Montag, 5. Mai 2014
Rette sich wer kann, die Eisheiligen kommen
Es ist Anfang Mai und die gestrengen Eisheiligen hurten heran.

Pangrazi, Bonifazi, Servazi sind drei frostige Lumpazi und die kalt' Sophie, die bringt zum Schluss ganz gern noch einen Regenguss.

Im Grunde fühlt es sich heute schon so zapfig an, dass man denken könnte, ihr Eiskleid wehe ihnen voran. Doch, wer will sich beklagen:

Ist der Mai kühl und nass, füllt's dem Bauern Scheun' und Fass.

Dumm nur für jene, die Tomaten und anderes frostuntaugliches Gemüse schon im Freiland verpflanzt hatten. Denen füllt sich einzig der Kropf, wenn es nochmal so richtig unter Null geht. Jetzt gilt es also zu warten. Erst die eisigen Lumpazi, dann der nasse Nepomuk und nach ein paar bangen Tagen dann letztendlich am 25.Mai, der heilige Urban, der den Sommer einläutet.

Urban lass die Sonne scheinen, damit wir nicht beim Weine weinen.

Wenn Ihnen das alles ein wenig unsicher erscheint und sie bei wetter.com nicht die kostenpflichtige 3-Wochen-Vorschau gebucht haben, schicken Sie Ihre Pflanzen doch mal auf Urlaub. Schattenparken Sie Ihr Prachtgut in unserem Schatten. In geselliger Nachbarschaft zu gepflegten Magnolien und lustigen Kirschlorbeeren.

Wir stellen Ihre winterharten Sibirischen Lerchen im Hochsommer bei uns in die abgeschiedensten Orte unserer Baumschule, an die noch niemals Licht gedrungen ist. Oder für all jene, die es in der prallen Bruthitze dieser klimaerwärmten Breiten und ganz besonders ohne ausreichende Wasserzufuhr nicht aushalten, ein Plätzchen im Halbschatten, schön bodenfeucht.

Sie fahren in den Urlaub oder wollen Ihre depressive Bergenie mal auf Kur schicken. Von den vier Elementen Luft, Boden, Wasser und Sonne gibt es bei uns für Ihre Liebsten nur das Beste. Tägliche Blattpflege und die Parasiten manuell beseitigt, das läßt Ihr Pflänzchen gedeihen, dass Sie sich nach dem Urlaub eigentlich eine größere Wohnung suchen müssten, hätten wir Ihre Prachtstaude, Ihren Rhabarber, den Spindelstrauch oder Ihre Eibe nicht abschliessend in Form gebracht.

Damit sprechen wir nicht nur Ihre Topfpflanzen an. Wir holen Ihre Pflanzen auch aus den Erdlöchern und bringen sie wieder wohlbehalten dorthin zurück. Wie Sie das bei guter Baumschulware sehen können, führt das Verpflanzen dazu, dass die Pflanze robuster wird und sich im Wurzelballenbereich formschöner herausbildet. Manchmal ist ein radikaler Wurzelrückschnitt die letzte Hoffnung. Als Anregung möchte ich Ihnen das wunderschöne Lied "Topfpflanzen, gehts spaziern" von Josef Hader mit auf den Weg geben.

Ob als Kur oder als Hotel, mit oder ohne Unterhaltungsprogramm. Wir bieten zudem als Zusatz- oder Einzelpaket verschiedene Schulungen an. Wir machen auch Ihre Palme winterhart, Ihre Obstbäume laubfallfrei oder ihre Hecke vogelresistent.
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Sozialstress online
Ich muss nur noch diese eine Rechnung verschicken und jene bezahlen. Früher ging man zur Bank und warf den ausgefüllten Überweisungszettel in einen Kasten, heute kann man sich bankbanking garnicht mehr leisten. Online wärs umsonst, aber da wartet der virtuelle Terror.
Denn kaum öffne ich das Postfach, schon wummert es über den Chat. Ich bin hier allerdings geschäftlich tätig und hab weder Zeit noch Lust auf die Befindlichkeiten lockerer Bekanntschaften. Schliesslich platze ich bei meinem Schwager auch nicht durch die Tür und rülpse mal so raus, was bei mir heute so los war.
"Ich schreibe Rechnungen, verpisst Euch." Selbst das Offline-Zeichen wird nicht respektiert. Ich bekomme Meldungen von Postfächern, die ich nie hatte. Die erste hartelinie-Tastatur wird mindestens eine Taste mehr besitzen: "Push it all to Spam".

Als dann noch ein sprechendes Werbefenster angebrausert kommt und sich im Hintergrund fiepend meldet ... da hab ich dann ausgebrausert. Ich gebe auf. Ich verzichte auf die Rechnung. So werden Kunden zu Freunden und Freunde zu Fremden ... denk ich mir noch, schon piepsen und brüllen die Multiversen an Freunden und Bekannten auf ganz anderen Kanäle. Denn kaum ist der Chat agbemeldet, knarzt es als praktische Vorwarnung im Kopfhörer aufgrund der Interferenz, die das längst vergessene Handy auch gleich mit mir eingehen wird. Für wenige Millisekunden vibriert die Tischplatte, schon jault und zischt das Klingeltontrauma.

Geistesgegenwärtig verlasse ich das Wohnzimmer, um mein Ich wieder zu finden. Das hätte ich besser nicht getan, denn nun steht mir das Entsetzen und Grauen noch tiefer ins Gesicht gefurcht und gefräst. Ein Teufelskreis, wesshalb man eben im Grunde jeden Tag einen Tag hässlicher wird. Sozialstress.

Ich stecke in einer ausgesprochen schwierigen Situation, einem Catch 22, einer Loose-Loose-Situation. Im Wohnzimmer drängt der Freundes- und Bekanntenkreis wie eine Horde Körperfresser durch den Bildschirm, im Rest der Wohnung, der Niemandslandzone, bin ich von meinem eigenem Ich überfordert und vor der Tür, draussen auf der Strasse ... das will man sich garnicht vorstellen. Horror mit Leibern, Dantes Inferno im Gewande indischer Tausendsassa- und Elefantengötter. Wilde mit noch wilderen Ideen und Fantasien und mit mehr Geld.

Einzig jene, die ihre Sektenbroschüre Der Wachturm schützend vor sich halten, dürfen nicht mit mir sprechen - immerhin. Stumme Zeugen Jehovas, das lobe ich mir. Die Initiative dazu kam allerdings von gesetzlicher Seite und nicht aus eigener Demut der Sekte. Offener Kreuzzug ist heute eben nicht mehr gern gesehen.
Das virtuelle Restvolk hingegen zeigt nicht so viel Anstand und Grösse, sondern lauert ante portas, rund um meine persönliche Stadtmauer, mit dem einzigen Ziel, meine volle Aufmerksamkeit zu okkupieren. Mit diesem Pack ist kein Pakt zu schließen. Ich bleibe offline.
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