" Es wäre auch nicht klug, das Lohnniveau unserer Volksvertreter auf Niedriglohn abzusenken. Gute Professoren und Spezialisten aus Wirtschaft und Wissenschaft bekommt man schließlich nicht für nen Appel und ein Ei. Dafür schreiben wir Posten für Staatssekretäre und andere Staatslenker auch nicht mehr für Profipolitiker aus, die nichts anderes gelernt haben als Mehrheiten für ihre nächste Wiederwahl zu bilden. Es schadet nicht, wenn Verkehrsminister mal in einem Verkehrsbetrieb gearbeitet haben oder Wirtschaftsminister aus dem Handwerk kommen. Die Antwort darauf, warum wir ehemals so viele Juristen in Amt und Würde hatten, das überlasse ich Ihrer Fantasie. Ich möchte da nur auf das endlich überkommene Rechtsverständnis der Politikerzunft aus jenen schmierigen Zeiten verweisen, wo Steueroasen noch mit Brunnenwasser der Industrienationen am Leben erhalten wurden. Es war ja nicht die Bank der Bahamas, sondern unsere eigenen Groß- und Staatsbanken, die den Kapitalabfluss gesteuert haben. Und die saßen bekanntlich ja an stabilen Orten wie Guernsey, Delaware oder den Niederlanden.
Ich stimme Herrn Adorno nicht zu, wenn er sagt: Mundus vult decipi - die Welt will betrogen sein. Das mag für Krebskranke stimmen, nicht aber für unser Gesellschaftssystem. Ich denke, der Mensch ist reif für die Aufklärung. Und das schon seit 1633."
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Donnerstag, 6. August 2020
Die Welt der Möglicheiten
So. Es hat ein wenig gedauert, bis ich mich seelisch und körperlich auf diesen Artikel vorbereitet hatte. Dem voraus gingen Irrfahrten in die Welt der Nachrichten, eine Odysee durch den digitalen Blätterwald, ein paar Spaziergänge an Bergbächen und ein Ausflug nach Berlin. Harte Fakten sind nicht mehr so leicht zu finden, so durchsetzt wie wir sind von Mikroplastik und Weichmachern.

Berlin, Großdemo gegen Corona oder gegen die Freiheitseinschränkungen ohne Corona oder was auch immer. Ich war da! Gestorben wäre ich allerdings kurz darauf, als ich von der angeblichen Anzahl gelesen hatte und mich fast der Schlag getroffen hätte. Man spricht von 17.000 bis 1.700.000 Teilnehmer*innen. 1.August 2020. Ich seh nochmal nach auf meinem Zugticket, auf meiner Hotelbuchung. 1.8.2020. Meine Koronargefäße kontrahieren sich in einem bedrohllichem Maße. Ich kann bei den entzückenden Bildern des Virus keinerlei Ähnlichkeit zu einer Krone erkennen. Eine Krone, die rundherum Zacken hat? Vielleicht die Dornenkrone? Für mich sieht es aus wie eine Seemine. Und zwar genau wie jene, die auf dem trüben Teich unserer Wertegemeinschaft treibt.

Ich sehe mir nochmal die Fotos von meinem Berlinaufenthalt an und muss feststellen: Da war keiner.
Die angeblichen Fakten und das Abbild der Realität auf meiner Retina stimmen in keiner Weise überein. Wie Joscha Bach in 35c3 - The Ghost in the machine sagt: "Das Vertrauen in einen Glauben muss der Beweislast entsprechen, die diesen Glauben stützt." Sein Versuch, die singuläre Herangehensweise von Individualismus und Materialismus - siehe Kowalski - Der Körper bin ich - aufzulösen, birgt für mich ein wenig Seelenfrieden.

Mit dem funktionalistischen Weltbild eines Joscha Bach ist für mich die aktuelle dissonante Weltpolitik mit des Kaisers neuen Kleidern um einiges erträglicher.
Ein aus den Fugen geratener Weltpolizist beschlagnahmt iranisches Öl in internationalen Gewässern, verbietet eine Nordstream-II-Pipeline und will TikTok verbieten. Wie Elon Musk das in Bezug auf den Putsch gegen Evo Morales sehr treffend bemerkt hat: Wir werden putschen, gegen wen immer wir wollen. Ganz besonders, wenn er dadurch billiger an das bolivianische Lithium rankommt.
Des Kaisers treue Untergebene bewundern die Kleider des Kaisers und verscheuern und verspahnen in exponentieller Geschwindigkeit alles, was ihnen garnicht gehört. (Während sich ein Herr Spahn eine 4-Millionen-€ Villa kauft, um dem Volk nicht so nah zu sein. Es stört ihn, wenn er auf der Straße auf seine Politik angesprochen wird. Das nennt sich heute Volksvertreter.)
Was früher noch unter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde, steht heute auf den Titelseiten. Wo man früher die Banken der Mittel- und Unterschicht leergeräumt hat, wartet man heute garnicht mehr bis das Geld auf der Bank landet, sondern räumt es nun schon unter den Kopfkissen raus.

