Montag, 3. Juni 2013
Ode an die Sickerrigole
Wenn schon Jahrhunderthochwasser, dann doch lieber gleich zwei Meter mehr und eine Jahrtausendkatastrophe. Wenn es natürlich der kleinste gemeinsame Nenner sein soll, will ich mich nicht sperren. Aber warum bei 11 Meter Donau aufgeben. Gebt der Presse, was sie braucht: eine Milleniumsflut.

Der kälteste Februar, der meiste Schnee und jedes Jahr aufs Neuste ein Jahrhundertrekord. Ein noch wachsendes Kind wird zwar jedes Jahr nochmals größer als man selbst, dennoch spricht man für gewöhnlich nicht von Rekorden. Das läßt auf eine Entwicklung schließen. Eine ansteigende Kurve, die irgendwie auch in jedem Punkt einen Superlativ darstellt und trotzdem einfach nur ein wenig mehr als letztes Jahr ist. So haben wir dieses Jahr so viele von uns auf dem kleinen Planeten wie noch nie, seit Menschengedenken.

Auf jeden Fall ist es das schlechteste Erdbeerjahr seit ich Marmelade mache. Mit der 'Flotten Lotte' für die Gelee-Ausgabe wird dieses Jahr nicht mehr viel passiert. Dem Rhabarber gehen solche Umwelteinflüsse scheinbar am Arsch vorbei oder es ist seine dicke Blätterschicht, sein grüner Kuppeldom, den nichts durchdringt. Rhabarber ist eben jedes Jahr Jahrhundertrhabarber.

Ob Fische das überhaupt bemerken, dieses Hochwasser. Ihr Lebensraum hat sich ja offensichtlich ausgedehnt. Wenn also schon die Ernte nicht 100jährig wird, so wird es denn vielleicht der Fang. Rein evolutionärstechnisch wäre es an der Zeit, daß sich auch mal ein Randsteinbarsch oder ein Seitenstreifenhecht ausbildete. Selbst dem Regenwurm wird es zu staunässig, dort unten im Erdreich, und so kriecht er kreuz und quer über die Wiese. Ich kann das gut beurteilen, nachdem ich seit Tagen nur Sickerrigolen grabe.

Im übertragenen Sinne habe ich das mein ganzes Leben schon getan. Ich war immer schon eine Art Gulli im Volkskörpergewebe, als Sach- und als Sozialarbeiter, als Gärtner, eigentlich in jeder Arbeit. Das Zeuch sollte immer nur wech. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und immer am besten unter die Erde, wenn kein Teppich zur Hand war. Aber man tut's, denn schließlich möchte man auf Urlaubs-, Weihnachts- und sonstige Prämien nicht verzichten. Und so grabe und steche ich in die Welt des Regenwurms, seinen vom vielen Wasser verdichteten Lebensraum. Sickerrigole um Sickerrigole. Wer schaltet dieser Tage nicht einfach auf Durchfluss?! -:
 1163 klicks