Mittwoch, 17. August 2016
no country for old smokers
Ich meine, man sieht das überall. Die Zeiten werden härter. Hier zumindest im Land von Biomilch, glutenfreiem Honig und fetten Autos. Früher hatten wir noch Nischenjobs. Wer nix will oder kann, geht zur Post oder Bahn, war die Devise. Jetzt müssen wir schon kontinentalfremde Zuwanderer importieren, dass uns überhaupt noch jemand die Briefe bringt. Eigentlich ist es ja fast besser, dass die neuen Billiglohnpostler (geblieben ist also: wer nix will, geht zur Post) nicht mehr des Lesens oder gar des Deutschen mächtig sind, sonst lesen sie uns auch noch die Briefe vor unseren Augen weg.

Aber am besten sieht man die Entwicklung am Auto, dem Phänomen unserer Zeit. Ich weiss garnicht, wann Sicherheitsgurte erstmals erfunden wurden. Aber ich kenne noch Zeiten, wo man sich nicht unbedingt anschnallen musste. Inzwischen muss jeder sich festzurren. Bald wird der Fahrer auch noch Helm tragen müssen. Das kann nicht mehr so lange dauern.

Rechte und Pflichten hat mein Vater immer gesagt. Da sehe ich die Waagschale heutzutage aber gewaltig schief hängen. Das Leben wird härter und nirgendwo wird es weicher. Selbst Moospolster fühlen sich inzwischen wie Hartgummi an. Das Einzige, wo man an Härte offensichtlich spart, ist die Karosserie und bei den Stoßdämpfern. Letztere hat man gleich ganz abgeschafft. Ist auch irgendwie ein Zeichen der neuen Härte. Zumindest für den Fahrer.

Ich denke, ich zähle mich vom Gesichtpunkt der Lebesstilistik zur entarteten Kunst, zu den Dingen, die irgendwie ausarten, Gattung Raucher.

Ein hartes Land. Rauchende Colts, but no mercy, bullets but no smoke. Miese Tricks und eine ganz andere Art der Mathematik, wo aus einem Glimmstengel eben mehr Abgas rauskommt als aus einem Auspuff, wo 2,1 Kubik Hubraum mal 4000 U/Min ganz im Gegensatz zu 5 Zügen multipliziert mit einem sehr, sehr eingeschränktem Lungenvolumen keine letale Dosis darstellen.
In Bezug auf Geschichtsfälschung kennt man ja so einiges. Ich denke, dass auch die Tatsache niemals ans Tageslicht kommen wird, dass abertausende rauchender GIs vorwiegend deswegen nach Vietnam geschickt wurden, um dort massenweise dahingeschlachtet zu werden, wie alte Kippen im Aschenbecher. So was möchte man lieber nicht wissen. Soll mir mal einer einen bekannten, rauchenden Feldherren nennen.

Auch ich, Feldherr so mancher Bodentrupe, liege hier im Schutz eines verstaubten Holzschuppens, um von jener faschistoiden Intoleranz, der wir unsere Freiheitskämpfe geopfert haben, nicht augenblicklich zerrissen und dahingeschlachtet zu werden. In meine Lunge rasselt es, doch kein Tönchen dringt nach aussen, um nicht entdeckt zu werden. Husten wäre jetzt mein letzter Atemzug. Ein so befreiendes Hüsterchen könnte mir Kopf und Kragen kosten, hier im Schützengraben des Rauchers. Schlechthin alles oral Lustvolle muss im Geheimen seine wenn auch nur teilweise Befriedigung finden. Selbst hinter jedem Kaffee wird heute oft schon der Sargnagel der Menschheit vermutet.

Und dann das Zentralproblem schlechthin. Wohin mit dem Rauch? Am liebsten würde man ihn ja nicht mehr hergeben, aber selbst durch tiefstes Inhallieren und minutenlanges Verharren der Lungenflügel, die keinen Schlag mehr wagen, entweicht letztendlich doch noch ein wenig fast schon unsichtbarer Rauch. Vorbei sind die Zeiten, wo man mit zum Froschmaul gerundeten Lippen noch verschwenderisch schöne Rauchring beim Ausatmen formen durfte. Widersinnigerweise sind es die sehr verbotenen Orte, wo man das Beweismittel Rauch noch am einfachsten verschwinden lassen kann. Flugzeugtoiletten, wo man in die Absaugung beim Spülvorgang bläst oder die leicht gekippten Oberfenster in den Eilzügen, die den Rauch durch ihre Sogwirkung hinfortreissen.

Im Zeitalter der allgegenwärtigen Überwachungskamera wird der Raucher dank Wärmebild ja nicht nur an den entweichenden Wolken, sondern auch aufgrund seiner erkalteten Gliedmaßen wie dem Raucherbein oder den stets bläulichen Händchen sofort erkannt. Und dann die vergilbte Haut zwischen Zeige- und Ringfinger. Dieses Schandmal ist heute jedem Kleinkind ausnahmslos bekannt. Und das, obwohl es kaum mehr Raucher gibt. Logischerweise. Denn Rauchen tötet.

Herrje ... ich wurde entdeckt. Jetzt gibts Schelte und eben kein schickes Ende für diesen Beitrag. So wird es die Raucherliteratur natürlich nie in die Geschichtsschreibung schaffen.
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