Nachdem mit der letzten Tonnenleerung Moral und Anstand auf die Müllberge verfrachtet hat, nachdem eventuelle Proteste nicht mehr zu befürchten hat, sondern sich nur noch darum sorgen muss, dass das verschossene Tränengas nicht wie in Portland das Grundwasser verseucht, nachdem die letzten Bürgerrechte so weit verbogen wurden, dass sie gebrochen sind, kann man die Fassaden der Demokratie gleich umgestalten zur Arena der Gladiatoren.

Während wir uns noch Gedanken darüber machen, ob wir nicht besser mehr auf Solar- als auf Windkraft setzen und ob die massive Einführung des Elektroautos vielleicht nicht nur ein Verkaufstrick ist, bereiten sich andere schon auf ein Mad-Max-Szenario vor und sammeln sich mit freiwilliger unfreiwilliger UnterstützungWaffenarsenale zusammen.

Wir sind hierzulande in der wunderbaren Superposition, über mehrere Generationen keinen Krieg erlebt zu haben, uns keine Sorgen machen zu müssen, dass abends Essen auf dem Tisch stehen könnte, von Terroristen oder Militärs verschleppt zu werden oder wie Pompeji unter Lavaasche begraben zu werden. Dennoch bemerken wir, dass das untere Lohnniveau sinkt, dass wir immer weniger für immer Mehr zur Verfügung haben, dass die Politik mehr und mehr eine Interessensvertretung der Großkonzerne wird, dass sich unsere Gesellschaft entsolidarisiert und polarisiert.

Aus jeder Bewegung entsteht glücklicherweise eine Gegenbewegung. So kann man hoffen, dass es auch mal wieder solidarischer wird. Sollte aber mal die Wellenfunktion kollabieren, sollten wir uns nicht wundern, wenn wir wie aus dem Alles vor dem Nichts stehen. Noch ist die Fassade intakt, aber vielleicht ist des eben schon die Fassade der Arena.
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Sonntag, 19. Juli 2020
Ein Steinboot fährt spazieren
Urlaub mit den Kindern mitten in der Natur. Das ist es, was das Leben ausmacht.

Wenn die Kinder schon vor dem Hahn krähen, realisiert man, dass Kinder eben auch ein Teil der Natur sind.

Der Holzwurm mit seinen subtilen Knabbergeräuschen wirkt geradezu einschläfernd nach dem allabendlichen Gezanke und Geschrei. Endlich das Zirpen der Grillen und das Rauschen des Baches.

Oder sind sie nochmal heimlich aus den Betten gehuscht und simulieren den Bergbach im Bad?

Sind es die letzten Mond- oder die ersten Sonnenstrahlen, während der Hahn und man selbst noch dämmert? Eine Seelenruhe, die ein latentes Geräusch im Hintergrund offenbart. Ein Schleifen, ein Kratzen, links hinten. Und es dauert nicht lange, bis klar wird: ein Steinboot fährt spazieren.

Es ist die gestern am Fluss erbeutete Schieferplatte, die mit der rauhen Oberfläche über Holz gleitet. Die Schieferplatte und - man darf bei letzterem fast von einem glücklichem Zufall sprechen, dass es sich nicht um Granit handelt - die anderen Sandsteinplatten. Das historische Interesse der Kinder ist nur halb erbaulich, während sie frühmorgens die Seeschlacht von Salamis auf dem Kirschholzfurnier des Wohnzimmertisches nachstellen.

Die Natur ist grausam. Ein Kommen und Gehen.

Fressen

und gefressen werden.

Ein Entstehen

und vergehen.

Beides in sich wunderschön.

Letzteres besonders, wenn es einen nicht selbst trifft.

