Altersfaschismus - Beiträge zur Beschimpfung der Jugend
Ich habe keine kinder. Vielleicht fallen sie ja morgen vom Himmel. Ich schliesse das nicht aus, aber im Moment, fürchte ich, sind sie nicht da. So fehlt mir auch der vielleicht nötige Respekt vor den Pickelfressen. Hätte ich eine Tochter, so gäbe es gleich mit der ProKopf- und Erbschuld noch den passenden Vornamen drauf: Cindy Melodie. Also Glück für Cindy, dass sie für dieses Multiversum nie geplant wurde.
Als Single-Cunt muss ich mich also kinderlos an dem ergehen, was mir auf dem schmutzigen Asphalt so an Jugend entgegenwackelt und -schleift. Steueresser, die in ihr Handy versunken den Rest der Welt nicht wahrzunehmen versuchen. Aufgedunsener Babyspeck dessen Stammzellen nicht mehr in der Lage sind, Gehirnmasse auszubilden. Zwar Lebewesen im rechtlichen Sinne, jedoch biologisch auf der Verliererstrasse, die es aus dem Einzellertum niemals herausgeschafft haben.
Altersbosheit hat weniger mit dem Alter zu tun als mit der Tatsache, dass man es bereits hundert mal sagen musste und mit jedem neuen Geburtswunder gleich nochmal. Hier wirken laute, deutliche Worte oft Wunder, so die Brut jemals ihre Ohrstöpsel rausgepult bekommt.
Desshalb konzentriere ich mich darauf, mir ein Stück dieser jugendlichen Frische abzugreifen. Kaum kommt einer dieser Bälger meinem Kiefer zu nahe, beisse ich in jedem Moment der Unachtsamkeit ein Stück davon ab von diesem frischem Körper, breche ich mir ein Stück von der Tabula rasa und bekritzle sie sogleich mit allem, was mir so einfällt. Mir ist, als hätten meine Gedanken mehr Berechtigung in den Schädelhöhlen dieser Frischgezapften.
Mein Saugstutzen baumelt scheinbar unbeteiligt an mir herunter wie auch die letzten Fetzen der Wehrmachtsuniform meines Grossvaters. Doch kaum wandern die kindlichen Äuglein mal in die falsche Richtung, haftet sich mein Rüssel blitzschnell an und pumpt all das Frühlingshafte aus dem jugendlichen Körper rüber in mein Wrack.
Mein Restkörper, bei dem sich der Talg nur noch durch starkes Rubbeln aus den Falten kratzen lässt, hat zugegebenermassen Defizite. Die vergilbten Zähne wären ein echtes Hindernis, falls ich jemals einen Partner suchen würde. So gilt es zu warten bis zum dritten Gebiss. Mein Gefühlsapparat ist von Ängsten angefressen, die sich wie Müllberge um mich türmen. Und meine weibliche Libido hat sich erst in einem Alter entwickelt, in dem sich damit rein garnichts mehr anfängen lässt, ausser vergebens zu hoffen.
Viele sagen, ein schneller Tod wäre ein guter Tod. Leiden will keiner. Aber ich möchte aus dieser Gesellschaft nochmal soviel herausquetschen wie geht. Hauptsache für die Generationen nach mir wird es dadurch prekär. Ich möchte so teuer wie möglich sterben und dauerte es Jahre des Leids. Denn das Leid der anderen stelle ich über das meine. Jeden Organspender sollte man frühzeitig so mit Schrot verbleien, dass nichts Verwertbares mehr übrig bleibt. In diesem Sinne ist doch auch unser Rentensystem geplant: Mitnehmen was geht und beim Ableben nochmal verächtlich auf den Generationsvertrag spucken, nachdem man das Erbe am Altersruhesitz auf La Palma für Nippes draufgehen liess.
Ich fände Wachkoma super. Ein Wachkoma mit Komplikationen, während ich den Schaden, den ich dem Volkskörper dadurch zufüge, mit eigenen Augen noch mitverfolgen kann. Das schönste Abschiedsgeschenk wäre eine von mir unbezahlte Rechnung, die massive finanzielle Lücken in unser Gesundheitssystem reisst und durch ihre Spätfolgen zur Lösung des Bevölkerungswachstums beiträgt. Also dazu, dass später weit weniger Beine auf meinem Grab herumtrampeln und mir an den Grabstein pinkeln.