ADHS, das kannte man in meiner Jugend vermutlich deshalb nicht, weil wir einen Großteil unserer Zeit ganz ohne Aufsicht gespielt und gestritten haben, weil wir nicht von Habichtsaugen bewacht

von Bäumen und in Brennesseln gefallen, in Bienen auf Dächer gestiegen sind. Unsere Schandtaten blieben unentdeckt und somit ungesühnt. Als Aufmerksamkeitsdefizit habe ich es nie empfunden. Und das Leben ohne Erwachsene war stets hyper. Hypo wurde es erst bei den Hausaufgaben und beim Abendesssen.

Trotzdem hat sich die Sorge auch in mein Gehirn gezeckt und mich kann nur die statistische Herangehensweise ein wenig beruhigen. Wieviele Kindern sind denn hier schon in den Fluss

oder von Nachbars Blechdach gefallen? Wieviele wurden von den allgegenwärtigen Hornvipern gebissen? Keines.
Dafür können die Älteren bereits Fische mit der Hand fangen, wissen dass der Traktor immer bergab fällt und auch rückwärts fährt,

und halten sich von den Löchern in den Natursteinmauern - den Kleinen kann man das gut mit Drachen erklären

- und Holzmaschinen fern.

Und ich habe gelernt, dass ein Holzwurm garnicht so alt wird, dass er dem Balken wirklichen Schaden zufügen kann. Ich lebe mehr im Einklang, seit ich die Hälfte der Ernte der Marillen den Siebenschläfern,

die Hälfte der Johannisbeeren den Vögeln und die Hälfte des Salates den Schnecken zugestehe.

Nur die Mäuse werden niemals die Hälfte meiner Küchenvorräte bekommen. Niemals!

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Montag, 6. Juli 2020
Wissen Sie was,
man darf das Virtuelle nicht füttern, wenn es brüllt und seine unappetitlichen Grabscher nach einem streckt. Und es war ein großer Schritt ins Virtuelle. Für die Hälfte. Für die andere Hälfte, jene, die noch nie ein Smartphone bedient haben und immer noch Zeitung lesen, für Menschen, die noch Wählscheiben bedienen und Kontoauszüge mit der Post bekommen, war es ein Abschied. Ein Abschied von denen, die diesen Schritt gehen wollten.
Es ist die Scheidung von Wirklichkeit und Schein, die Trennung von Gegebenheiten und Genommenheiten.
Die Frage ist nur: wem wurde gegeben und wem genommen.

Wer nicht mit von der virtuell voranschreitenden Partie war, dem war erstmal vieles genommen. Kein Schulunterricht, sehr eingeschränkter Konsum, kein Arztbesuch, überhaupt kein Besuch. Während denen, die bereit waren, sich von der Wirklichkeit zu verabschieden scheinbar das Meiste zu Füßen lag. Home Office, Online Bestellungen, Arztbesuche und Besuche ganz allgemein über den Videochat.

Lilienhähnchen
Ich aber bleibe bei der Wirklichkeit, bei Bargeld statt Krypto-Währung. Mir kann es nur recht sein, wenn noch mehr Scheinbare mit ihrer VR-Brille durch die Welt wandeln und mein Wald um die Ecke noch leerer wird. Mein 100€-Schein fürchtet keinen Datendiebstahl. Und ich kann meinem Gegenüber in die Augen sehen, was bei Videochats nicht möglich ist - probieren Sie es aus. Das Virtuelle war immer ein Zusatzangebot. Man geht auch gerne ins Kino. Aber wer möchte da schon leben? Ich nicht.

Balkenschröter
Für mich ist im Grunde ein lange währender Traum in Erfüllung gegangen. In meiner Traumwelt sitzen fast alle in ihren Videoburgen und Scheinwelten, während ich die Pizza bringe und hin und wieder mal vorbeikomme, um ein Kabel zu richten. In meiner Welt kommt zufällig mal ein seltsamer Käfer vorbeigeflogen, während in der virtuellen Welt kein Zufall existiert. Das Virtuelle ist die Diktatur eines Algorythmus, den andere programmiert haben. Und wer sich darauf verlässt, dem wurde alles genommen, der ist verlassen und wird sehr einsam werden. Mir soll's recht sein.

Leiterbock
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Sonntag, 7. Juni 2020
Known Unknowns
Endlich Regen. Langer Regen. Unendlich langer Regen. Und mehr Freiheit. Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Freiheit für mehr und Freiheit für weniger. Die Freiheit, sich Clopapier und Hefe zu kaufen, aber auch freier von Sorgen und Einschränkungen ... und gleich mal Rentenerhöhung. Für mich eine Art "Unknown Knowns". Die Ideologie der Besitzstandswahrung.
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Donnerstag, 30. April 2020
Auf den roten Freitag ein blauer Montag
Diese Worte danken allen, die mal das Fließband durch kleine Sabotagen zum Stillstand und mich zum Nachdenken brachten. Sie danken allen, die mich gedeckt haben, mal auf Arbeitszeit was zu Papier zu bringen, oder zeitweise besoffen im Schrank zu liegen.

Ich sehe seit Wochen nur noch "1.Mai", den Weihnachtstag der Arbeiter, der dieses Jahr glücklicherweise auf einen Freitag fällt. Und plötztlich höre ich den Schlachruf der arbeitenden Bevölkerung aus allen Ecken hallen: Kurzarbeit.
Ich denke natürlich erstmal an die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, die mir seit den 90er Jahren immer noch in den Ohren klingelt. Das ist eben meine Art Tinitus.
Schon erschallt es "19,5 Stunden" und ich denk mir ich träume.
Wer hätte das gedacht. Aus der Krise geboren wird der ursprüngliche Gedanke der Sozialdemokratie plötzlich Wirklichkeit. Und das, obwohl der Sozialfaschismus immer noch nicht zu Grabe getragen wurde.

Wie kann das Großkapital nur so etwas erlauben. In all der freien Zeit kommt der Arbeiter ja bekanntlich stets auf dumme Gedanken. Im Moment kann man sein Aufbegehren nicht einmal mit Konsummüll zuschütten. Selbst Billigarbeiter aus EU-Randzonen oder 1-€-Ländern sind derzeit absolute Mangelware.
Wenn es nun nicht das Demonstrationsverbot und die Maulkorbverordnung gäbe. Und der verordnete Aufruf zur Solidarität, die im Grunde keiner wirklich versteht, wenn er mal darüber nachdenken sollte. Denn Solidarität kann man auch gegenüber Grünflächen oder Fischreihern, Schulheften und Politikern empfinden. Solidarität als Singularität hat erstmal wenig Aussage. Wie ein bayrischer Philosoph mal gesagt hat: Kann Solidarität nicht auch heissen, dass man jemandem einfach mal die Daumen drückt.

Wenn ich die pathetischen Worte der Bundesmutti oder die des pseudo-ergrünten CSU-Politikers höre, muss ich immer gleich weinen. Nicht wegen dem Inhalt, der so aussagekräftig ist, wie die ersten dreissig Absätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern wegen der Melodie. Säuselnd mit leichten Sprachfehlern und dialektisch bis zur Unverständlichkeit wird der Begriff der nationalen Solidargemeinschaft herausgemeisselt aus einer Geisterbahnfigur namens Kaputalismus.

Unsere Betriebsklimaschützer versuchen uns einen Heil- und später auch Kostenplan aufzuschwatzen, der uns nicht nur vom Virus früher, auf jeden Fall aber später als China, oder noch viel später befreien wird, sondern gleichzeitg von unseren Klima- und vielleicht sogar Rentenproblemen. Ein neuer Rettungsschirm - diesmal für alle - aber eben auch jene, die sich seit der Wirtschaftskrise 2008 mit Müh, Not und viel Lüge durchgeschwindelt hatten. Der Markt heilt vielleicht so einiges. Auf keinen Fall heilt er den Markt. Und genau hier wird der Kostenplan dann auf den Tisch gepfeffert.

Geld wird geboren und es versickert in Kanälen. Es wird gedruckt und eingestampft, verbrannt, zerschnitten. Es flackert kurz auf als digitale Ziffer, rot und grün, weiß auf schwarz. Erst ist es nicht da und dann schon weg, meistens am Monatsanfang, oft aber auch schon am Montagmorgen. Es ist immer gut, über zu wenig Geld zu schreiben, weil das alle nachempfinden können, reich wie arm. Und es ist ein dankbares Wort, weil es dank seiner Aussagekraft und Implikationen kein Synonym benötigt. Aber im Grunde ist es nur eine Idee. Und vielleicht eine schlechte.

Was wir jetzt dringender bräuchten als eine CoVid-Impfung und die Refinanzierung der Krise wären mündige Bürger, Volksvertreter, die das Volk und nicht Steuerflüchtige vertreten, mehr Freizeit als Konsum, ein lautstarker Abschied vom Fortschrittsgedanken des ewigen Wachstums, eine Volkswirtschaft, die nicht auf einem Pyramidensystem beruht und eher an das Oktoberfest erinnert als an nüchterne Zukunftsplanung. Wir bräuchten eine Aussenpolitik, die sich einer Wertegemeinschaft ziemt und nicht von den wenigen Arbeitsplätzen der Rüstungsindustrie dominiert wird. Ein Europa der Regionen und nicht eines rückbesinnenden Nationalismus.

Dann gings vielleicht auch mit einem Bruchteil dessen, was wir zu brauchen glauben, ganz gut weiter.
Ich finde, man könnte, man sollte, man müsste auf den 1.Mai gleich noch einen blauen Montag folgen lassen. Das wäre endlich mal richtungsweisend.
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Dienstag, 14. April 2020
1000 Plateaus - Der Tag des Rhizoms
Ich stehe am Schießstand und warte. Für meinen Geschmack ist der Schützenstand in meinem Rücken zu gut ausgeleuchtet. Ich möchte ins Schwärzeste des Schwarzen treffen und kümmere mich persönlich wenig um Sicherheitsbestimmungen oder Chancengleichkeit. Meine Langwaffe, deren Typus hier nichts zur Sache tut, ist mit einem Grünlichtlaser und Fadenkreuz ausgestattet und auf die exakte Entfernung justiert. Alles bereit.

Mein Körper steht mental auf einem Dreibein aus Edelstahl. Ich habe über die letzten Tage, aber vorwiegend nächtelang, mein Bewußtsein der Corioliskraft, der Erdrotation und ihrer Auswirkung auf Flugbahnen, angeglichen. Wie eine Flak haben meine Augen und Ohren Dutzende von Kampfjets am Militärflughafen Aviano verfolgt, insbesondere Überflüge an wolkenverhangenen Tagen. Endlose Tage in den Wäldern habe ich damit verbracht, aufgescheuchtes Wild mit meinen Blicken zu töten, ebenso die wenigen in Europa verbliebenen Hasen. Innerlich bewegt von bewegten Zielen, aber in meiner Haltung kataton wie ein buddhistischer Mönch.

Runde um Runde bin ich gelaufen, bergauf, bergab im Hinterland, bis mein Atem so gleichmäßig geworden, dass man eine Atomuhr danach stellen könnte. Geist und Körper sind so eins geworden, dass selbst die entwürdigenden Beschimpfungen durch meine Nachbarin mein Pranayama nicht mehr zu stören vermögen.
Ich atme ein und aus und warte, als gäbe es keine Zeit, auf mein Ziel. Licht hin oder her, die Dinge sind wie sie sind. Das Fadenkreuz geht auf und ab wie ein Boot in der Flaute. Kein Links, kein Rechts, kein Oben oder Unten und egal ob von vorne oder von hinten, jede der vier Dimensionen unterliegt meinem Willen, das Ziel auszuschalten. Das richtige, das wahre Ziel, das Einzige auf das sich mein Dasein konzentriert.
Ich wurde geboren und habe viele Jahre verlebt, Freude und Leid mich prägen lassen, nur für diesen Moment. Kein Aussen hat mehr Zugriff auf das Dasein der Stille in mir.

Ich werde das Richtige, das Einzige, die Wahrheit eleminieren im Augenblick ihrer Manifestation. Ich werde es auslöschen im Moment seiner Entstehung. Das Richtige wird bereits Geschichte sein, noch während der Zielverfolgung. Ich bin das Fallbeil, das schon immer fiel. Ich weiß, woher es kommt, ich kenne seine Verlauf. Die Wahrheit hat nur eine Tür, die richtige, die einzig richtige, durch die sie hereinkommen wird, und die in diesem Fall auch ihr Exit sein wird. Sie kommt, während ich gerade beim Ausatmen bin, mein Finger, der Laserpunkt mitten im Ziel, biegt sich kaum spürbar.

Sssappp, keine Wahrheit mehr. Jetzt und in Zukunft. Eine Ära ist abgeschlossen.

Ich atme ein. Der grüne Punkt läuft, zumindest in meinem Gedanken, leicht nach oben. Hohlgassengeschoss schießt mir durch den Kopf. Und ich warte. Auf das Zweitbeste, die Alternative. Um sicher zu gehen, dass es sich nicht vermehrt wie ein Virus oder wie die Köpfe einer Hydra. Die Wahrheit, das einzig Richtige und sein bester Freund, das Zweitbeste, die Alternative. Ich atme, sssappp, aus. Das Zweitbeste, aus dem Kopf und aus dem Sinn. Nicht danieder, sondern ausgelöscht und weg ohne Chance auf Wiedergeburt. Ins ewige Nichts befördert. So ausgelöscht, dass selbst Thomas Bernhard seine wahre Freude dran hätte.

Die Zukunft ist wieder ausgangsoffen. Die Tür, durch die sie kamen, schwingt noch in ihren Angeln, während ich spüre, dass sich die Waffe fast unmerklich abkühlt. Es herrscht augenblicklich eine andere Ruhe, eine friedlichere Ruhe. Die Luft scheint schwanger von Zukunftschancen, Multipolarität. Aus einem faschistoidem Planeten wird wieder ein Multiversum. Der Tag als die Covid19-Rate pro Einwohnerzahl in New York die des Vatikan überstieg war der Tag an dem Entscheidungen ein anderes Prädikat bekamen. Der Tag des Rhizoms.

Es war der Tag als der Baum des Wissens wieder mehrere Stämme haben konnte, der Tag, an dem alle Bewertungen umgeschrieben werden mussten. Der Moment als aus Einheiten wieder Vielheiten wurden. Der Moment der tausend Plateaus ist erreicht.
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Sonntag, 12. April 2020
Die Welt, die nach nichts riecht
Während ich die halbtote Fliege an ihren Flügeln packe, reibt sie in ihren letzten Zügen noch ihr heraushängendes Gedärme an meine Fingerspitzen. Die Natur ist da nicht zimperlich.

Für uns Kulturschaffende ist das schon ein wenig delikater. Mit einem Otto Dix und Breugel umhängt man sich nicht ungern, wenn auch nicht unbedingt ins Speisezimmer, aber die Macher der Kriege und des Elends sind aussen vor, wenn es um die Bewunderung des schöpferischen Aktes geht. Ein umgedrehtes Pissoir von Duchamp gerne, aber bitte keinen Blick in ein Männcerclo am Hauptbahnhof.

In meiner Kühlturtasche ist alles gefroren. Tote Kunst, Eiskristalle vielleicht, aber eben kein Leben mehr. Hackfleisch statt Lebendiges. Tiefgefrorenes statt Frisches vom Markt. Für Videokunst und TikTok-Artisten muss keiner mehr zum Markt oder ins Museum. Auf Märkte, die sich verschanzen und in Museen, die sich auf eine Insel jenseits des Kulturkanals arte.de gerettet haben.

Man darf die Ostereier dieser Tage aus einem Scherbenhaufen fischen.

Aus einem Scherbenhaufen oder aus Kalkwasser. Man darf sich glücklich schätzen, wenn man seine Eier über den Winter sicher in Kalkwasser gelagert nun zum Ende der Fastenzeit aus dem Keller holt. Eier, die nach nichts schmecken, in Zeiten, die nach nichts riechen.

Unbeirrt von solcherlei Sentimenten und Gefühlslagen erhebt sich ein Frühling, ganz verwundert über so wenig Störgeräusche und Dreck.

La primavera, das wahrhaftig Erste, als hätte es vorher nichts gegeben. Das erste Leibhaftige sprießt und gedeiht. Primeln und Hopfen

Spargel und Rhabarber

Traubenhyazinthen und Gänseblümchen

Und die vom winterlichen Kältereiz zur vollen Blüte getriebene Schönheit der Vorgärten des Paradieses auf Erden, die Tulpine

Oh, Alma BenGutsi,

Du allativ gezirkte Bedonin,

Sernerer Klamotuken.

Ich umarme Deine Worte,

Sieben Wochen nach Drei.
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Mittwoch, 8. April 2020
Europa leibt
und lebt. Eigentlich wie es die letzten Jahrtausende auch schon gelebt hat. Ein wenig Irrsinn und ein paar gierige Ellbogen, die sich bemerkbarer machen als andere. Aber insgesamt viele liebe Menschen. Eine gütige Natur.

Wer jetzt Europa frustriert oder auch sensationslüsternd auf den Müll werfen möchte, sieht nicht das gleich Bild wie ich. Ich sehe das Pathologische, Soziopathische zu einem Großteil samt Covid19 in einem Gulli verschwinden. Ich sehe eine virale Zeit, die Krankes an die Oberfläche bringt, von wo es sich viel leichter entfernen läßt. Eine gute Zeit, um sich gegen all jenes, was so aus der Büchse der Pandora entweicht, zu immunisieren. Und letztendlich ein geeintes Europa, eine Welt, die begreift, dass es gemeinsam besser geht als jeder gegen jeden.

Es gäbe so viel Positives zu erwähnen. Beispielhaft möchte ich nur mal den momentanen Zustand des öffentlichen Nahverkehrs erwähnen.

Wir können die Biere schon mal kalt stellen, würde ich sagen.
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Sonntag, 29. März 2020
Vor dem Virus sind alle gleich. Aber danach?

Noch ein letzter Wischer mit Karton, dann ist es aus. Ich stehe mit nacktem Arsch vor dem Nichts. Beklemmung. Doch was mich fast noch mehr erschreckt, ich atme noch. Etwas gepresst und flach, aber doch von selbst. Ich muss zwangsläufig daran denken, dass jene Dinge, die einem starke Schmerzen vergessen lassen, wie Heroin oder diverse Narkosemittel, zumeist auch atemdepressiv wirken. Hab ich meine letzte Rolle gut gewischt? War doch klar, dass es kommen würde - EVENT 201 - anbei ein paar mediale Mitschnitte der Veranstaltung vom Oktober 2019. Es lohnt sich auch ein Blick auf die Teilnehmerliste und die Empfehlungen.

Nochmal ein Blick auf das beige Ende der Rolle und ich muss weinen. Man wird sagen: Hier wurden große Romane geschrieben. Zumindest erdacht. Jetzt spielt es keine Rolle mehr. Signierte Scheiße einfach, denn selbst mein großer Roman auf 500 Seiten Dreilagigem wird untergehen in all dem Schund, der sich derzeit herausquält aus den gelangweilten Gehirnen von Abermillionen Homeoffice-Arbeitern.

Seit meine Kinder nicht mehr den bilingualen Kindergarten (Deutsch/Latein) besuchen dürfen, bin ich zwangsläufig mit Dingen konfrontiert, die normalerweise ausgelagert sind. Ich denke an die Passage aus Phillip Aries "Geschichte der Kindheit" über das alte Griechenland, als Kindsmord noch erlaubt war. Ich werde Griechisch lernen müssen, um mit meinem Mann vormittags noch Geheimnisse auszutauschen. "Maria est adhuc spirans et poenis, filie".

Was wäre dann nur ein "Aspirant des Todes"? Selbst der Lehmfigur des Golem ließe sich derzeit schwerlich Leben einhauchen, da sie vermutlich Mundschutz trüge. Zuhause wird die Luft so knapp wie in der Todeszone des Mount Everest.

Was mir droht, ist Herzverfettung oder der augenblickliche Erstickungstod aufgrund meines fetten Bauchs, sobald ich mich auf den Rücken lege. Ich werde es auch nach dem Weltuntergang nicht mehr in mein geliebtes Fitness-Studio "Pontius und Pilates" schaffen. Sanitäter werden mich hinrollen müssen. So es ein Danach noch geben wird.

Weltuntergangsfantasien entstehen meines Wissens zumeist um die Jahrtausendwende herum. Ein Virus 2000 ginge auch leichter über die Lippen als Covid19. Aber wenn man ehrlich zu sich ist, wird man sich auch schwerlich den Namen des Meteoriten merken können, der uns innerhalb der nächsten tausend Jahre treffen könnte. Ob er nun EETA79001 heißt oder H5 Olivin-Bronzit-Chondrit als Typennamen trägt.

Das Universum besteht hauptsächlich aus tödlichen Dingen, die so gut wie nie Markennamen tragen, da sie sich schwerlich vermarkten lassen. Und hier schließt sich der Kreis. Der letzte Fetzen des scheinbar lebensrettenden Clopapiers ist weg und ich habe nie gewußt, wie es eigentlich hieß.
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Mittwoch, 25. März 2020
Ihr seid so teuer wie euer Plan billig
Ich bin ein durch und durch geduldiger Mensch. Ich habe da meine Mittel und Wege. Das heißt, ich hatte, denn nun wird auch noch der Nußschnaps zum Desinfizieren über Türklinken und anderes Material verschüttet. Mehr angesoffen als ich konnte man nicht sein. Jetzt heißt es, mehr angefressen als ich kann man nicht mehr sein.

Die Grundrechte, deren ethymologische Bedeutung immer mehr zu Tage tritt, waren stets auf dem Grunde eines tiefen Meeres verborgen. Manch einer mochte noch an Bergung denken. Jetzt ist das Wasser so undurchsichtig von Entenscheiße und Sulfat, dass daran garnicht mehr zu denken ist.

Doch die Grundrechte sterben nicht an Altersschwäche, sondern sind von einem Virus befallen, der sich dekadente Phase des kapitalistischen Zeitalters nennt.

Homeoffice brüllt es von allen Dächern. Ich aber kenne nur Menschen, die entweder arbeitslos geworden sind oder obwohl sie in Kurzarbeit geschickt werden, mehr arbeiten denn je. Das ist nicht neu, denn schon vorher hieß es: garkeine Arbeit oder endlose Überstunden. Jetzt aber wird Sonntagsöffnung und Ausgangssperre zur philantropen Krisendienstleistung erhoben. Im Kaschmir würde man garnichts merken. Die so viel gelobte Reisefreiheit ist futsch. Wir dürfen auf unbestimmte Zeit das Land nicht mehr verlassen. In China wurde es noch mit großen Buhrufen verteufelt, obwohl es da als Containment-Politik große Wirkung gezeigt hat. Hier allerdings hat man erst noch die Kommunalwahlen abgewartet. Die Aussetzung der Grundrechte dient jetzt nur noch dazu, die Durchseuchung national zu begrenzen. Lieber mal alle Handys orten, aber bloss keine Übersicht gewinnen durch einen Querschnittstest. Deutsch stecken nur noch Deutsche an, von Kufstein bis nach Kiel reisend. Das Virus darf das Land nicht mehr verlassen.

Divide & Conquer war schon in vorangegangenen Zeitaltern das Mittel der Wahl, um jegliche Gegenwehr auszuschalten. Arbeitslose und Überarbeitete, beide so ermattet, dass jeglicher rebellischer Gedanke im Keim erstickt wird. Jeder klaut jedem die Atemmaske, während sich Frau Merkel zweimal die Woche auf Corona testen lässt. Boing und abermals viele der Banken werden mit Milliarden aus dem Steuersäckle gerettet, obwohl ihr Ruin rechnerisch garnicht mehr abwendbar war, während die meisten Selbstständigen, Kleinunternehmer und die letzten Buchläden sich noch mit letzter Kraft zum Arbeitsamt zu retten versuchen. Wer hätte gedacht, dass Hartz-IV in Wirklichkeit die Arche Noah ist.

Wir ersticken nicht am Coronavirus sondern an unserem Fortschrittsgedanken und der Gier der Gierigsten. Die letzten Lohnarbeiter Deutschlands werden die Parlamentarier sein. Ich will mal hoffen, dass die Parteispenden dann zumindest über einen Tarifvertrag geregelt werden.
Wenigstens der Plan "Hände waschen und Ellbogengruß" ist so billig, dass man ihn sich noch leisten kann. Und von allen Experten, Medien und selbst der Opposition wird dies mit Händeklatschen, dem letzten erlaubten Körperkontakt, fleissig begrüßt. Das ist nicht die Solidarität, die ich mir wünsche. Eine fortwährende Solidarität und mehr Lohn für die sozialen Berufe, sowie den Niedriglohnsektor, nicht Abklatschen.

Am großen Plan hat sich nicht viel geändert, ausser dass er sprunghaft kommt, sich ein schuldiger Virus gefunden hat und wir noch nicht mal mehr weglaufen können. Woher kam da nur dieser Begriff "innere Emmigration"?

Wenn ihr mir jetzt noch die Wiesn wegimpft, dann koch ich über.
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Freitag, 20. März 2020
Kampf der Desoxyribonukleinsäuren
Wir denken uuuuaaaahhhhk, was kommt denn da. Ein neuer Migrant, den man nicht sieht, will in uns wohnen. Ein Mietnomade, der sich um den Obulus drücken will. Ein rundes Ding, das uns die Luft wegfrisst, und dennoch nicht von der Autoindustrie ans Tageslicht gebracht. Etwas das uns, der Krone der Schöpfung, an den Kragen will.

Mir wird ganz schwindlig. Das Virus spricht zu mir.

"Bitte, lass mich bleiben. Ich weiss nicht wohin mit mir. Ich komm nicht von der Fledermaus und davon gäbs auch wirklich wenig hier bei euch."

"Aber du frißt doch mein Lüngerl."

"Du frißt doch selber Lüngerl, du Bazi. Saures Lüngerl. Stell mir doch bitte deine Freunde vor."

"Nix gibts. Ich bleib daheim und du stirbst mit mir!"

"Ja," das Virus lacht ein wenig, "Du kannst alleine leben, Du asoziales Stück. :-( Ich nicht. Gemeinsam Spaß haben. Freunde sein. Ich will doch nur mittrinken."

"Du bist doch garnix, du Zwerg. Für dich ist hier kein Platz."

Die Säureattacke. Ein Kampf der Informationscluster also. Einer für alle, alle für einen.

PS: Die Rente ist sicher

"Und die Russen sind gleich auch noch Scheiße."
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